„Ein Brausen und Gezische“Welche Spuren Anette von Droste-Hülshoff in Köln hinterließ

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Porträt Droste Hülshoff

Die zeitgenössische Darstellung zeigt die deutsche Dichterin Annette von Droste-Hülshoff.

  • Wo hat Napoleon genächtigt? Wo stieg Max Schmeling in den Ring? In der „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor.
  • Anselm Weyer beschreibt, wie Dichterin Annette von Droste-Hülshoff die Dampfschifffahrt auf dem Rhein erlebte.

Um ihren Onkel zu besuchen, kam die noch unbekannte Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff im Oktober 1825 nach Köln. Sie erlebte hier gleich zwei wichtige Zäsuren in der Stadtgeschichte: den Beginn der kommerziellen Rheinschifffahrt und den Anfang des Sitzungskarnevals, wie wir ihn heute kennen – und in dieser Session vermissen.

Anfang Juli 1825 kommt ein Brief in der münsterländischen Wasserburg Haus Hülshoff an. Annettes Onkel, der preußische Regierungsrat Werner von Haxthausen, der seit 1816 in der Beyengasse 17 in Köln wohnt, schreibt, er habe sich mit Betty Harff verlobt. Die 35-Jährige war ein „guter Fang“, sie war vermögend, was für ihren Bräutigam die finanzielle Sanierung bedeutete. Als das frisch vermählte Paar auf einer Rundreise in Westfalen Station macht, wurde dort auch auf ärztliches Anraten spontan beschlossen, Annette, der kränkelnden Tochter des Hauses, eine Luftveränderung zu gönnen. Es sollte die erste längere Reise für die damals immerhin schon 28-Jährige sein, auf der sie sich erstmals weitgehend frei von familiären Zwängen fühlen durfte.

Droste berichtet ihrer Tante von einem historischen Tag

Nach drei Tagen in Bonn gelangte die Reisegesellschaft am 17. Oktober 1825 nach Köln – einem historischen Tag, wie Droste tags darauf ihrer Mutter Therese berichtet, da doch „das neue Dampfschiff Friedrich Wilhelm, das größte und schönste Schiff, wie man sagt, was noch den Rhein befahren hat, vom Stapel gelassen, probiert und getauft wurde“.

„Das erste sah ich nicht, denn es war schon auf dem Wasser, als wir uns durch die Volksmenge gearbeitet hatten; dann aber sahen wir es ganz nah – wir standen auf der Schiffsbrücke – mehrere Male eine Strecke des Rheins herauf und herunter mit türkischer Musik und beständigem Kanonenfeuer durch die Schiffsbrücke segeln mit einer Schnelligkeit, die einen schwindeln machte.“

Schloss Hülshoff

Die Dichterin kam am 1797 auf Schloss Hülshoff bei Münster zur Welt, sie lernte die Gebrüder Grimm kennen, die sie unterstützten, Volkslieder und Märchen zu sammeln. 

Zwar gibt es bereits 1818 erste Versuche, mit Dampfschiffen den Rhein zu befahren. Und Nette, wie ihre Familie sie nannte, wohnte nur der Umtaufe dieses „ersten verkehrswürdigen Rheinschiffs“ bei, vollzogen von Henriette Steinberger, der 18-jährigen Tochter des Oberbürgermeisters Adolph Steinberger. Ursprünglich hatte die Niederländische Gesellschaft der Kölner Handelskammer dieses Schiff schon früher im Jahr unter dem Namen „De Rijn“ übergeben.

Nachdem aber König Friedrich Wilhelm III. am 14. September auf eben diesem Gefährt von Koblenz nach Köln gereist war, wird es zur ständigen Erinnerung daran umbenannt. Ein Jahr später wird die Köln-Düsseldorfer (KD) als Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrtsgesellschaft in Köln gegründet. Das erste Linienschiff ist die „Concordia“, die baugleich ist zur Friedrich Wilhelm: ein Glattdeckschiff aus Holz für Personen und Güter. Beide Schiffe fuhren bis 1840 für die KD.

