Abo

„Zerrüttetes Verhältnis“Was Kölner Katholiken zur päpstlichen Prüfung sagen

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Ein Bild aus besseren Zeiten: Kardinal Woelki mit dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße 2018.

Köln – Die Entscheidung dürfte schon vorher gefallen sein. Doch hätte es für Rom noch eines Zeichens bedurft, um im Erzbistum Köln einzugreifen, die Düsseldorfer Gemeinde St. Margaretha hat es am Donnerstagabend geliefert. Der Weg zu einem Gespräch mit der Gemeinde, aus deren Reihen  er mit einem Offenen Brief  von der Firmung ausgeladen wurde, führte Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki durch ein Spalier von Gläubigen. Sie zeigten ihm die Rote Karte. „Da kann man ja gar nicht mehr miteinander reden“, sagte Woelki.

Richtig, kann man nicht mehr. Der Gesprächsfaden zwischen Hirte und Herde ist abgerissen. Alle Versuche, ihn wieder und wieder aufzunehmen, dürfen als gescheitert angesehen werden. Wie vorher schon mit Vertretern der Bewegung Maria 2.0 oder des Diözesanrates, so nun auch mit Gemeindemitgliedern in Düsseldorf: „Es hat sich nicht wirklich etwas bewegt“, berichtet Teilnehmer Peter Barzel der Rundschau vom Gespräch mit Woelki: „Es fehlt ihm an seelsorgerischem Gespür.“ Viele an der Basis hoffen nun auf neue Gesprächspartner. Auf die Visitatoren. Geschickt vom Papst.

„Dann werden wir uns selbst darauf setzen“

Sollten Anders Kardinal Arborelius und Bischof Johannes van den Hende, die Apostolischen Visitatoren, die Laien im Erzbistum Köln noch nicht auf dem Plan haben, „dann werden wir uns selbst darauf setzen“, verspricht Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses Köln. Zerrüttet ist das Verhältnis zwischen Erzbischof und Laien. Schon vor Monaten hat Stiels dafür ein Bild geprägt: „Er ist ein Hirte ohne Herde.“ Das Signal aus Rom hatte er längst herbeigesehnt: „Es ist notwendig, dass nun endlich einer von  außen drauf schaut.“ Und seine Erwartungen sind nicht gering: „Danach muss sich etwas verändern.“

Alles zum Thema Rainer Maria Woelki

Nicht weniger erwartet Tim Kurzbach, Vorsitzender des Diözesanrates: „Eine Apostolische Visitation kommt sehr selten vor. Sie unterstreicht, dass auch in Rom verstanden wird,  der Kontakt zwischen Gemeinden und Bistumsleitung ist schwer geworden.“

Nicht erst seit gestern

Katholikenausschuss und Diözesanrat sind bereit.  Nicht erst seit gestern. Ihre Agenda steht  schon lange:  Übernahme von moralischer Verantwortung in den Missbrauchsfällen, nicht nur eine juristische Aufarbeitung. Eine Zusammenarbeit mit den Laien auf Augenhöhe, nicht mehr nur von oben herab. Und Gleichstellung  der Frauen, nicht nur wenn es gilt, das Gemeindeleben aufrecht  zu erhalten.

Marianne Arndt lacht, als sie den Hörer abhebt.  Als löse sich eine hartnäckige Anspannung:  „Ja, ich weiß schon warum Sie anrufen“, sagt die Gemeindereferentin und Aktivistin  von Maria 2.0.  Die Kunde von der Apostolischen Visitation hat sich wie ein Lauffeuer an der Basis ausgebreitet. „In einem Brief an Rom hatten wir genau darum gebeten.“ Sie hätte sich nur gewünscht, Rom hätte schneller reagiert. „Das hätte uns viele blaue Flecken erspart.“  Anfang Mai hat Arndt in Köln  eine Predigt gehalten, in einer Messe, zelebriert von einem Jugendfreund Kardinal Woelkis: Pfarrer Franz Meurer. Ein Akt des offenen Widerstands, denn Frauen dürfen nach Kirchenrecht in Messen nicht predigen.  „Und hätten wir Frauen nicht immer wieder den Mund aufgemacht, der Kardinal und die seinen hätten die Probleme einfach ausgesessen“, ist sie sich sicher.

Doch was, wenn die Visitatoren zu den Schluss kämen, der  Kardinal hat alles richtig gemacht? Mit dem Missbrauchsgutachten hat er zur Aufklärung sexueller Gewalt weit mehr getan als die meisten deutschen Bistümer bisher. Theologisch liegt er nicht überquer mit Rom. Siehe den Erlass der Glaubenskongregation, wonach die Segnung homosexueller Paare nicht in Einklang stehe mit der katholischen Lehre. „Das wäre tragisch“, sagt Arndt. Und sie kann  es sich auch nicht vorstellen. „Nicht, wenn die beiden gesandten Bischöfe den offenen und ehrlichen Dialog mit der Basis suchen.“

Dem Kardinal freundschaftlich verbunden

Und wohl auch nicht, wenn sie mit den Priestern sprechen. Franz Meurer ist  dem Kardinal von Kindesbeinen an freundschaftlich verbunden, sind sie doch beide groß geworden in der Bruder-Klaus-Siedlung in Köln-Mülheim. An der Freundschaft hat sich nichts geändert: „Er ist eine ehrliche Haut“, sagt  Meurer über seinen Bischof. Und so gibt er ihm einen ehrlich gemeinten,  freundschaftlichen Rat: „Lieber Rainer, geh in eine Pfarrei, damit du noch ein schönes Leben haben kannst.“  Denn als Bischof so weiter zu machen, „das geht nicht mehr“, so Meurers Einschätzung. „Er muss jetzt aus der Sackgasse raus, erkennen, dass sein Weg falsch ist.“ Die Visitation könnte der Wendepunkt sein. „Endlich“, sagt Meurer. Für ihn ist das  Zeichen vom Papst fast schon überfällig: „Die Menschen haben nicht mehr verstanden, warum da denn keiner reagiert in Rom.“ Auf den tiefen Riss im Erzbistum.  Und auf die vielen Austritte.

Das könnte Sie auch interessieren:

Thomas Frings will der Visitation  nicht vorgreifen. Doch der Priester und  Großneffe des berühmten Kölner Kardinals mahnt: „Es kann nur ein Ergebnis geben.“ Warum? „Bischöfe prüfen einen Bischof. Da geschieht genau das, was der Kirche so viele vorwerfen: Es bleibt alles intern“, sagt der Priester, der sich jüngst mit der Segnung homosexueller Paare in Köln gegen die Glaubenskongregation stellte. Würde es also nicht in einem Rücktritt Woelkis münden, „dann wäre das ein Desaster für die Kirche“. Und er wünsche sich einfach keinen weiteren Schaden mehr für seine Kirche, sagt Frings.  

Rundschau abonnieren