„Meine Kinder haben ein Recht auf Zeit“Dröge über ihre neue Rolle und Koalitionsziele

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Die Kölnerin Katharina Dröge ist neue Grünen-Fraktionschefin im Bundestag.

Köln – In unserer Serie „Alles auf neu“ stellen  wir  Kölner vor, für die sich 2021 viel verändert hat. Mit Katharina  Dröge (37), neue Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, sprach Michael Fuchs.

2021 war für die Grünen eine Achterbahnfahrt. Das Kanzleramt schien zum Greifen nah, dann platzte der Traum. Wie haben Sie das erlebt?

Es war ein extrem emotionales Jahr für mich. Dass wir Grünen wieder an der Regierung beteiligt sind nach 16 Jahren Opposition, dass wir das beste Ergebnis unserer Geschichte erzielt haben, ist für uns ein toller Erfolg und sehr außergewöhnlich. Auf der anderen Seite war es ein sehr heftiger Wahlkampf, der sich in einer Art Weise auf die Personen fokussierte, die mir Sorgen bereitet. Es ging nicht mehr um die großen politischen Fragen, sondern darum, wer an der falschen Stelle gelacht hat oder wer eine Angabe in seinem Lebenslauf vergessen hat. Das ist für Menschen, die leidenschaftlich Politik machen, eine unfassbar frustrierende Erfahrung.

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Wann hat sich herauskristallisiert, dass Sie Fraktionschefin werden? Wurden Sie gebeten?

Es war mein eigener Wunsch. Das ist genau mein Ding. Ich leite unheimlich gerne Gruppen, arbeite sehr gerne mit Leuten zusammen, so dass ein Team daraus wird und  sich alle wertgeschätzt fühlen. Auf der anderen Seite hat es mich gereizt, Verantwortung für die ganze Bandbreite an Themen zu übernehmen, die eine Regierung prägen können. Das ist eine wahnsinnig spannende Aufgabe. Ich wollte das gerne machen, habe vorher mit vielen darüber gesprochen und viele positive Rückmeldungen erhalten.

Mit 93 Prozent hatten Sie ein sehr gutes Wahlergebnis…

Das gibt mir Rückenwind. Als Fraktionsvorsitzende werde ich auch unangenehme Entscheidungen treffen und in Konflikte gehen müssen. Das ist einfacher, wenn man weiß, dass man grundsätzlich breit getragen wird von der Fraktion.

Wie war es für Sie, erstmals eine Fraktionssitzung im Bundestag zu leiten? Ist  anders als eine Kreismitgliederversammlung in Köln, oder?

Sitzungen zu leiten ist eigentlich ziemlich ähnlich (lacht). Ich habe auch viele Witze gemacht. Man muss ja ein bisschen gute Stimmung haben miteinander. Ein Unterschied ist natürlich, dass wir in Berlin eine große Fraktionsgeschäftsstelle haben, die alles super vorbereitet. Im Ehrenamt muss man viel mehr selber machen.

Als Kölnerin in Berlin ist Ihnen Humor also wichtig?

In meiner Bewerbungsrede habe ich auch über den Kölner Karneval gesprochen und gesagt: Leute, ihr müsst damit leben, dass ich als Rheinländerin gerne Karneval feiere. Das haben alle kommentiert. Es ging auch um die Frage, wer in Zukunft an Karneval in Berlin die Stellung hält. Zum Glück stammt meine Co-Vorsitzende Britta Haßelmann aus Ostwestfalen, die macht das.

Die grüne Fraktion hat sich von 67 auf 118 Abgeordnete fast verdoppelt. Was heißt das für Ihre Arbeit?

Man muss doppelt so viele Gespräche führen wie früher. Deswegen haben wir uns im Fraktionsvorstand auch eine neue Struktur gegeben. Wir arbeiten dezentraler, delegieren mehr Verantwortung in die Arbeitsgruppen.

Sie sind Wirtschaftsexpertin und bekannt dafür, dass Sie gerne tief in die Materie eintauchen, sich bis ins letzte Detail informieren. Geht das als Fraktionschefin noch?

Es ist für mich tatsächlich eine Herausforderung, mehr zu delegieren und mir nicht alles selbst anlesen zu wollen. Das ist bei dieser Breite an Themen ja gar nicht möglich, aber daran muss ich mich erst gewöhnen. Als in der Fraktion neulich eine Wirtschaftsfrage aufkam, habe ich mich ganz automatisch zu Wort gemeldet. Dann fiel mir erst ein, dass ich nicht mehr wirtschaftspolitische Sprecherin bin (lacht). Da kann ich noch nicht so aus meiner Haut.

Wie haben Sie die Koalitionsgespräche mit SPD und FDP erlebt? Wie lief das atmosphärisch ab?

In der Gruppe Arbeitsmarktpolitik habe ich als Verhandlungsführerin der Grünen mit Hubertus Heil (SPD) und Johannes Vogel (FDP) verhandelt. Wir haben uns erst mal zu dritt zusammengesetzt um zu klären: Wie wollen wir das zwischenmenschlich machen? Wir wussten, dass wir inhaltlich teils sehr weit auseinander liegen. Wir haben vereinbart, dass wir die unterschiedlichen Perspektiven und roten Linien der anderen respektieren. Dass wir Kompromisse finden, bei denen jede Partei am Ende sagen kann, das ist fair. Das hat sehr gut geklappt.

Was war der größte Knackpunkt?

Der Mindestlohn und die Ausweitung der Minijobs wurden bereits in den Sondierungen entschieden. Ich hätte mir sehr gewünscht, die Minijobs stärker zu begrenzen, wegen der negativen Auswirkungen auf die Altersarmut von Frauen. Wir haben aber ein gutes frauenpolitisches Paket hinbekommen mit Verbesserungen in puncto Lohngleichheit, Kündigungsschutz nach der Elternzeit und Recht auf Rückkehr in Vollzeit.

Was ist für Sie das wichtigste Ziel der Koalition bis 2025?

Der Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist die zentrale Aufgabe, die wir jetzt haben. Weil grüner Strom in ganz vielen Sektoren die Grundlage dafür ist, Klimaneutralität zu erreichen – etwa in der Industrie, der Elektromobilität, der Wärmeversorgung.

Wollen Sie als Kölner Abgeordnete auch gezielt den Ausbau von Ökostrom und grünem Wasserstoff in der Region Köln fördern?

Mit Britta Haßelmann aus Bielefeld, unserer Geschäftsführerin Irene Mihalic aus Gelsenkirchen und mir besteht die neue Fraktionsspitze aus drei Frauen aus NRW. Das ist regional unausgewogen. Wir haben daher klar betont, dass wir für das gesamte Bundesgebiet antreten und nicht nur für unsere Städte und für NRW. Darauf werde ich achten. Aber was wir im Bund beschließen, soll ja auch dem Rheinland zu Gute kommen. Dazu möchte ich im Dialog mit den kommunalen Dezernenten bleiben.

Haben Sie mit Ihrer neuen Rolle und der neuen Verantwortung überhaupt noch Zeit für Ihre Familie?

In meiner Bewerbung habe ich klar gesagt: Ich habe kleine Kinder, und die haben ein Recht auf Zeit. Das ist mir sehr wichtig. Ich habe mir fest vorgenommen, mir Zeiträume zu reservieren, die nur für die Kinder sind. Meine Kollegen müssen damit leben, dass ich dann nicht zu erreichen sein werde.

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