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„Man darf keine Angst haben“Ford-Managerin über die Vereinbarkeit von Job und Familie

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„Es ist einiges in Bewegung“: Seit fast 20 Jahren arbeitet Kim Jüngst bei Ford. Die Juristin sieht die aktuelle Entwicklung in der Automobilbranche auch als Chance. 

  • In unserer Serie „Alles auf Neu“ sprechen wir mit Menschen, die zum Jahreswechsel Dinge ändern.
  • Kim Jüngst ist in die Ford-Geschäftsführung aufgerückt, arbeitet aber weiter in Teilzeit. Als Managerin Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, wie geht das?
  • Jens Meifert sprach mit ihr.

Köln – Jeder hat eine Vorstellung davon, was bei Ford am Band passiert. Sie sind für Recht, Steuern und Patente zuständig. Was haben Sie gerade auf dem Schreibtisch?

Ich arbeite derzeit viel an der geplanten Kooperation mit VW bei Transportern, Pick-ups, autonomen Fahren und Elektrifizierung und dann an dem geplanten Joint Venture mit Mahindra in Indien. Das sind die bereits bekannten Projekte, über die ich sprechen kann (lacht).

Ich arbeite ja nicht nur in der deutschen Geschäftsführung, sondern habe auch eine globale Rolle. Seit November bin ich Mitglied der deutschen Geschäftsführung der Ford-Werke und damit auch für alle rechtlichen Fragen der GmbH zuständig. Viele der Themen kenne ich, das ist ein Vorteil.

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Was ändert sich mit dem neuen Job in der Geschäftsführung?

Das mag lustig klingen, aber zunächst musste ich mich daran gewöhnen, wieder Deutsch zu sprechen. Seit 19 Jahre habe ich bei Ford fast nur Englisch gesprochen und geschrieben.

Sie haben jeden Tag am Werkstor auf Englisch geschaltet?

So könnte man es sagen. Die überwiegende Korrespondenz ist auf Englisch gefasst, selbst wenn in einer Mail einmal nur deutsche Kollegen angesprochen sind, ist es sinnvoll, da wir in europäischen beziehungsweise globalen Teams arbeiten. Das war tatsächlich eine Umstellung für mich. Darüber hinaus habe ich mehr Besprechungen und betreue mehr Bereiche als vorher. Daher bin ich jetzt häufiger vor Ort. . .

. . . also mehr Verantwortung, das ist in vielen Branchen nur schwer mit dem Teilzeitjob zu vereinbaren. Bei Ihnen hat es geklappt. Und dann noch bei einem Autobauer, in einer Männerwelt. Wie haben Sie das geschafft?

Ich habe schon immer in Teilzeit gearbeitet, das aber nie an die große Glocke gehängt. Freitags bin ich in der Regel ganz zu Hause. Da kann es natürlich sein, dass ich vormittags schon einmal Besprechungen habe, aber den Nachmittag halte ich mir so weit wie möglich für unsere Kinder frei. An den anderen Tagen arbeite ich ganz normal wie meine Kollegen auch.

Und als Geschäftsführerin lesen Sie dann bis tief in die Nacht Verträge?

Ich arbeite sicherlich mehr Stunden, als mein Arbeitsvertrag vorsieht, aber das tun meine Kolleginnen und Kollegen auch. Ich hätte auf eine volle Stelle zurückkehren können, aber mir ist es wichtig, dass ich an einem Tag in der Woche sagen kann: ,Heute arbeite ich offiziell nicht.’

Zur Person

2001 startete Kim Jüngst beim Niehler Autobauer. Zuvor hatte die Hamburgerin an der Elbe Rechtswissenschaften studiert und promoviert. Nun ist sie in die Geschäftsführung der Ford-Werke aufgerückt. Die 50-Jährige arbeitet dennoch weiter in Teilzeit.

Mit ihrer Familie lebt sie in Düsseldorf und erledigt kurze Wege vor Ort ausschließlich mit dem Fahrrad. Zum Karneval hält die Hanseatin eher eine lockere Verbindung. Anders als ihre Kinder (15 und 17 Jahre): „Die lieben es.“ 

Wenn es drängende Themen gibt, bin ich natürlich ansprechbar, das ist selbstverständlich. Ich habe immer klare Vorstellungen davon gehabt, wie ich Familie und Beruf vereinbaren möchte. Mit den Möglichkeiten, die ich hier habe, wie beispielsweise Teilzeit oder Telecommuting, war die Vereinbarkeit nie ein Problem, weder für mich noch für meinen Arbeitgeber.

