„Ratten gibt es massenweise“So schlimm sind die Zustände in der JVA Ossendorf in Köln

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Gefängnis-Alltag: Eine Zelle in der Justizvollzugsanstalt Köln in Ossendorf. 

Köln – Franziska Ernst hat über Jahre mitbekommen, wie es ist, in einer völlig veralteten Justizvollzugsanstalt (JVA) wie der in Ossendorf die Haftstrafe abzusitzen. Ernst heißt eigentlich anders, möchte aber anonym bleiben, sie sagt: „Ratten gibt es massenweise.“ Oder: „In die Zellen kommen auch immer mal wieder Kakerlaken.“ Und: „Es gibt Schimmel in den Zellen. Wenn man das anspricht, dann wird das abgewischt und vielleicht versucht zu beheben, aber der Schimmel kommt wieder.“

Seit Jahren steht wegen der Mängel ein Neubau an – nur wann, ist die Frage. Nach einem Planungsstopp hat der zuständige Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW laut Justizministerium nun aber wieder die Planungen aufgenommen, 2026 könnte es losgehen.

Die größte JVA in ganz NRW

Das Gefängnis ist die größte geschlossene Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen (siehe Info-Text), im Volksmund heißt es häufig nur „Klingelpütz“. Die Gebäude sind von 1969, die Schlösser teils so alt, dass sie kaum aufzubekommen sind, die Wasserleitungen weisen Rost auf. Laut NRW-Justizministerium werden die dringendsten Probleme saniert, etwa die Duschen.

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Ein Gebäude auf dem Gelände der JVO Ossendorf 

Stephanie Moser ist Vorsitzende des Ortsverbandes der Kölner Bediensteten im Strafvollzug, sie arbeitet in Ossendorf und sagt: „Es sind widrige Umstände, die Gebäude sind keine adäquate Umgebung für Bedienstete und Mitarbeiter. Es wird Zeit für den Neubau.“ Moser berichtet von vielen Schadstoffen, unter anderem von Asbest, viele Zellen sind deshalb gesperrt. Aktuell erarbeitet der BLB einen neuen Kosten- und Zeitplan. Laut internen Papieren könnte der Bau bis 2030 beendet sein. Doch Beteiligte sagen: „Das wird eh später.“

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Wie berichtet, ist der Neubau des maroden „Klingelpütz“ eine fast unendliche Geschichte. Schon vor zehn Jahren forderte die Gefängnisleitung bessere Zustände. Im August 2019 teilte das Justizministerin der Rundschau mit, dass die Planungen „zunächst unterbrochen“ worden sind. Für die JVA Köln war es ein Schock – denn sie hatte auf einen Baubeginn 2021 gehofft. Vor Jahren waren mal 240 Millionen Euro für das Großprojekt vorgesehen, diese Summe dürfte jetzt aber nicht mehr ausreichen.

Gefängnis-Neubauten in Münster und Willich laufen

Zahlen und Fakten zur JVA Köln

1969 ist die Justizvollzugsanstalt (JVA) Köln in Ossendorf nach acht Jahren Bauzeit vollständig in Betrieb genommen worden. Zuvor stand an der Stelle aber schon seit 1838 ein Gefängnis, das im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach wieder aufgebaut wurde.

1300 Meter lang ist die sogenannte Umwehrungsmauer um das Gefängnis. Laut Justizministerium ist sie aus Sicherheitsgründen zur Anstalt hin fünf Meter hoch, nach außen sind es zwischen 3,50 und 4,50 Meter.

108.000 Quadratmeter beträgt die Fläche, das entspricht rund 15 Fußball-Feldern. Das Gefängnis bietet Platz für 1135 Häftlinge, davon rund 850 männlich und rund 275 weiblich. Die Haftkosten liegen bei durchschnittlich 15,25 pro Tag und Platz.

Bekannte Insassen waren hier die RAF-Terroristen Ulrike Meinhof und Andreas Baader oder Spion Günter Guillaume. Der prominenteste Insasse derzeit ist der verurteilte Schwerverbrecher Thomas Drach. Der Angeklagte im aktuell laufenden Prozess um mehrere Geldüberfälle sitzt im Sicherheitstrakt. Wie zu erfahren ist, verhält sich Drach ruhig und macht keine Probleme. Wird Drach zum Gericht gefahren, kommt es zu einem massiven Polizeieinsatz. (mhe/ta)

Andere Gefängnisse hatten Köln sozusagen überholt, dabei handelt es sich um die Neubauten in Münster und Willich, das zwischen Mönchengladbach und Krefeld liegt. In Münster fand voriges Jahr der Spatenstich statt, in Willich im März das Richtfest. Dort herrscht also Klarheit, deshalb widmet sich der BLB nun wieder Köln. Das Justizministerium teilte mit: „Aufgrund der landesweiten Haftplatzkapazitäten kann der auf dem Bestandsgrundstück geplante Neubau der Justizvollzugsanstalt Köln erst nach Fertigstellung der Neubauten der Justizvollzugsanstalten Münster und Willich I beginnen.“ Das soll 2026 der Fall sein.

Der Abbruch der alten Häuser sowie der entsprechenden Neubauten soll etappenweise erfolgen. Während der großen Bauphase in Ossendorf kommen viele Häftlinge zeitweise in den neuen Anstalten unter.

Damit steht fest: Die Planungen sind wieder konkreter – aber wann genau es eine neue Unterkunft für die Häftlinge in Köln geben wird, ist weiter nicht geklärt.

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