„Neue Wege gehen“Wie die „Partei“ in Köln Satire und Realpolitik verbinden will

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Neu im Stadtrat: Michael Hock und Birgit Dickas von der PARTEI wollen Satire und Klamauk mit Realpolitik verbinden .

Neu im Stadtrat: Michael Hock und Birgit Dickas von der PARTEI wollen Satire und Klamauk mit Realpolitik verbinden .

Köln – „Klüngel den Profis überlassen!“ Mit diesem Spruch warb die Satire-Partei „Die PARTEI“ bei der Kommunalwahl in Köln um Stimmen. Auf ihrem Wahlplakat tauschten zwei Personen in grauen Anzügen ein Bündel Bargeld aus. Jetzt hängt das Plakat im Büro der PARTEI neben dem Rathaus, das die Stadt den neuen Ratsmitgliedern Birgit Dickas (56) und Michael Hock (40) zur Verfügung gestellt hat. Gleich beim ersten Versuch war die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ (siehe Infotext) mit zwei Vertretern in den Stadtrat gewählt worden. Sie holte 10 261 Stimmen (2,46 Prozent), schnitt damit besser ab als die Klima Freunde (2,01 Prozent) oder die Wählergruppe Gut (1,99 Prozent), gewann zudem sechs Mandate in den Bezirksvertretungen Innenstadt, Ehrenfeld, Nippes, Kalk, Mülheim und Porz.

„Ein toller Erfolg“, findet Hock. „Unser Marsch durch die Institutionen geht weiter. Bald übernehmen wir den Laden“, kündigt der selbstständige Rechtsanwalt und Familienvater voll Enthusiasmus an.

Überholverbot  von Radlern und Fußgängern gefordert

In den ersten Wochen machte die PARTEI im Rathaus auch prompt von sich reden. Erst forderte sie für Autofahrer ein Überholverbot von Radlern und Fußgängern in ganz Köln (wir berichteten). „So lassen sich mit geringem Aufwand flächendeckend autofreie Zonen einrichten“, meint Dickas. Sie ist Verwaltungsfachwirtin, dreifache Mutter und Oma von fünf Enkeln. Später beschwerte man sich, dass Aktivisten des Autonomen Zentrums (AZ) das Rathaus mit Farbe beschmiert, dabei aber das Büro der PARTEI ausgelassen hatten. Zur Strafe solle das AZ-Gebäude an der Luxemburger Straße grau angemalt werden, forderten Dickas und Hock per Dringlichkeitsantrag an den Stadtrat. Vorige Woche regten sie in einem Antrag zum Böllerverbot an, dass die Stadt illegale Knallknörper einsammeln und an einem zentralen Ort kontrolliert sprengen solle, zum Beispiel in der Oper.

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Wer ihre Anträge durchliest, schwankt zwischen Schmunzeln und Kopfschütteln. Geht es bloß um Satire und Klamauk oder steckt am Ende doch politischer Gestaltungswille dahinter? „Seriöse Politik ist mit uns nicht zu machen“, sagt Hock. Und räumt gleich darauf ein, dass man sehr wohl Themen anstoßen wolle. „Indem wir die Dinge persiflieren und übertreiben, wollen wir auch bei Menschen, die sich sonst weniger für Politik interessieren, Aufmerksamkeit wecken für wichtige Themen wie die Verkehrswende.“

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Angesichts wachsender Politikverdrossenheit müsse man heute neue Wege gehen, pflichtet Dickas ihm bei. „Viele Wähler haben sich von den etablierten Parteien abgewandt. Denen machen wir als inoffizielle Vertretung der Nichtwähler ein Angebot.“

Dass man Anträge lustig formuliere, sei Pflicht – „das sind wir unseren Wählern schuldig“, meint Hock. Aber es gehe stets um die Sache. Als Beispiel nennt er einen Antrag in der Bezirksvertretung Mülheim (BV) zur ungelösten Toilettensituation am Wiener Platz. Darin forderte die PARTEI die Öffnung der Toiletten im Bezirksrathaus für alle. Außerhalb der Öffnungszeiten solle die Stadt große Büropflanzen vor dem Gebäude platzieren, „an denen die Bürger dann sichtgeschützt, diskret und rechtlich gesichert ihre Notdurft verrichten können“. Es war ein gezielter Affront, um daran zu erinnern, dass die Stadt das Thema lange hat schleifen lassen. Zwei Wochen später beantragten die Grünen, als Sofortmaßnahme einen Toilettenwagen am Wiener Platz aufzustellen.

Die PARTEI

2004 gründete der damalige Chefredakteur des Satire-Magazin „Titanic“, Martin Sonneborn, die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“. Er ist heute Bundesvorsitzender der PARTEI, für die er gemeinsam mit Nico Semsrott als Abgeordneter im Europa-Parlament sitzt.

Nach eigenen Angaben hat die PARTEI mehr als 50 000 Mitglieder. Seit einem Monat ist sie mit einem Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten. Der frühere Sozialdemokrat Marco Bülow war 2018 aus der SPD ausgetreten und hatte sich im November 2020 der PARTEI angeschlossen. (fu)

Die Politik sei immer mehr zur Realsatire geworden, „deshalb ist es an der Zeit, dass wir als Satirepartei Realpolitik machen“, betont Birgit Dickas. In den ersten Wochen im Rat habe man auch schon erste Erfahrungen in Sachen Klüngel gesammelt. „Der Beschluss, die Gelder für die Fraktionen zu erhöhen, flatterte uns 30 Minuten vor der ersten Ratssitzung als Dringlichkeitsantrag ins Haus. Wir haben natürlich zugestimmt, weil wir ja für Klüngel angetreten sind. Aber es verwundert einen schon, dass SPD und CDU jetzt fast das gleiche Geld bekommen, obwohl sie rund ein Drittel ihrer Sitze im Rat verloren haben.“

Im Klüngeln, da sind sich Dickas und Hock einig, „können wir von den Letztwählerparteien doch noch so einiges lernen“.

Und was sind die Pläne der PARTEI bis 2025? „Um Köln vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, wollen wir die Stadt unter die Erde verlegen. Aber das ist ein langfristiges Projekt. Und Leverkusen soll ein gemeinsamer Parkplatz für Köln und Düsseldorf werden“, erklären Dickas und Hock mit todernster Miene.

Übertreibung und Klamauk gehören halt immer dazu.

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