„Ode an die Freude“ in der PhilharmonieKölns Bürgerchor feiert seine Premiere in Köln

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Bürgerchor Gürzenich3

Die Sänger und Sängerinnen probten in einem Hörsaal der Kölner Uni. 

Köln – „Taa ta ta tata“, gibt Michael Ostrzyga den Takt vor und macht dazu fließende Armbewegungen. Die sollen Sängerinnen und Sänger ausführen, während sie mitsprechen. Damit sich ein Gefühl für das Timing der Koloratur in der Zeile „wo dein sanfter Flügel weilt“ einprägt. Es ist die berühmte „Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven, die der Universitätsmusikdirektor mit über 150 singfreudigen Menschen zwischen 16 und über 70 Jahren einstudiert. „Könnt ihr das W deutlicher sprechen? Klingende Konsonanten gehen in der Philharmonie eher unter“, fährt Ostrzyga bei der Probe fort.

Premiere mit dem Gürzenich-Orchester in Köln

Die Philharmonie? Ja, zum ersten Mal wirkt ein Bürgerchor am Sonntag an zwei Aufführungen des Gürzenich-Orchesters im renommierten Konzertsaal mit. Unter dem Titel „Feuertrunken“ wird dort Beethovens Sinfonie Nr. 9 erklingen. François-Xavier Roth dirigiert, Solisten sind Asmik Grigorian, Sopran, Anaïk Morel, Mezzosopran, der Tenor Sebastian Kohlhepp und der Bass Matthew Rose. Der Bürgerchor ist ein neues Projekt des Gürzenich-Orchesters, das 2019 bereits das Bürgerorchester ins Leben gerufen hatte.

Ein passenderes Werk als Beethovens Vertonung von Friedrich Schillers Gedicht konnte für den zweiten musikalischen Feldversuch wohl kaum gewählt werden. Denn wie Beethoven mit seiner Neunten erstmals den Orchesterklang der sinfonischen Kompositionen um die menschliche Stimme erweiterte, geht das Gürzenich-Orchester jetzt erneut einen innovativen musikalischen Weg. Allerdings anders als Beethoven vor fast 200 Jahren nicht nach jahrelangem Ringen.

Schiller beschrieb in seiner 1785 verfassten Ode das Ideal einer Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwertig durch Freundschaft und Freude verbunden sind. Kunstwörter wie „feuertrunken“ sind für Chorleiter Ostrzyga willkommene Poesie, um schönen klanglichen Ausdruck herauszuarbeiten. „Stellt euch das vor, was ihr singt“, inspiriert er zum Fühlen der Botschaft globaler menschlicher Verbrüderung, die bis heute immer wieder in der ganzen Welt erklingt.

„In einer Zeit der Krisen finde ich besonders wichtig, dass Beethovens neunte Sinfonie aufgeführt wird“, sagt Peter Franz Mittag. „Es klingt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber das ist eine Insel der Hoffnung“, fügt der 56-jährige Bass hinzu. Das sieht Luisa Damen genauso. „Nach den Corona-Einschränkungen hatte ich Lust auf jede Möglichkeit zum Chorgesang, die sich bot“, erzählt die 31-jährige Sopranistin. „Ja, Singen macht glücklich“, bestätigt Katrin Wolter. Gesangserfahrung bringt sie aus dem Oratorienchor Brühl mit, den Ostrzyga bis Januar 2019 viele Jahre lang geleitet hat. Nach einigen Jahren Pause aus familiären Gründen kostete es die 37-Jährige allerdings Überwindung, zum Vorsingen zu gehen. Das verlief jedoch locker und in Gruppen.

Eine Herausforderung für die Amateur-Sänger und -Sängerinnen sind die vielen hoch gesetzten Noten in allen Stimmlagen. „Ich wollte schon in den Alt wechseln. Aber Michael ermutigte mich, im ersten Sopran zu bleiben“, berichtet Katrin Wolter. Auch Luisa Damen meistert inzwischen die Töne knapp unter dem hohen C sicher und kraftvoll. Einige haben in anderen Chören bereits auf der Philharmonie-Bühne gestanden, für andere ist die Generalprobe am Samstag das erste Mal. Statt Lampenfieber überwogen beim Probenwochenende das Gemeinschaftserlebnis und die Vorfreude auf das besondere Ereignis. Und das wird nicht das einzige bleiben. Auch beim Weihnachts-Wunschzettelkonzert, das neu im Programm ist, ist der Bürgerchor dabei. „Darüber, welche Lieder gesungen werden, stimmen die die Kölnerinnen und Kölnerin noch ab“, sagt Sumi Schmidt, Sprecherin des Gürzenich-Orchesters. „Wir wollen mit Musik auch in die Stadt hineinwirken, mit den Menschen gemeinsam musizieren, mit oder ohne Instrument.“ Das sei ein zentrales Anliegen von Generalmusikdirektor François-Xavier Roth, so Schmidt.„Der Bürgerchor bleibt der Stadt also in jedem Fall erhalten.“

Festkonzert „Feuertrunken“, Gürzenich-Orchester Köln, Bürgerchor und Solisten, Sonntag, 28. August, 11 Uhr und 20 Uhr, Philharmonie, Karten 29 bis 61 Euro, Ticket-Hotline 221 28400. Eine Video der Bürgerchor-Probe gibt es im Internet

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