Ihre Kinder sind heute 15 und 17 Jahre alt. Die wissen die Flexibilität zu schätzen, oder?

Für mich war es nie selbstverständlich, dass ich mich in Teilzeit beruflich weiterentwickeln konnte. Ford hat mich sehr gefördert, und natürlich wurde es dadurch erleichtert, dass es hier auch einen Betriebskindergarten gab, den meine Kinder früher in den Ferien besucht haben oder wenn die Tagesmutter einmal krank war. Darüber hinaus sind meine Eltern von Hamburg zu uns gezogen. Das hat uns einiges erleichtert. Ich muss allerdings gestehen, dass ich in Düsseldorf wohne.

Schon gut. Erklären Sie lieber: Warum ist es in Deutschland so schwer, in Teilzeit im Management zu arbeiten?

Wenn Sie die Position, die Sie haben, auch mit Kindern ausfüllen wollen, müssen Sie schauen, wie das funktionieren kann. Bei mir war es das Vertrauen, das Ford mir entgegengebracht hat, die Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und Home Office. Aber sicherlich haben auch meine Flexibilität und meine Erfahrung ein gutes Stück dazu beigetragen.

Viele Chefs sagen: In der Position muss man immer präsent sein . . .

. . . aber viele Kollegen, mit denen ich arbeite, sitzen sowieso nicht in Deutschland und einige nicht in der westeuropäischen Zeitzone. Ich habe zuhause ein voll eingerichtetes zweites Büro. Das funktioniert.

Sie sind von Hamburg nach Düsseldorf gezogen. Große Umstellung?

Nicht so sehr. Ich habe zwischendurch auch einmal in Kalifornien gelebt. Die Menschen im Rheinland sind ähnlich offen und freundlich. Es hat etwas sehr Sonniges hier. Wir genießen das und schätzen die Vielfalt: Street Art in Ehrenfeld, dann Bummeln in Düsseldorf und ein Spaziergang am Baldeneysee in Essen oder Fußball in Dortmund.

Dann verzichte ich mal auf die obligatorische Köln-Düsseldorf-Frage.

Ich nehme die Region viel mehr als Einheit wahr, die Tolles zu bieten hat. Ich weiß, dass viele die Städte gerne vergleichen, das beschäftigt mich aber nicht so sehr. Ich sage immer: Ich komme aus Hamburg, das könnt ihr unter Euch ausmachen.

Sie arbeiten in einer Branche, die ordentlich geschüttelt wird. Ford baut in Deutschland 5400 Arbeitsplätze ab. Geht Ihnen das nahe?

Natürlich, es ist keine leichte Zeit. Aber Ford geht das sehr konstruktiv und sozial an. Wir haben Abfindungs- und Frühverrentungsprogramme aufgelegt, die sehr attraktiv sind. Natürlich ist es teilweise traurig, wenn eine Abschiedsmail kommt. Es gibt aber auch Kollegen, die freuen sich, noch einmal etwas Neues beginnen zu können.

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Mögen Sie Neuanfänge?

Ich denke, man sollte keine Angst davor haben. Mobilität wird es auf die ein oder andere Art immer geben. Wir haben eine enorme Bandbreite an Mobilitätsangeboten, sei es Carsharing oder E-Scooter, da sucht sich jeder das passende heraus. Es gibt viele Konzepte, neue Antriebe in der Autobranche, das ist spannend, diese Zeit mitzuerleben und mitgestalten zu können.

Was für Autos werden in 20 Jahren bei Ford gebaut?

Sicherlich auch batteriebetriebene Autos. Aber die Verbreitung wird noch eine gewisse Zeit dauern, auch weil die Ladeinfrastruktur mitwachsen muss. Aber wir erleben längst eine Gesamtentwicklung, in der sich Angebot und Nachfrage verändern. Es ist einiges in Bewegung. 

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