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„Kölsche Filmmatinee“Dreharbeiten unter Aufsicht des KGB

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Auf Spurensuche in St. Petersburg: Peter Kaiser (l.) an der Kamera, René Böll half seinem Vater Heinrich Böll bei der Recherche für das Drehbuch.

Auf Spurensuche in St. Petersburg: Peter Kaiser (l.) an der Kamera, René Böll half seinem Vater Heinrich Böll bei der Recherche für das Drehbuch.

Mitte der 60er Jahre, als St. Petersburg noch Leningrad hieß, gab es in der zweitgrößten Stadt Russlands kaum Reklame, kaum Autos. „Eine Atmosphäre wie in in der Zeit von Dostojewski“, sagt René Böll rückblickend. Als 18-Jähriger reiste er mit seinem Vater, Schriftsteller Heinrich Böll, nach St. Petersburg. „Der Enkel von Dostojewski zeigte uns die Orte, wo seine Romane gespielt haben könnten.“

Der Kölner Heinrich Böll war damals für den WDR unterwegs, schrieb zusammen mit Erich Kock das Drehbuch zum Film „Der Dichter und seine Stadt: F.M. Dostojewski und Petersburg“. Auf die Spurensuche nahm er seinen heute 66-jährigen Sohn René mit, der für ihn Notizen machen durfte. „Der bekannte Lew Kopelew war unser Übersetzer“, erzählte er gestern im Odeon-Kino in der Severinstraße. Dort wird der Schwarz-Weiß-Film am Sonntag in der „Kölschen Filmmatinee“ gezeigt.

Künstler Cornel Wachter und Filmemacher Dieter Oeckl veranstalten die Matinee jeden zweiten Sonntag im Monat um 11.30 Uhr und bringen Geschichten von Kölnern auf die große Leinwand, mit Protagonisten wie Trude Herr, Heinrich Pachl oder Willi Ostermann. Im „Peter-Kaiser-Special“ werden noch bis April Filme gezeigt, die der heute 81-jährige Kaiser in 40 Jahren als Kameramann beim WDR gedreht hat. So auch den Böll-Film von 1968 unter der Regie von Uwe Brandner. „Ein einzigartiges Meisterwerk“, schwärmt Cornel Wachter über die Suche nach Dostojewskis Spuren in Petersburg.

„Ich habe viele Einstellungen aus dem Bauch heraus gemacht“, erzählt Peter Kaiser. Die erste deutsche Koproduktion mit der Sowjetunion stand unter strenger Aufsicht: Ein Agent des KGB begleitete die Filmaufnahmen. Bei der finalen Inspektion wurde die Ausstrahlung schließlich verboten. Der Grund: Frauen mit Kopftüchern, Männer neben Schnapsfässern. Den Russen war das Stadtbild zu düster, die Gesichter der Menschen „zu hässlich“. „Gibt es denn überhaupt hässliche Gesichter?“, soll Heinrich Böll damals gefragt haben. In einem Vergleich mit den Russen erstritt Böll die Ausstrahlung einer gekürzten, 45-minütigen Version.

Am Sonntag wird die ungeschnittene, einstündige Fassung das erste Mal auf großer Leinwand gezeigt. René Böll, dessen Vater nicht nur Autor, sondern auch Erzählerstimme im Film ist, sowie Kameramann Peter Kaiser werden anwesend sein. „Die Filmmatinee ist oft wie ein großes Klassentreffen“, so Wachter.

Karten für 6,50 Euro gibt es unter Ruf 0221/31 31 10 und an der Kinokasse.

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