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„Renn, Baby“Verurteilter Vergewaltiger in Köln erneut vor Gericht

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Volle Deckung: Sein Gesicht versteckte der 41 Jahre alte Angeklagte hinter seinem Pullover.

Volle Deckung: Sein Gesicht versteckte der 41 Jahre alte Angeklagte hinter seinem Pullover.

Köln – Saal 7 des Landgerichts ist am Mittwoch um 9.15 Uhr außergewöhnlich gut besucht. Offenbar wollen viele den Mann sehen, der 2006 als „Sextäter aus der Linie 1“ traurige Berühmtheit erlangte. Zwölf Jahre saß er wegen der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens und zweier Frauen im Gefängnis ein. Nun soll er erneut rückfällig geworden sein. Im Frühjahr soll er wieder versucht haben, drei Frauen zu vergewaltigen.

Doch zunächst sehen die Besucher der Verhandlung nicht viel. Werner F. (41) hat die Kapuze seines schwarzen Pullis vorm Gesicht verschnürt, um sich vor den Pressefotografen zu schützen. Als die die 14. Große Strafkammer den Saal betritt, hat er kurz Probleme, den Knoten zu lösen. Was die Zuschauer dann zu sehen, ist ein Mann mit Halbglatze und Bärtchen.

Für drei versuchte Vergewaltigungen angeklagt

Der Verlesung der Anklageschrift folgt F. ohne Regung. Seine Verteidiger Ulrike Tasic und Jan-Victor Khatib teilen mit, dass ihr Mandant sich schweigend verteidigen werde.

Laut Anklage soll er in den frühen Morgenstunden des 19. und 31. Mai sowie des 2. Juni 2018 versucht haben, drei Frauen zu vergewaltigen. Alle drei Fälle gleichen sich vom Modus Operandi: Der Täter nähert sich seinen Opfern jeweils von hinten, hält ihnen den Mund zu und zerrt sie auf den Boden. Das Opfer (21) vom 19. Mai sagte im Zeugenstand, dass sie in dem Moment gedacht habe: „Oh Gott, jetzt ist es vorbei.“ Doch dann näherte sich eine Straßenbahn der Linie 12. Vermutlich verhinderte die Bahn Schlimmeres. Der Angreifer ließ von der Studentin ab. Mit einem „diabolischen Lachen“ und den Worten „Renn, Baby!“ soll er vom Tatort geflohen sein.

Bei der Tat gestört

Auch bei der zweiten Tat am 31. Mai soll der Täter gestört worden sein. Das Opfer, ebenfalls eine Studentin, die vom Feiern heimkehrte, wurde vor dem Eingang ihres Studentenwohnheims von hinten attackiert. Wieder hält der Täter seinem Opfer den Mund zu, wieder reißt er es zu Boden. Doch die Frau wehrt sich, ruft um Hilfe. Um den Widerstand der Frau zu brechen, soll der Angreifer gedroht haben: „Ich bring dich um. Ich stech“ dich ab. Deine Familie wird nie wieder was von dir hören.“ Doch ein Anwohner wird durch die Hilfeschreie alarmiert. Sein Auftreten veranlasst den Täter zur Flucht. Der Geschädigten soll noch gesagt haben: „Du bist der Hammer, Baby.“

Der dritte Vergewaltigungsversuch am 2. Juni ist weitestgehend eine Kopie der beiden vorangegangenen Angriffe. Diesmal soll der Angeklagte sein Opfer aber in ein Gebüsch gezerrt haben. Durch Hilferufe und die Geräusche des Gerangels sollen drei Zeugen aufmerksam geworden sein und den Täter, der schließlich flieht, gestört haben.

Festgenommen wurde F. am 12. Juni 2018. Auf den Tag genau zwei Monate nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Die Gefängnisstrafe, zu der er 2007 verurteilt worden war, musste er bis zum letzten Tag absitzen, weil er in der Haft jegliche Therapie verweigerte. Nach der Entlassung wurde er als potenzieller Wiederholungstäter in das Projekt „Kurs“ aufgenommen.

Programm „Kurs“

8 Jahre lang gibt es das Programm „Kurs“ („Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“) für Sexualstraftäter,die ihre Strafe abgesessen haben. Auch der Angeklagte in dem Verfahren nahm daran teil. Jeder Täter wird in eine Gefährdungsstufe eingeteilt. Danach unterscheidet sich die Intensität der Beobachtung. Maßnahmen reichen von einer Ansprache bis zur Observation.

1066 Teilnehmer im Programm gibt es nach Angaben des Landeskriminalamts derzeit. Die Rückfallquote betrage 3,1 Prozent. Laut Gewerkschaft der Polizei liege die sie ohne Maßnahmen bei 20 Prozent. „Wir sind mit dem Programm vergleichsweise gut in der Bundesrepublik Deutschland“, bilanzierte Innenminister Reul. „Das Problem ist, das sind Menschen, die schon auffällig sind, die gefährlich sind und es auch bleiben. Das weiß jeder.“ (EB)

In dessen Rahmen observierte die Polizei ab dem 25. Mai aus einer konspirativen Wohnung heraus den Hauseingang zur Wohnung des Angeklagten. Laut der Ermittlungsleiterin (38) sei so festgestellt worden, dass F. während der zweiten und dritten Tat nicht zu Hause gewesen sei. Nachdem eines der Opfer den Angeklagten schließlich auf Facebook wiedererkannte, durchsuchte die Polizei die Wohnung von F. und stellte sein Handy sicher. Die darauf gespeicherten Google-Bewegungsdaten sollen beweisen, dass sich F. zur Tatzeit an allen drei Tatorten befand.

Der Prozess ist mit acht Verhandlungstagen bis zum 12. Dezember terminiert.

Sicherungsverwahrung

Sollte es zu einer Verurteilung des Angeklagten kommen, droht ihm Sicherungsverwahrung. Warum aber wurde diese nicht schon nach dem ersten Urteil angeordnet? Der Anwendung des Freiheitsentzugs über die Haftstrafe hinaus sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung enge Grenzen gesetzt. Nur wenn zweifelsfrei festgestellt wird, dass ein gravierendes Persönlichkeitsdefizit vorliegt sowie ein erheblicher Hang zu Straftaten, ist die Sicherungsverwahrung möglich. Im Verfahren wird dem psychiatrischen Gutachten daher eine wesentliche Rolle zukommen. (bks)

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