„Wie Medizin für die Seele“Mit der Gitarre durch die Wartezimmer der Uniklinik

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Instrumentalmusik macht Bernd Gast montags in den Wartebereichen der Uniklinik, wie hier in der Augenklinik. Mittwochs und sonntags tritt er ab 10 Uhr im Foyer des Bettenhauses auf.

Instrumentalmusik macht Bernd Gast montags in den Wartebereichen der Uniklinik, wie hier in der Augenklinik. Mittwochs und sonntags tritt er ab 10 Uhr im Foyer des Bettenhauses auf.

Köln – Seinen kleinen Verstärker stellt er neben den Automaten mit den Wartenummern, dann stöpselt er seine Gitarre ein. Die Stühle in der Augenklinik sind bis auf den letzten Platz besetzt. „Ich bin Bernd Gast, Musiker aus Köln und ich bin ein Service der Uniklinik.“ Er lächelt und beginnt zu spielen. Ein Patient, der hier wartet, lächelt zurück. Nach dem Auftritt sagt er:„Die Musik nimmt mir gerade die Angst vor der Operation. Grauer Star.“

Im Krankenhaus ist Gast – der Musiker im weißen Kittel – bekannt wie er selbst sagt, „ein bunter Hund“. Mittwochs und sonntags gibt er im Foyer des Bettenhauses ein kleines, einstündiges Konzert. Seit einiger Zeit ist der Musiker auch montags unterwegs. In den Wartezimmern der Uniklinik spielt er auf der Gitarre bekannte Melodien, von Queen und Eric Clapton bis John Lennon, eigene Kompositionen und klassische Evergreens.

Tränen in der Strahlenklinik

„Ich habe diesen Job hier erfunden“, sagt Bernd Gast. Bis vor ein paar Jahren war er noch als Musiker im Tonstudio aktiv, bis er sich selbst das Gitarre spielen beibrachte. 100 Stunden im Monat übt er mindestens, und das seit vier Jahren. Nach einigen Sonntagskonzerten im Krankenhaus engagierte ihn die Uniklinik für die regelmäßigen Auftritte. „Mit anderen Konzerten ist das nicht zu vergleichen“, sagt der 56-Jährige. „Die Patienten haben ja nicht auf mich gewartet, ich komme einfach dazu. Nicht immer hört man mir gebannt zu. Da bekommt man als Musiker schon die so genannte Bühnenhärte.“

In der HNO-Klinik spielt er an diesem Tag „Every breath you take“. „Man kann in den Melodien baden“, sagt Gast über seine instrumentalen Stücke. „Toll, das habe ich auch noch nie erlebt“, sagt eine Patientin. Eine andere guckt irritiert, als sie den Raum betritt, Gast schenkt ihr ein breites Lächeln. Am Ende klatschen alle. Nur einmal habe ihn eine Frau gebeten aufzuhören, sagt Gast. Sie litt an Hyperakusis, einer Überempfindlichkeit gegenüber Schall. „Da bin ich natürlich gegangen. Wo sollte man sonst Rücksicht auf die Menschen nehmen, wenn nicht hier?“ Auch wenn Durchsagen in den Wartezimmern kommen, spielt er in der Zeit immer ein wenig leiser.

„Sie sind ein Mutmacher!“

Manchmal möchten ihm die Zuhörer etwas zurückgeben. Einer schmiss mal Kleingeld in seinen Becher – da war allerdings noch Kaffee drin. „Deswegen habe ich angefangen, Gästebücher auszulegen.“ Mittlerweile ist auch das sechste schon fast voll, gefüllt mit der Dankbarkeit seiner Zuhörer: „Ihre Musik lässt mich meine Krankheit vergessen.“ „Sie sind ein Mutmacher!“ „Das ist tatsächlich wie Medizin für die Seele.“ Nicht nur in Köln spielt er für Patienten, auch auf der Neurologischen Intensivstation in Bad Godesberg und in der Kaiser-Karl-Klinik in Bonn tritt er für Kranke auf. „Es macht einfach Sinn“, sagt er mit Nachdruck. „Auch mein Leben hat das verändert.“

Als Bernd Gast einen Boogie spielt, wippt ein Patient in Badelatschen mit den Füßen. „Ich bin wie ein Gärtner, ich pflanze Lächeln“, sagt Gast zu seinen Zuhörern. „Bewahren Sie sich das, und nehmen Sie es mit ins Arztzimmer. Er kann es vielleicht brauchen.“ Der Mann grinst.

Die Strahlenklinik ist die letzte Station auf seiner Runde. Die Patienten, die hierher kommen, hängen ihren Gedanken nach, warten auf die nächste Chemotherapie oder eine alles verändernde Diagnose. Der Applaus bleibt meist aus. „Hier geht es um ganz andere Schicksale“, sagt Gast. Er spielt die Melodie von „Here comes the sun“. Seine Musik soll entspannen. „Kennen Sie ,Horse mit no name’?“, fragt ein Mann. „Können Sie es für meine Frau spielen, wenn Sie von ihrer Untersuchung kommt?“ Als Gast auf seiner Gitarre das Lied anstimmt, bricht die Frau in der Strahlenklinik in Tränen aus. Am Ende kann er nur ahnen, was ihr dieser Moment bedeutet hat.

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