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„Wir sind in der Endphase“Ditib plant Muezzin-Ruf in Köln noch im März

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Die Moschee in Köln-Ehrenfeld 

  • Über die Planungen zum Gebetsruf an der Zentralmoschee in Ehrenfeld und welche Signalwirkung das Projekt hat, sprach Ingo Schmitz mit Zekeriay Altug, Abteilungsleiter für Gesellschaft und Zusammenarbeit bei der Ditib.

Köln – Der Vorstoß von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Moschee-Gemeinden den Muezzin-Ruf zu ermöglichen, kam für viele überraschend. Wie haben Sie davon erfahren?

Wir hatten im Vorfeld davon gehört, es wurde darüber gesprochen, dass es Überlegungen gibt. Dennoch kam die Mitteilung für uns überraschend. Wir waren sehr angetan von dem Schritt, weil uns die Signalwirkung, dass muslimisches Leben und sein Beitrag für Köln hier wahrgenommen wird, wichtig ist. Nach wie vor sind wir der Meinung, das ist ein Grundrecht, es bedarf keiner Genehmigung. Bei diesem Prozess geht es nun mehr um die Frage der Umsetzung.

Dennoch dauerte es einige Zeit, bis Ihre Gemeinde den Antrag einreichte. Gab es Bedenken und Diskussionen?

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Bedenken habe ich nicht vernommen. Im Gegenteil. Es gab sofort Nachfragen bei uns: Werden wir den Ruf schon diese Woche hören? Oder nach dem Freitagsgebet kamen Gläubige auf uns zu und fragten: Warum haben wir den Gebetsruf nicht gehört? Aber es war natürlich weder die Intention der Stadt noch von uns, das Projekt unmittelbar in der gleichen Woche umzusetzen. So etwas will gut vorbereitet sein. Wir wollen vor allem unsere Nachbarn dabei mitnehmen und ausführlich informieren.

Was bedeutet der Muezzin-Ruf für die Integration muslimischer Menschen in dieser Stadt?

Auch wenn der überwiegende Teil immer noch türkischstämmig ist, wir sind als muslimische Gemeinschaft mittlerweile sehr vielfältig. Was alle Muslime eint, ist die Moschee, ist der Gottesdienst, ist der Muezzin-Ruf. Wenn sie durch die Herkunftsländer reisen, hören sie überall denselben Ruf, der dazu auffordert, in die Moschee zum Gebet zu kommen. Ein Verzicht auf diesen Ruf ist dort undenkbar. Aufgrund der gesellschaftlichen Sensibilität jedoch lassen wir ihn in Deutschland in der Moschee erklingen. Sie merken, das ist schon einmal ein Paradox in der Umsetzung. Sie rufen Menschen, die schon da sind. Darüber hinaus steht der Muezzin-Ruf für Heimat. Als Metapher für Beheimatung taucht er immer wieder in Literatur und Liedtexten auf. Wenn die Gläubigen ihn nun auch in Köln hören können, dann fühlen sich die Muslime hier umso mehr beheimatet. Ein Kollege von mir hat das nach dem Vorstellung der Oberbürgermeisterin sehr schön ausgedrückt, als er zu mir sagte: Ich fühle mich jetzt noch mehr als Kölner.

Sie haben die Umsetzung in den Vordergrund gerückt. Wie soll der Gebetsruf an der Zentralmoschee erfolgen?

Wir haben uns nach langen Beratungen dazu entschlossen, dass wir mit der am Gebäude bereits installierten Technik beginnen werden. Die nutzen wir beispielsweise bereits für das Totengebet. Das erfolgt im Islam nicht in der Moschee. Bei uns findet es auf dem Vorhof statt, mit der dort dafür installierten und genehmigten Beschallungsanlage. Diese richtet den Klang hauptsächlich auf die hochgelagerte Platzfläche, ist auch etwas auf der Straße hörbar. Das reicht für unser Ansinnen, die Menschen zu rufen, die bereits auf den Weg zu uns sind. Es geht uns ja nicht darum, alle Menschen in Ehrenfeld die ganze Straße hoch zu erreichen. Sollte sich mit der Zeit herausstellen, dass die Anlage nicht ausreicht, um in unmittelbarer Nähe hörbar zu sein, werden wir gegebenenfalls über eine technische Nachrüstung im Rahmen der vorgegebenen Dezibel-Grenze nachdenken.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte im Rundschau-Interview, sie gehe von einer Genehmigung im Laufe des Frühjahres aus. Wie sind Ihre Signale dazu?

