„Unverständlich“Was der Kölner Haus- und Grund-Verein von der neuen Grundsteuer hält

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Die Kölner Neubau-Siedlung Widdersdorf-Süd 

Die Kölner Neubau-Siedlung Widdersdorf-Süd 

Köln – Thomas Tewes ist Hauptgeschäftsführer beim  Kölner Haus- und Grundbesitzerverein. Über die anstehenden Änderungen bei der Grundsteuer sprach mit ihm Tobias Wolff.

Wie bewertet der Kölner Haus- und Grundbesitzerverein die neue Bemessungsgrundlage?

Es ist uns vollkommen unverständlich, dass es NRW nicht auf die Reihe bekommen hat, ein eigenes, unbürokratisches Modell der Grundsteuer zu entwickeln. Stattdessen nimmt man das Bundesmodell, bei dem man in den aberwitzigsten Konstellationen herumrechnen muss. Ein reines Arbeitsbeschaffungsmodell für Steuerberater.

Andere Länder haben sich gegen das Bundesmodell entschieden.

Baden-Württemberg etwa hat ein reines Bodenwertmodell. Für die Nutzer ist das wesentlich einfacher zu handhaben. Und dass sich Baden-Württemberg dabei finanziell schlechter stellt als wir, kann ich mir nicht vorstellen.

Sie kritisieren die rein elektronischen Form der Abgabe.

Natürlich. Gerade bei einer etwas älteren Klientel muss es die Möglichkeit geben, das auch in Papierform zu machen. Es steht ja nur alle sieben Jahre an – so viel Papier kann man doch bitte noch drucken. Zumal die Abgabe über die Elster-Software auch nicht gerade die einfachste Form der digitalen Übermittlung darstellt.

Sie haben entsprechend viele Hilferufe bekommen?

Ja, wir haben momentan sehr viele Anfragen. Die betreffen meistens noch nicht einmal die Grundsteuer selbst, denn bis dahin kommen viele erst gar nicht. Besonders ärgerlich ist, dass die Verwaltung selbst die Bearbeitung nicht auf die Reihe bekommt. Der Zusammenbruch von Elster hat ja gezeigt, dass die Behörden auf den Ansturm nicht vorbereitet waren. Was haben die denn die ganze Zeit gemacht? Wenn ich schon Fristen setze, muss ich auch dafür sorgen, dass die eingehalten werden können.

Was sind ihre Forderungen?

Zunächst einmal wie erwähnt, dass die Angaben auch in Papierform gemacht werden können. Dann zeigt sich bereits jetzt, dass die Frist bis Ende Oktober nicht ausreicht und unbedingt verlängert werden muss. Beim Ausfüllen fällt ja oft erst auf, was noch alles beigeschafft werden muss. Und die ersten Bescheide werden schließlich erst 2025 verschickt.

Gelten für Großstädte wie Köln noch einmal besondere Verhältnisse?

Sicher. Nehmen sie einfach mal die so genannte wirtschaftliche Einheit – ist beispielsweise die Garage nicht direkt an die Wohnung gekoppelt, muss sie gegebenenfalls einzeln veranlagt werden. Außerdem sind die Eigentumsverhältnisse in Häusern mit mehreren Mietparteien schwieriger als beim Einfamilienhaus auf dem Land.

Was ist mit Gebäuden, in denen Gewerbe angesiedelt ist?

Da haben Sie dann auch mal so Späße wie Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren: Handelt es sich bei dem Haus überhaupt um ein Mietwohnhaus? Dazu müssen mindestens 80 Prozent zu Wohnzwecken genutzt werden. Im Zweifel dürfen Sie dann mit dem Zollstock ins Erdgeschoss laufen und in der Erklärung wieder alles auseinander rechnen.

Der Wert einer Immobilie ist nicht überall gleich.

