„Domblick ist überbewertet“Dieser Düsseldorfer nächtigt regelmäßig im Excelsior

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Rund 15 Mal pro Jahr kommt Stefan Weber ins Hotel Excelsior.Nach der Wiedereröffnung in der Corona-Krise wollte er einer der ersten Gäste sein.

  • Stefan Weber kommt seit über 30 Jahren ins Hotel Excelsior am Dom.
  • Schon als Kind war der Düsseldorfer mit seinen Eltern Gast in dem Luxushotel.
  • Davon, was man als Düsseldorfer in Köln so macht und wie es sich anfühlt als Gast in Corona-Zeiten, hat er uns berichtet.

Köln – Stefan Weber ist ein genügsamer Mensch. Es ist besser, das gleich zu sagen. Zum Frühstück benötigt er keinen Wildlachs, der in norwegischen Flüssen gewachsen ist, er braucht abends keinen St.James Kaviar als Entree, und er ist auch nicht im Bentley vorgefahren. Andererseits kann er nicht einparken, und da ist es praktisch, wenn jemand die Autoschlüssel nimmt, um den Passat wo auch immer abzustellen.

Und wenn er dabei willkommen geheißen wird mit einem ehrlichen Ausdruck der Freude, ist das ebenfalls angenehm. Stefan Weber braucht das alles nicht. Aber schöner ist es schon.

Das Grand-Hotel

1863 ist das Excelsior Hotel Ernst gegründet worden. Es gehört zu den wenigen familiengeführten Luxus-Hotels der Welt. Eigentümer ist die Schweizer Familie um Charles Roulet.

137 Zimmer und Suiten gehören zum Hotel. Übernachtet haben dort schon Madonna, Andy Warhol, die Kennedys und Kaiserin Soraya. Neun Wochen blieb das Haus in der Hochphase der Corona-Krise geschlossen, dennoch war es 24 Stunden pro Tag besetzt, es wurden kleine Renovierungsarbeiten vorgenommen. Alle 200 Mitarbeiter waren in Kurzarbeit, das Gehalt wurde von der Eigentümerfamilie aufgestockt. Seit Januar leitet Georg Plesser das Hotel. (mft)

Das Excelsior Hotel Ernst am Dom ist Kölns erstes Haus am Platz, ein Fünf-Sterne-Grand-Hotel, derzeit das einzige der Stadt. Weber kennt es schon, seit er ein kleiner Junge war. Seine Eltern hatten einen Möbelhandel im Ruhrgebiet, und zu Messezeiten nächtigten sie in dem traditionsreichen Haus. Er hat also früh die Vorzüge eines familiengeführten Luxus-Hotels kennengelernt, seit rund 30 Jahren checkt er regelmäßig am Dom ein. Dann kam die Krise, und jetzt, da das Hotel Corona-bedingt zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg leer stehen musste, war es ihm wichtig, nach der Wiedereröffnung einer der ersten Gäste zu sein. Nicht der allererste, das wäre albern gewesen. „Die erste Nacht würde ich gerne bei euch essen und übernachten“, hat er dem Hotel-Manager geschrieben. Er betrachtet es als eine Geste der Verbundenheit. Und eine gute Gelegenheit, sich etwas Gutes zu tun. Weber kommt übrigens aus Düsseldorf.

Schwelgen im und schwärmen vom Luxus

Der 54-Jährige hat zu seiner Rückkehr viel Zeit mitgebracht. Im Wintergarten, der sich ans Foyer anschließt, plaudert er auf einem samtig gepolsterten Zweisitzer über seine Liebe zu Hotels. Dunkle Jeans, rotes, nicht ganz knitterfreies Freizeithemd, vor sich eine Cola. „Es gibt ein, zwei Hotels in Deutschland, die das Niveau des Excelsior haben“, sagt er. Das Brenners Park-Hotel in Baden-Baden und das Vier Jahreszeiten in Hamburg, wobei: das „schwächele“. Beim letzten Besuch habe, obwohl angemeldet, der Wagen für ihn und die Geschäftspartner am Abend nicht vor der Tür gestanden. Weber kann dann schlechte Laune bekommen. „So etwas“, sagt er und setzt sich aufrecht hin, „wäre in diesem Haus undenkbar.“

Weber ist Berater. Er findet, das ist eine hinreichende Berufsbezeichnung, auf seiner minimalistischen Visitenkarte steht nicht viel mehr. Er hilft Unternehmen bei der Sanierung, er verschlankt sie, wie es so schön oder unschön heißt, er berät sie in Anlagen und Finanzfragen, und er spricht unangenehme Wahrheiten aus. Weber sagt: „Ich schließe auch Unternehmen.“

Er trifft Geschäftspartner aus der arabischen und auch aus dem Rest der Welt, kürzlich verbrachte er einige Zeit in Russland. Bahnfahren mag er nicht, selbst am Steuer sitzen auch nicht, also lässt er sich fahren. Von 365 Nächten im Jahr verbringt er rund 100 in Hotels. Er kennt auch den Breidenbacher Hof, im heimischen Düsseldorf auf der Kö gelegen, noch ein Fünf-Sterne-Haus, er wohnt nur 400 Meter davon entfernt. Es müssen aber nicht unbedingt Spitzenhäuser sein, damit er sich wohlfühlt, wichtig sei, dass er dort nicht nur als Kunde, sondern auch als Gast gesehen werde. Was zeichnet ein gutes Haus aus? „Solidität und Gepflegtheit.“

Ein Raum wie Milchschaum

Mit dem Excelsior ist es viel mehr. „Es ist ein besonderer Ort.“ Rund 15 Mal im Jahr kommt er her, dabei hat er gar keine Geschäftspartner in Köln, aber er vereinbart Termine hier „wann immer es geht“. Für dienstliche Gespräche nutzt er die lauschigen Ecken des Foyers. „In einem Haus wie diesem haben Sie wenig Lauf“, sagt er voller Respekt. Es gibt wenige neugierige Tischnachbarn, soll das heißen, und wenn doch jemand mehr mithört als er sollte, gibt es noch den Besprechungsraum im ersten Geschoss. Mit Domblick.

