„Jazz ist wieder cool“Metronom am Barbarossaplatz wird 50 Jahre alt

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Ausgezeichnet aufgelegt: Mike Menger erfüllt gerne Musikwünsche – so lange es nicht Take Five von Dave Brubeck ist.

Ausgezeichnet aufgelegt: Mike Menger erfüllt gerne Musikwünsche – so lange es nicht Take Five von Dave Brubeck ist.

  • Seit 50 Jahren gibt es die kultige Jazzkneipe am Barbarossaplatz. Wir haben uns mit dem Betreiber über Plattensammlungen und Guinness unterhalten.

Köln – Mike Menger sitzt an der Theke im Metronom. In zwei Stunden macht er seinen Laden auf. Hinter der Theke steht das Regal mit den Platten – meterlang– , in der Ecke das Grammophon und das Foto von Friedel Doetsch, der die Kneipe vor 50 Jahren eröffnete. Dennis Scherer stellt die Fragen.

Angenommen der Laden brennt und Sie können nur eine Sache mitnehmen. Was wär’s?

Die Kasse.

Nicht im Ernst?

Ich denke mal den Verstärker. Der ist ein echtes Unikat. Den hat einer der alten Stammgäste gebaut – extra für den Laden. Der war vorher wohl sogar hier und hat irgendwelche Messungen gemacht.

Das Metronom

„Die Pinte für Jazz-Ohren “ steht draußen auf einem Schild am Eingang. Fridolin Doetsch eröffnete den Laden 1968 am Zülpicher Platz. Der Bäckermeister hatte keine Lust mehr auf seinen Job. 1981 zog er mit seiner Kneipe in die Weyerstraße 59 in der Nähe des Barbarossaplatzes um. Ab 1992 übernahm der Amerikaner Chris Bishop, der aus San Francisco nach Köln gekommen war.

Der mittlerweile verstorben Doetsch war auch dann noch regelmäßig Gast. Ein Foto markiert den Platz, an dem er dienstags immer saß – zum Kniffeln. Seit 2010 „verwaltet“ Mike Menger das Metronom und zapft dort Guinness und Kölsch.

Stimmt’s eigentlich, dass Jazz jetzt wieder cool ist bei den jungen Leuten?

Ja, ist er. Die so um die 25 sind, die rennen mir hier die Hütte ein am Wochenende – auch unter der Woche. Tatsächlich kennen die sich auch teilweise ganz gut aus.

Nach welcher Platte darf man hier auf keinen Fall fragen?

Take Five. Das ist die meist gewünschte Platte. Leider ist die zerkratzt – sage ich.

Stimmt aber nicht?

Doch, doch, die Platte ist schon ziemlich zerlegt, weil sie echt häufig gespielt wurde. „Spiel mal Take Five“ . Ist halt das einzige Jazz Stück, das viele Leute kennen. Ich bin aber keine Musikbox. Ich gehe trotzdem gerne auf Plattenwünsche ein.

Nach welcher Platte sollte man dann unbedingt fragen?

„Spiel doch mal was von Coltrane“: Finde ich immer eine geile Idee. Das muss ja nicht unbedingt eine Ballade sein. Wenn mir einer was sagt und das passt gerade, dann spiele ich das.

Was ist der Rausschmeißer, der am besten funktioniert?

Am besten funktioniert Free Jazz. Wenn alles wild durcheinanderspielt, ohne erkennbare Melodie, das funktioniert schon ganz gut. Und dann hab ich noch den „Goin’ to Chicago Blues“ von Joe Williams, der mit den Worten endet: „good bye“. Das ist der Wink mit dem Zaunpfahl. Eigentlich werfe ich den ganzen Zaun. Die Stammgäste grinsen immer schon, wenn ich die Platte auflege.

Wie finden Sie sich eigentlich in der Sammlung zurecht?

Mit Glück. Nein, ich hab ein Grundsystem, das ich versuche, aufrechtzuerhalten. Es ist sortiert nach den Instrumenten: Tenor Saxophon ist dann Dexter Gordon, John Coltrane, Sonny Rollins. Wenn dann irgendwann mal so ein Platte aus der groben Vorsortierung verschwindet – ich nenne das Randomising – geht die Sucherei los. Ich hab’ auch schon mal ein halbes Jahr lang eine Platte gesucht und sie dann weit, weit weg von der Position gefunden, wo sie stehen sollte.

Welchen Grund gibt es, Guinness auszuschenken?

Es geht die Mär um, Fridolin Doetsch hätte sich bei einem Irland-Besuch in dieses Bierchen verliebt. Das wurde damals sogar noch mit dem Lkw aus Irland geliefert. Friedel saß hier auf seinem Thron und trank aus kleinen Zinnbechern. Während die Pfeifenraucher Guinness aus Pint-Gläsern tranken. Die Pints werden nach wie vor getrunken. Nur Pfeife wird nicht mehr geraucht.

Kann denn eine Jazz-Kneipe ohne Rauchen überhaupt funktionieren?

Das geht ganz gut. Am Wochenende bin ich da sehr froh drum. Da war es teilweise so, dass man von der Theke die Rückseite der Bar schon gar nicht mehr sah – das sind sechs Meter fünfzig. Weil die Abluftanlage die 10 000 Zigaretten, die hier geraucht wurden, nicht mehr packte.

Wann waren Sie zum ersten Mal im Metronom?

1983 – könnte auch 84 gewesen sein. Bin nicht mehr ganz sicher.

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Erinnern Sie sich noch an den Abend?

Beim Trampen vom North Sea Jazz Festival in Den Haag bin ich um die Ecke abgesetzt worden und man wies mir den Weg hier hin. Es war aber zu. Ich bin dann eine Woche später noch mal hin. Ich war 17 und wurde erst mal nach dem Ausweis gefragt. Aber ich muss sagen, es war nicht wirklich das Wahre. Die Musik ja, aber die ahle Köpp, die hier standen und einen die ganze Zeit gemustert haben, als kämen man vom Mond, das war nicht meins. Ich war dann zwischendurch immer mal wieder hier. Ein Stündchen bisschen vernünftigen Bebop hören – oder auch mal zwei.

Richtig, dass der Hauptgrund, Wirt zu werden, der ist, dass man umsonst trinken kann?

Ich saufe nicht, wenn ich arbeite. Das hab ich früher gemacht. Da war ich oft betrunkener als die Gäste.

Und nach der Arbeit?

Wenn alle weg sind, wird die Theke geputzt, die Kasse gemacht und dann trinke ich einen Gin Tonic – immer. Und rauch ’ne Zigarette. Dann lasse ich sacken. Musik aus. Manchmal bringe ich von zu Hause auch Klassik mit. Zuletzt habe ich das Violinenkonzert Nr. 1 von Tschaikowski gehört. Manchmal sitze ich auch vor der Theke und höre mir noch einen Scheibe an. Aber das ist selten geworden. Du hast ja dann schon sieben Stunden drauf. Irgendwann ist auch mal gut.

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