Wir haben uns sehr ausführlich mit der technischen Umsetzung beschäftigt, mit Technikern beraten, um zu verhindern, dass wir nach kurzer Zeit schon wieder umplanen müssen. Aber ich denke, von unserer Seite aus sind wir nun in der Endphase des Verfahrens. Wir haben noch ein wissenschaftliches Gutachten zur Lärmbelastung in Auftrag gegeben. Auch wir erachten das unabhängig von den Vorgaben als sinnvoll. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir vor Ende des Quartals die Umsetzung realisieren können.

Der Gebetsruf in Köln

Als Modellprojekt kann für erst einmal zwei Jahre der Muezzinruf für das Freitagsgebet erklingen. Die Vorgaben für einen Antrag: Der Gebetsruf darf nur freitags zwischen 12 bis 15 Uhr einmalig für maximal fünf Minuten erfolgen, und je nach Lage der Moschee in unterschiedlicher Lautstärke. Dabei sind die Moscheegemeinden verpflichtet, sich an die Lärmrichtlinien zu halten und das mit einem Gutachten zu untermauern. Jede Gemeinde muss ihre Nachbarschaft über das Vorhaben informieren und dafür einen Ansprechpartner stellen. Neben der Großmoschee hat eine weitere Kölner Gemeinde einen Antrag gestellt.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker begründete ihren Vorstoß in einem Rundschau-Interview im Dezember: „Für mich war das eine natürliche Entwicklung, zumal wir schon länger als ein Jahr mit den Moscheegemeinden gesprochen haben. Es sollte anlässlich des 60-jährigen Bestehens des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens starten. Ich will damit den fast hunderttausend Musliminnen und Muslimen ein Zeichen von Wertschätzung und Achtung übermitteln. Und wir haben das Modellprojekt erst einmal gestartet und damit die Diskussionen eröffnet.Ehrlich gesagt, ist das für mich selbstverständlich.“

Nach der offiziellen Eröffnung der Moschee durch den türkischen Präsidenten Erdogan war das Verhältnis zwischen Gemeinde und Stadtspitze deutlich abgekühlt. Der Diskussionsfaden schien gerissen. Gehen beide Seiten mit dem Muezzin-Ruf wieder einen großen Schritt aufeinander zu?

Meine Wahrnehmung ist: Nicht das Verhältnis zwischen Moschee-Gemeinde und Stadtspitze war schlecht, sondern die Debatte um die Ditib als Bundesverband hat zu Verstimmungen geführt. Hinzu kamen Kommunikationspannen. Ich glaube, mit der Stadt haben wir als Gemeinde und als Ditib immer ein gutes Verhältnis gehabt. Es gibt grundsätzlich seit Jahrzehnten eine gute Zusammenarbeit. Darüber, was diese Moschee für die Stadt bedeutet, waren wir uns immer einig. Daher ist es wichtig, dass sich die Zentralmoschee als Kölner Moschee in Kooperation mit der Stadt stärker einbringt. Hierzu sind wir ständig im Gespräch. Im Übrigen haben wir – einmalig in Deutschland – das Moschee-Forum mit verschiedensten Angeboten und Kooperationsmöglichkeiten gegründet. Eine der bundesweit größte Impfaktion außerhalb der Zentren im Mai letzten Jahres ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie die Zentralmoschee nicht nur wichtige Angebote fürs Veedel übernimmt, sondern als bundesweiter Vorreiter anderen Moscheen Optionen und damit Türen öffnet.

Rechnen Sie mit Protesten, wenn sie den Muezzin-Ruf Ende März in Ehrenfeld aufnehmen werden?

Das kann sein. Kurz nach dem Vorschlag von Frau Reker hatten wir eine kleine Demo vor der Moschee. Rund 20 Personen hatten sich versammelt. Wir respektieren selbstverständlich kritische Stimmen, sind offen für andere Meinungen. Was wir uns nur wünschen, ist, dass dadurch nicht der Betrieb der Moschee behindert wird. Die Gläubigen sollen ungehindert zum Gottesdienst kommen können. Ich mache mir da aber keine großen Sorgen. Wir haben in Köln zu dem Muezzin-Ruf eine Debatte erlebt, die wesentlich sachlicher verlief als an anderen Standorten. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass wir alle der neuen Entwicklung in gegenseitigem Respekt begegnen werden.

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