Straße

In Köln-Sürth gibt es eine Straße mit ihrem Namen.

„Ein so großes Dampfschiff ist etwas höchst Imposantes, man kann wohl sagen, Fürchterliches“, schreibt die Droste voll Ehrfurcht vor den Errungenschaften moderner Technik: „Es wird, wie Du wohl weißt, durch Räder fortbewegt, die, verbunden mit dem Geräusch des Schnellsegelns, ein solches Gezisch verursachen, dass es auf dem Schiffe schwer sein muss, sich zu verstehen. Wenn das Schiff stille steht, oder wenn der Dampf so stark wird, dass er die Sicherheitsventile öffnet, so fängt das Ding an zu brausen, dass man meint, es wollte sogleich in die Luft fliegen. Kurz, das Ganze gleicht einer Höllenmaschine, doch soll gar keine Gefahr dabei sein, und ich möchte diese Gelegenheit wohl benutzen, um nach Koblenz zu kommen, was in fünf Stunden möglich sein soll.“

Einführung in die Kölner Gesellschaft

Als Onkel Werner und die neue Tante sie in die Kölner Gesellschaft einführen, lernt die Droste bald die Bankiersgattin Sibylle Mertens-Schaffhausen kennen, die im Haus des Vaters in der Trankgasse 25 Zentrum eines lokalen Künstlerkreises ist und für viele Jahre eine enge Freundin sein sollte. „Sie fühlten sich in geistlicher Hinsicht wechselseitig angezogen“, erzählt Tante Betty. „Meine besten Bekannten hier sind eben diese Frau Mertens“, berichtet Annette in die Heimat, „und die Geyers, nämlich die von der Breiten Straße, denn es gibt noch zwei andere Familien des Namens, diese ist aber bei weitem die vornehmste und auch die eingezogenste und prachtvollste.“

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Im Kreise dieser neu gewonnenen Freunde feiert Nette nicht nur am Januar 1826 ihren 29. Geburtstag, sondern geht auch ansonsten gerne und ausgiebig aus. Nicht umsonst bekommt sie von ihrem Onkel zu Weihnachten „ein sehr schönes Ballkleid“ und Schmuck geschenkt. „Du glaubt überhaupt nicht, wie elegant ich hier sein muss – die Tante geht in alle Gesellschaften, und da muss ich fast immer weiße Schuh und seidne Strümpfe tragen“, schreibt sie am 11. Februar 1826 ihrer älteren Schwester Jenny von Laßberg.

„Köln ist im Winter äußerst angenehm. Ich habe einige Bälle besucht, wo ich aber den Leuten den Aberglauben, dass ich von wegen meiner subtilen Figur gut tanzen müsste, gelassen habe, nämlich dadurch, dass ich gar nicht getanzt habe, als allenfalls einmal herumgewalzt.“ Vor allem aber erlebt sie den Kölner Karneval, den das 1823 gegründete „Festordnende Komittee“ soeben neu belebt hatte: „Die Bälle sind hier brillant, selbst das gewöhnliche Lokal ist sehr groß, und am Karneval-Montag wurde auf dem Kaufhause, genannt der Gürzenich, getanzt, wo mehrere tausend Menschen auf der Redoute waren. Es war wieder ein großer Aufzug wie in den vorigen Jahren. (...) Ich werde Dir die ganze Sache einmal mündlich erklären, schriftlich ist es nicht gut möglich.“

Am 21. April 1826 kehrt die Droste nach Hülshoff zurück. Ihr Onkel war zum Jahresende 1825 aus dem öffentlichen Dienst Preußens entlassen worden und löste im Frühjahr 1826 seinen Haushalt in der Domstadt auf, um ebenfalls nach Westfalen zu ziehen. Auf der Heimfahrt schreibt Annette zurück an die Tante: „Ich habe mich unbeschreiblich schwer von Köln getrennt“.

Anselm Weyer hat als Literaturwissenschaftler in Köln promoviert. Er schreibt Architekturführer und ist regelmäßig als Autor für die Kölnische Rundschau tätig.

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