„Grenze ist überschritten“Tarifreform nach Preiserhöhung für KVB-Tickets gefordert

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Die Ticketpreise im VRS.

Die Ticketpreise im VRS.

Köln – Verkaufstrategen wissen es ganz genau: 1,99 ist ein guter Preis. Der zumeist kaufwillige Kunde lässt sich von der Eins vor dem Komma verlocken und ignoriert bereitwillig die Nähe zur Zwei. Doch wird er tatsächlich gewagt, der Sprung um einen Cent, dann kann die Ware zum Ladenhüter werden. Dennoch, der Verkehrsverbund Rhein (VRS) Sieg geht diesen Schritt. Wie vergangene Woche entscheiden wurde, werden die Ticketpreise im Durchschnitt um 3,5 Prozent zum 1. Januar 2019 erhöht.

Das trifft vor allem die Einzelfahrscheine wie das Kurzstreckenticket: noch 1,90 Euro, demnächst 2 Euro. Und auch das sogenannte Stadtticket macht den Sprung von noch 2,90 Euro auf 3 Euro.

Auch wenn die Politiker in der Verbandsversammlung diese Preiserhöhung mehrheitlich nochmals mitgemacht haben, über nahezu alle Parteigrenzen hinweg sind sie sich einig, so kann es nicht mehr weiter gehen. Sie fordern nun eine Reform des Tarifsystems.

„Können Dauergäste nicht mehr belasten“

Alternativen

Alternativvorschläge für eine andere Tarifstruktur hat es in Köln schon gegeben. So haben die Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt beantragt, die Kurzstrecke mit Bus und Bahn in Köln kostenlos anzubieten. Der Antrag wurde sogar beschlossen. Doch er wird wohl in den weiteren Instanzen wieder „einkassiert“ werden.

Auf einen Ratsbeschluss basierte ein fahrscheinfreier Sonntag in Köln. Doch die Resonanz war schwach. Die KVB musste deshalb Kritik einstecken. Die Aktion sei zu schlecht beworben worden.

Michael Weisenstein (Linke) fordert, dass „die öffentliche Hand mehr Geld in die Hand nehmen muss“. Auch die Bundesregierung müsse den ÖPNV mehr subventionieren. Es braucht eine Umdenken, dahingehend, dass Nahverkehr zur Daseinsvorsorge gehört.“ Der VRS prüft zurzeit ein E-Ticket, bei dem der Preis sich nach der zurückgelten Strecke berechnet. (ngo)

Zwei Kilometer sind in einer Stadt, in der es immer etwas zu sehen gibt, keine große Entfernung. Und rund zwei Kilometer können mit dem Kurzstreckenticket (vier Haltestellen) zurückgelegt werden. Mehr Strecke kommt bei der Haltestellendichte kaum zusammen. Wer weg fährt, muss auch wieder kommen. Bei hin und Rückfahrt mit zwei Kurzstreckentickets kommen also ab 1. Januar 4 Euro zusammen – locker zwei Kölsch. Da lohnt sich das zu Fuß gehen.

„Ja, ganz klar, da ist eine psychologische Grenze erreicht“, räumt darum auch Holger Klein, Sprecher des VRS, ein. Und das eben nicht nur bei der Kurzstrecke, sondern auch bei dem darüber hinausgehenden Stadtticket (Preiskategorie 1b) und auch beim dem Ticket, das benötigt wird, um aus einer Nachbarstadt nach Köln einzufahren (Preiskategorie 2b, Preiserhöhung von 3,90 Euro auf 4 Euro). Klein fährt Argumente auf für die Preisanstieg. „Schließlich habe man sich bei den beiden Erhöhungen für das Jahr 2017 mit 1,4 Prozent und für 2018 mit 1,1 Prozent schon zurückgehalten. „Doch wegen der Tarifanpassungen im Personalbereich und der gestiegenen Energiekosten war die Erhöhung von 3,5 Prozent nun unumgehbar.“

Vorwurf an den VRS

Vor allem die Einzelfahrscheine zu belasten, sei eine bewusste Entscheidung. „91 Prozent unserer Fahrgäste nutzen Abo-Tickets, die nur um 1 bis 2 Euro im Monat steigen. „Gerade das Stadtticket (1b) haben wir über Jahre unangetastet gelassen. Aber jetzt können wir unsere Dauergäste nicht mehr zusätzlich belasten“, sagt Klein.

Ein Argument, bei dem Hans-Werner Ignatowitz, Vorsitzender des Regionalverbandes Rheinland des Fahrgastverbandes Pro-Bahn, nicht mehr mitkommt. „Es muss doch ein Ziel sein, gerade die Gelegenheitsnutzer für den Umstieg vom Auto auf den Nahverkehr zu gewinnen.“ Dem VRS wirft er vor, einer der teuersten Verkehrsverbünde Deutschlands zu sein. „Zwei Euro für zwei Kilometer ist massiv.“ Sein Lösungsvorschlag: „Die Kommunen müssen mehr Kosten übernehmen.“ Für Köln würde das bedeuten, die KVB muss ihren Kostendeckungsgrad von über 70 Prozent senken. Entsprechend mehr zahlt die Stadt zum Ausgleich.

Preiserhöhung nicht mehr vermittelbar

„Das ist alles hoch kompliziert“, atmet Andreas Wolter (Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses und Mitglied im Tarifbeirat, schwer durch. Im Verkehrsverbund befindet sich halt nicht nur die Stadt Köln, sondern in der Region auch private Busunternehmen. „Wer gleicht deren Mehrkosten aus“, fragt Wolter. Dennoch, ein weiter so kann es für ihn nicht geben.

So auch Andreas Pöttgen von der SPD: „Wir haben eine Grenze überschritten, das kriegen wir nicht mehr vermittelt.“ Die Sozialdemokraten hätten der Erhöhung zähneknirschend zugestimmt, weil die Kosten eben gedeckt werden müssen. So auch die CDU. Die Grünen haben sich enthalten. Die Linke stimmte gegen die Erhöhung.

Doch Christdemokrat Dirk Michel erklärt, dass nun die Notbremse gezogen werden müsse. „Wir haben in Verbandsversammlung fraktionsübergreifend einen Antrag gestellt. Die VRS muss nun Vorschläge unterbreiten, wie das Tarifsystem reformiert werden kann.“ Wolter: „Wir brauche eine neue Tarifstruktur, um aus diesem Teufelskreis von Mehrkosten und höheren Ticketpreisen herauszukommen.“

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