Dafür gibt es unter anderem die Mietniveau-Einstufungsverordnung. Noch so ein Irrsinn: Gemessen wird nicht nach tatsächlichen Mieteinnahmen, sondern nach sieben vom Gesetzgeber festgelegten Stufen. Für Köln können Sie dann beispielsweise pauschal 30 Prozent aufschlagen. Danach bemisst sich dann der Wert ihres Wohngrundstückes. Noch umständlicher kann man das wirklich nicht mehr machen. Um es ganz klar zu sagen: Die meisten Eigentümer bei uns werden nicht in der Lage sein, das alles fehlerfrei auszufüllen.

Gehen Sie von einer starken Steigerung der steuerlichen Belastung aus?

Das wird natürlich vor allem von den Kommunen abhängen, wie die mit ihren Hebebeträgen umgehen. Das regelt jede Kommune schließlich selbst. Würden sie so bleiben wie jetzt, können wir davon ausgehen, dass die Beiträge massiv ansteigen. Nur wenn die Hebebeträge entsprechend angepasst werden, kann das halbwegs kostenneutral vonstatten gehen.

Was der Bund ja stets versprochen hat.

Natürlich. Aber die Umsetzung hat er letztlich nicht in der Hand. Daher traue ich dem Braten nicht. Für viele Kommunen, gerade in ländlichen Regionen, ist die Grundsteuer eine der wenigen Einnahmequellen überhaupt. Ob die wirklich die Sätze senken und den schönen Schluck aus der Pulle nicht mitnehmen – das will ich erst noch sehen. Man kann sich ja wunderbar damit herausreden, der Gesetzgeber habe dies schließlich so beschlossen. In Städten und Kommunen mit viel Gewerbe oder Industrie mag das zumindest prozentual noch etwas anders aussehen. Aber dass es insgesamt teurer wird – ja, davon gehe ich aus.

Grundsteuerreform und Hebesatz

2018 hatte das Bundesverfassungsgericht Regelungen zur Grundsteuer für unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz erklärt. Es setzte eine Frist für die Neuregelung bis Ende 2019. Herausgekommen ist das „Bundesmodell“. Dieses gilt bundesweit, sofern ein Land nicht ein eigenes Modell beschließt. Das neue Grundsteuerrecht findet ab 2025 Anwendung. Einige Länder, darunter NRW, haben das Bundesmodell übernommen, andere haben einen komplett anderen Ansatz gewählt.

Alle Grundstückseigentümer müssen für jedes Grundstück – bebaut oder unbebaut, selbstbewohnt oder vermietet, Eigentumswohnung, Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhaus – eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwertes abgeben. Bis Ende Oktober müssen die Erklärungen beim Finanzamt sein. Das Finanzamt errechnet einen aktuellen Grundstückswert inklusive Gebäude und erlässt zwei Bescheide: den Grundsteuerwertbescheid auf 1. Januar 2022 und den Grundsteuermessbescheid auf den 1. Januar 2025. Anhand dieser Bescheide setzt die jeweilige Kommune die neue Grundsteuer ab 1. Januar 2025 fest.

Danach sollen diese Erklärungen alle sieben Jahre abgegeben werden, es sei denn, dass bereits vorher grundlegende Änderungen eintreten. Abgefragt werden die Grundbuchangaben (Flurstück, Grundbuchblatt, Gemarkung), Besitzverhältnisse und Grundstücksart, Grundstücksfläche, Bodenrichtwert zum 1. Januar 2022 (www.boris.nrw.de), Baujahr und gegebenenfalls das Jahr einer Kernsanierung sowie die Wohnfläche.

Der Hebesatz zur Grundsteuer B – bebaute und unbebaute Grundstücke – liegt in Köln bei 515 Prozent. Der Hebesatz ist die Bezeichnung für den Faktor, mit dem der Steuermessbetrag (Bemessungsgrundlage bei den Realsteuern) multipliziert wird, um die Steuerschuld zu ermitteln. Die Grundsteuer berechnet sich aus Messbetrag mal Hebesatz. Über die Hebesätze können die Gemeinden die Höhe der Gemeindesteuern beeinflussen. Das Hebesatzrecht ist Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Zum Vergleich: In Leverkusen liegt der Hebesatz Grundsteuer B bei 750 Prozent, in Hürth bei 480 Prozent. (two)

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