„Die Gefahr ist zu groß“Kölner Schauspielerin muss Mission im Mittelmeer abbrechen

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Im Juli 2017 fuhr Signe Zurmühlen zum ersten Mal mit der „Sea-Eye“ aufs Mittelmeer. Zwei Wochen lang retteten sie und die Crew Flüchtlinge vor dem Ertrinken.

Im Juli 2017 fuhr Signe Zurmühlen zum ersten Mal mit der „Sea-Eye“ aufs Mittelmeer. Zwei Wochen lang retteten sie und die Crew Flüchtlinge vor dem Ertrinken.

Vor einem Jahr rettete die Kölner Schauspielerin Signe Zurmühlen in Seenot geratene Flüchtlinge im Mittelmeer. Damals berichtete die Rundschau über ihren freiwilligen Einsatz. Jetzt sollte sie wieder in See stechen – doch ihr Schiff konnte den Hafen von Malta nicht verlassen. Henriette Westphal sprach mit ihr.

Sie sollten jetzt eigentlich auf der „Seefuchs“ sein...

So war es geplant. Nach meinem Einsatz im vergangenen Juli wollte ich zur ähnlichen Zeit wieder raus. Doch die politische Situation für die Helfer hat sich verändert: Schiffe anderer Hilfsorganisationen, die „Lifeline“ und die „Aquarius“, wurden daran gehindert, in den Hafen von Malta zu fahren. Meine NGO, die „Sea-Eye“, hat daraufhin beschlossen, nicht rauszufahren. Die Gefahr, dass auch wir nicht wieder zurück kommen können, ist zu groß.

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Wie haben Sie und die Crew darauf reagiert?

Das war für uns erschütternd. Ich muss permanent daran denken, wie viele Menschen gerade auf dem Mittelmeer sterben. Es sind in diesem Juli deutlich mehr als vorher, und das liegt sicherlich daran, dass die Arbeit der Seenotretter von der Politik behindert wird. Es wurden furchtbare und unmenschliche Entscheidungen getroffen.

Was wäre Ihre Aufgabe auf der „Seefuchs“ gewesen?

Die Schiffe von Sea-Eye sind innerhalb der europäischen Gewässer unterwegs und halten Ausschau nach Flüchtlingsboten in Seenot. Immer in Absprache mit dem MRCC Rom, der italienischen Seenotrettungsleitstelle. Wir verteilen Rettungswesten und Wasser, leisten Erste Hilfe. Wir fragen, wie viele Tote und Verletzte es auf dem Boot gibt, wie viele Schwangere und Kinder. Viele der Frauen wurden in den Lagern in Libyen vergewaltigt. Diejenigen, denen es wirklich schlecht geht und die medizinische Hilfe brauchen, holen wir aufs Boot. Wir nehmen sie aber nicht alle auf – dafür ist der Kutter viel zu klein, das wäre zu gefährlich. Das MRCC koordiniert ihre Rettung und entscheidet in welchen sicheren Hafen die Menschen gebracht werden. Das sind meistens italienische Häfen wie Lampedusa oder Sizilien.

Wie gehen Sie mit dem Erlebten um?

Das ist nicht einfach, ich hatte im letzten Jahr zunächst Schwierigkeiten, wieder im Alltag anzukommen. Die Bilder werde ich sicher nicht mehr vergessen. Einmal streckte mir eine Frau ihr Baby entgegen. Sie war völlig in Panik. Ich sollte wenigstens ihr Kind mitnehmen. In der Situation muss man Ruhe bewahren, die Menschen beruhigen. Erst hinterher habe ich geweint. Diese Gefühle gehen nicht wieder weg. Das kann keiner verstehen, der nicht dort war. Umso schlimmer fühle ich mich in diesem Moment, den Menschen nicht helfen zu können.

Gibt es etwas, das jeder einzelne tun kann, um an der aktuellen Situation etwas zu ändern?

Unbedingt. Man sollte laut sagen, dass man bei dem Sterben auf dem Meer nicht länger zusehen will. Dass sich an der europäischen Flüchtlingspolitik etwas ändern muss. Man kann es bei Facebook posten. Oder zu der Demonstration am Freitag in Köln gehen. Wenn wir alle laut genug sind, müssen wir gehört werden.

Müssen Sie sich oft rechtfertigen, für das, was Sie tun?

Nicht in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Nach dem Bericht in der Rundschau vor einem Jahr habe ich allerdings anonyme Anfeindungen bekommen. In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich seitdem etwas verändert: Die NGOs werden von vielen als Helfer der Schlepper dargestellt. Ich muss in dieser Hinsicht gar nicht nachdenken: Diese Menschen zu retten, ist absolut richtig.

Zur Person

Geboren ist Signe Zurmühlen 1987 in Kaiserslautern. Ihre Schauspielausbildung an der Kölner Theaterakademie schloss sie 2011 ab.

Als Schauspielerin hat sie unter anderem Engagements an Kölner Theatern und am Stadttheater Hagen. Zudem arbeitet sie als Sprecherin für den WDR. (wes)

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