Dieses Mal ist er rein privat hier. Ein Abendessen, eine Nacht. Der Terminkalender ist geblockt, das Handy klingelt selten. Er hat kein festes Zimmer, aber doch eins, das er favorisiert. Nummer 531, eine Junior-Suite, im vor einigen Jahren sanierten Marzellen-Flügel gelegen. Die Polster und Schränke sind im cremigen Beige gehalten („Ist es der Farbton RAL 910?“). Rechts eine Sitzgruppe, das Bett hinter einer Säule optisch abgetrennt. Kein Geräusch, das von irgendwo herein ins flauschige Refugium dringen könnte. Ein Raum wie Milchschaum auf einem Cappuccino. „Die Wanne im Bad brauche ich nicht“, aber die ebenerdige Dusche findet er wichtig. Es gibt einen Fernseher und eine zweiten, der in einem Sockel am Fußende des Bettes integriert ist. Auf Wunsch lässt er sich unter leisem Surren herausfahren. Er brauche das natürlich nicht, sagt er, „aber es ist gut zu wissen, dass man es nutzen könnte.“

Was macht man als Düsseldorfer gerne in Köln?

Zimmer mit Domblick hält er für überschätzt. Er kennt sie schon, aber „das Problem ist, dass der Dom zu nah ist.“ Man sehe das Weltkulturerbe vor lauter Kathedrale nicht. Was er sonst in Köln macht? „Ich gehe gerne ins Ludwig oder in die Philharmonie, früher auch mal in die Oper“, aber das gehe ja leider nicht, vielleicht werde sie eines Tages doch fertig. Einkaufen sei in Düsseldorf natürlich besser möglich, aber die Bedienung im Louis Vuitton auf der Hohe Straße eindeutig freundlicher. Um ehrlich zu sein: Er komme nicht zuletzt wegen der Gaumenfreuden. Sein Leibesumfang mag nicht verschweigen, dass er den Sauna- und Fitnessbereich nie, die Hanse Stube und das Taku, die Spitzengastronomie des Hauses, aber umso häufiger aufsucht. Manchmal kommt er auch nur zum Essen. Auch während des Lockdowns hat „Hanse“-Küchenchef Joschua Tepner Gerichte zum Mitnehmen angeboten.

„Ich habe es überlegt, aber dafür extra nach Köln zu fahren, wäre dann doch zu abgedreht gewesen.“ Ohnehin halte sein Umfeld seine Hotel-Vorlieben für, nun ja, leicht durchgeknallt. Was es an diesem Abend zu essen geben wird, weiß er nicht. Er habe hier noch nie eine Speisekarte in die Hand nehmen müssen, er lasse sich lieber überraschen. „Ich weiß ja, dass es gut sein wird.“ Auf dem Menüplan steht dieses Mal Tegernseer Weiderind und Pochiertes „Alper Mühlen“ Ei. „Ich vermute, ich werde es lieben.“

Weber kennt das Excelsior, aber das Haus kennt auch ihn. Man weiß, dass er keinen Thunfisch mag und eher leichtes Frühstück. Dass er, wenn er zwei Nächte bleibt, am zweiten Tag nicht wieder ein neues in Papier gewickeltes Stück Seife benötigt. Und dass über der Matratze eines Doppelbettes ein „Topper“ liegen sollte, eine Auflage, damit die Ritze nicht stört. Einmal hat das nicht geklappt. Weber fand das unschön. Und als man ihm das „Egg Bendedict“, das Frühstück aus pochierten Eiern auf Toast, zusätzlich in Rechnung stellen wollte, hat er das moniert. Das muss doch nicht sein. „Herr Weber ist als langjähriger Gast dem Haus sehr eng verbunden, aber er weist auch daraufhin, wenn etwas nicht stimmt“, teilt die Marketing-Abteilung des Hotels mit. Man sei dafür dankbar, es helfe, den Service weiter zu verbessern.

Reist er eigentlich immer allein? „Nein, das wäre doch zu schade.“

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Über Geld spricht der rheinische Stammgast nicht. „Natürlich ist das nichts für Sparsame.“ Eine Nacht in diesem Ambiente mit einem wunderbaren Essen gebe es nicht für 100 bis 200 Euro. Und wenn Geschäftspartner dabei sind, „kann es richtig teuer werden“. Der wahre Wert liege doch in etwas anderem. In einem Wort: Klasse. Wenn der Eigentümer des Hauses aus Zürich da sei und sich ihm persönlich vorstelle. Oder wenn der Hotel-Direktor auch an diesem Tag kommt, um ihm die Hand zu schütteln und sich nach dem Gang der Dinge erkundigt. Also: Wenn er sich in dem großzügigen Familienhotel heimisch fühlen dürfe. Ob er enttäuscht wäre, wenn die Bedienung beim Frühstück mal nicht nachfragen würde, ob er gut genächtigt habe?

Das wäre wirklich nicht schön. Aber unvorstellbar.

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