Monika Kleine im Corona-Rat„Ich vertrete die Interessen der Schwächsten in Köln“

Lesezeit 4 Minuten
Kleine Monika

Engagiert im Einsatz für Soziales: Monika Kleine.

  • Dem „Expertenrat Corona“ des Landes NRW gehört auch Diplom-Sozialpädagogin Monika Kleine an.
  • Mit der Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Köln spricht Martina Windrath über wichtigste Problembereiche.

Köln – Anfang April ist das Gremium gestartet, um Wege aus der Krise zu diskutieren. Auch Ihr Rat ist gefragt. Welchen Part übernehmen Sie dabei?

Ich sitze dort, um die Interessen der Schwächsten zu vertreten. Wir gucken auf die besonders belasteten Familien, Kinder, auf Probleme wie häusliche Gewalt, Wohnungslosigkeit. In der Kommission sind Menschen aus ganz unterschiedlichen Professionen vertreten, darunter auch die Kölner Professorin Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates; es gibt zwischen uns fachliche Verbindungen.

NRW-Expertenrat Corona

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat am 1. April 2020 den Expertenrat Corona berufen, um mit zwölf renommierten Fachleuten „die richtigen Weichen“ für die Zeit nach der Corona-Krise zu stellen. Die Mitglieder befassen sich unter anderem mit den ökonomischen und sozialen Konsequenzen einer lang andauernden sozialen Distanzierung und des wirtschaftlichen Shutdowns . Sie diskutieren Szenarien für den Übergang vom Krisenzustand zur Normalität.

Zum Gremium gehören: Rechts-Prof. Udo Di Fabio; Diplompsychologe Stephan Grünewald; Philosophie-Prof. Otfried Höffe; Prof. Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft) ; Monika Kleine ( SkF e.V. Köln); Prof. Renate Köcher (Institut für Demoskopie Allensbach); Dr. Nicola Leibinger-Kammüller (Maschinenbauer Trumpf); Soziologie-Prof. Armin Nassehi; Claudia Nemat (Telekom AG); Prof. Christoph Schmidt (RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung); Virologe Prof. Hendrik Streeck (Uni-Klinikum Bonn); Prof. Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates.

Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) engagiert sich seit 1900 in Köln für Frauen, Familien, Kinder und Jugendliche in Not. In den über 50 Einrichtungen und Diensten bieten mehr als 470 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Hilfe an, von der Schwangerschaftsberatung bis zur Betreuung obdachloser Seniorinnen. (MW)

Ich habe schon häufiger an solchen Experten-Kommissionen teilgenommen, etwa beim Thema anonymer Abgaben von Babys wie beim Mosesfenster. Ich möchte im Expertenrat die Praxis vertreten, die konkreten Probleme unter schwierigen Bedingungen mit herausarbeiten, die sich mit der Corona-Krise noch verschärfen. Gerade haben wir eine gemeinsame Sitzung per Videokonferenz durchgeführt.

Könnten Sie einige Beispiele für Probleme nennen, die sich verschärfen?

Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher zum Beispiel müssen ihren Alltag unter erschwerten Bedingungen gestalten, mit noch eingeschränkteren Möglichkeiten. Manche verlieren ihren Job, kümmern sich alleinerziehend um die Kinder und brauchen mehr Unterstützung. Kinder und Jugendliche bekommen zur Zeit kein warmes Mittagessen in Kita und Schule.

In Familien, wo man sich darauf verlässt, müssen sie das Essen jetzt aus ihrem sehr knappen Budget bezahlen. Beim Home-Schooling ist der Zugang nicht für alle Kinder gleich, das digitale Lernen von Zuhause aus funktioniert nur, wenn man einen Rechner hat und Eltern, die helfen können. Das ist nicht überall gegeben. Ein anderes wichtiges Thema ist die Wohnungslosigkeit, die ja auch schon vor Corona ein Problem war.

Es wird mit Blick aufs Gebot, Zuhause zu bleiben, eine Zunahme von häuslicher Gewalt befürchtet. Haben Sie die negative Entwicklung schon festgestellt?

In Zahlen lässt sich das (noch) nicht genau festmachen. Grundsätzlich ist genau im Auge zu behalten, ob das Kindeswohl stärker gefährdet ist. Wir sind als Freier Träger natürlich weiterhin für die Familien in Köln da. Aber wir mussten einige organisatorische Vorkehrungen zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Klienten treffen. Nicht nur Pflegekräfte, und Verkäuferinnen et cetera sind gerade im Einsatz, sondern auch die Sozialarbeiterinnen!

Das könnte Sie auch interessieren:

Dennoch fehlt mit der Schließung von Schulen und Kitas die zusätzliche Ebene von Kontrolle. Lehrer und Erzieher sind ja so geschult, dass sie Wesensveränderungen der Kinder gut wahrnehmen und Unterstützung veranlassen können. Es handelt sich dabei um ein schichtenübergreifendes Problem, es betrifft auch wohlstandsverwahrloste Kinder, denen es an Zuwendung fehlt.

Besonders trifft das Kontakt- und Besuchsverbot Senioren in Heimen oder allein zu Haus. Sehen Sie dort und in anderen Bereichen erhöhten Handlungsbedarf?

Es trifft gerade alle alten Menschen besonders. Die Situation zerreißt ganze Familien. Es ist eine unglaubliche Belastung, Distanz halten zu müssen, sich ohnmächtig zu fühlen. Wir werden nach Corona viele neue Probleme haben. Viele werden ihre finanziellen Rücklagen aufgebraucht haben und von Armut bedroht sein. Dann kann es sein, dass es zu mehr Gewalt kommt. Es kann sein, dass wir durch diese Phase der Starre durchkommen und danach eine veränderte Welt vorfinden. Man muss dann auch darauf gucken, was für eine Wirtschaft wir wollen – wünschenswert wäre eine, die nicht nur profitorientiert ist.

Rundschau abonnieren