„Ghettohaus“Gestohlene Stolpersteine werden nicht ersetzt

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Unermüdlich setzt und ersetzt Gunter Demnig Stolpersteine als Denkmal für Opfer des Nationalsozialismus’.

Unermüdlich setzt und ersetzt Gunter Demnig Stolpersteine als Denkmal für Opfer des Nationalsozialismus’.

Köln – Die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig vor dem Haus Sedanstraße 29 werden nicht mehr ersetzt. Neun goldig glänzende Kleinstdenkmale mit den Namen von Juden, die von Nazis verschleppt wurden, waren gestohlen worden. Inzwischen haben neue Nachforschungen ergeben, dass die Personen, die auf den Steinen genannt waren, dieses Haus aber nicht freiwillig als Wohnsitz ausgewählt hatten. Und das sollte für die Gedenksteine die Regel sein. Es handelte sich um ein so genanntes „Ghettohaus“, in dem Nazis „ausquartierte“ Juden vorübergehend einziehen ließen, um sie später in eines der großen Ghettos im Osten oder direkt in ein Konzentrationslager zu bringen, was meist die baldige Ermordung zur Folge hatte.

42 neue Steine an 18 verschiedenen Orten

Da die inzwischen bundesweit bekannten Stolpersteine nur ersetzt oder erstmals verlegt werden, wenn es einen Paten und einen Spender gibt, hat es mit dem Ersatz an der richtigen Stelle etwas gedauert. Diese Woche werden aber 42 neue Steine an 18 verschiedenen Orten in der Stadt verlegt. Jeder Stein erinnert an ein Schicksal. Vier von ihnen sind der Familie Frankenstein gewidmet. Der Frauenarzt Dr. Kurt Frankenstein, gebürtig aus Landshut im damaligen Schlesien, war mit seiner aus Berlin stammenden Ehefrau, Susanne Margarethe Edel, an den Kaiser-Wilhelm-Ring ins Haus 24 gezogen. Beide waren evangelisch getauft und ließen auch ihre beiden Kinder, Joachim Kurt und Johanna Maria Susanne, evangelisch taufen. Die Nazis verfolgten die Frankensteins jedoch wegen ihrer jüdischen Vorfahren. Der Arzt musste seine Stelle in einem evangelischen Krankenhaus in Kalk aufgeben. Während die Kinder heirateten und ins Ausland gingen, blieb die Mutter in Köln – unterstützt von der ehemaligen Haushälterin. Nach dem Tod ihres Mannes ist Susanne Margarethe Frankenstein in die Machabäerstraße 28 gezogen und von dort 1942 zunächst in ein Lager nach Müngersdorf, dann nach Theresienstadt deportiert worden, wo sie am 21. März 1943 ums Leben kam.

Tragische Geschichten aus der Vergangenheit

Fünf Steine in der Utrechter Straße 9 erinnern an Victor, Julie, Georg, Werner Wolf und Renate Glaser. Die Familie stammte aus Nottuln im Münsterland. Beim Sohn Werner Wolf hatte die Mutter, eine Pianistin, die musikalische Begabung gefördert, so dass er in Köln Musik studierte. Sein Volontariat als Korrepetitor am Opernhaus Chemnitz musste er wegen antisemitischer Angriffe bereits 1932 abbrechen. Mit Ehefrau Renate, geborene Eiser, floh er über Frankreich nach Dänemark, wo er weiteren Nachstellungen durch die Nazis nur durch eine weiter Flucht nach Schweden entkam. Die Eltern retteten sich zunächst zum Bruder, der bereits in den Niederlanden lebte. Doch auch dorthin kamen die Nazis, und so ist die Mutter in Sobibor ermordet worden, ihr Sohn Georg in Auschwitz. Zwei Steine erinnern an den Schneidermeister Arnold Schnog und seine Frau Friederika, geborene Salomon. Der Mann starb laut seinem Sohn Ludwig in den Niederlanden vor Aufregung wegen der bevorstehenden Deportation. Frau und Tochter Selma wurden in Sobibor ermordet. Ein Stein für Selma war bereits vor Jahren verlegt worden.

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