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„Wir dürfen nirgends anlegen“Kölner steckt mit Schiffbrüchigen fest – keiner will sie

Lesezeit 3 Minuten
Als Führer eines Schnellboots engagiert sich Thomas Scheible (Mitte) auf dem Mittelmeer.

Als Führer eines Schnellboots engagiert sich Thomas Scheible (Mitte) auf dem Mittelmeer.

Köln – Thomas Scheible (45), Gastronom aus Ehrenfeld, rettet privat im Mittelmeer Schiffbrüchige. Manfred Reinnarth sprach mit dem Schnellbootfahrer und Koch.

Sie haben gerade 32 Menschen aus Seenot gerettet. Wie?

Wir haben einen Tipp von einem privaten französischen Suchflugzeug erhalten, und ich habe eines unserer beiden Schnellboote zu der Stelle gefahren, wo das Schlauchboot ohne Motorkraft trieb. Das Schnellboot schafft 32 Knoten und ist damit viermal schneller als unser Schiff. Ich bin vorsichtig von hinten ran gefahren, und wir haben Schwimmwesten verteilt.

Aber nicht Sie...

Nein. Als Schiffsführer habe ich genug mit Wellengang und Funk zu tun. Ich habe das Schlauchboot angeschoben, zumal ich schon einige Male erlebt habe, wie so ein Boot seine Luft verliert, der Boden längs zusammenklappt und die Insassen ertrinken. Es ist mein 13. Einsatz, und ich habe 25 Jahre Erfahrung als Skipper. Das Schieben stabilisiert das Boot gegen die Wellen.

Wen haben Sie aufgegriffen?

Zwei oder drei Libyer, einen Mann aus Ägypten, jemanden aus dem Südsudan, von der Elfenbeinküste, aus Nigeria – eine sehr gemischte Gruppe. Vier Frauen, drei Minderjährige ohne Begleitung, zwei kleine Kinder und ein Baby.

Und an Bord?

Da habe ich mich schnell umgezogen, denn ich bin vor allem der Koch. Wir haben eine Tonne Reis dabei und 600 Kilogramm Bohnen in Dosen. Zu Weihnachten habe ich das mit Tiefkühlspinat und Tiefkühlhuhn veredelt. Es gibt eine Heizspirale an Deck, das Wetter ist gut, aber wir dürfen nirgends anlegen.

Wer verbietet das?

Italiens neue Regierung lehnt das ab, es gibt eine Mail von Malta, wir sollen der Küste fernbleiben, derzeit suchen die Niederlande, unter deren Flagge wir fahren, eine Lösung. Inzwischen haben wir wegen eines Notrufs, den die Rettungsleitstelle in Rom funkte, wieder Kurs auf Libyen genommen. Das heißt aber nicht, dass wir danach in Italien anlegen dürfen. Uns geht es wie der „Aquarius“, die so lange durch das Meer irrte, bis Spanien sie anlegen ließ.

Wann geht es nach Köln?

Anfang Januar, aber wenn ich nicht von Bord kann, muss die Kneipe warten. Ich freue mich, dass Frau Reker der Schiffsbrücke angeboten hat, in Köln Flüchtlinge aufzunehmen, obwohl das Außenministerium es ablehnt. Es wäre toll, wenn ich unseren Gästen später mal den Dom zeigen könnte.

Seenotretter

Sea-Watch ist ein Verein aus Berlin, der im Mittelmeer zivile Seenotrettung für Flüchtlinge betreibt. Er finanziert sich aus Spenden.

An Bord des 55 Meter langen Schiffs „Sea-Watch 3“ sollen bis zu 600 Flüchtlinge Platz haben. Rund 3000 Menschen seien bislang gerettet worden.

Vor der Küste von Libyen, außerhalb der 24-Meilen-Zone, kreuzt das Schiff und sucht Schiffsbrüchige. (mfr)

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