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15 Jahre nach TerroranschlagDemonstranten fordern Mahnmal auf Keupstraße

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Einen Blick hinter die Mauer auf das Wunschgrundstück fürs Mahnmal ermöglichte die IG Keupstraße.

Einen Blick hinter die Mauer auf das Wunschgrundstück fürs Mahnmal ermöglichte die IG Keupstraße.

Köln – „Mahnmal hier und jetzt – sofort“, skandieren Demonstranten am 15. Jahrestag des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße. Ein Podest haben die Unterstützer des Standortwunsches der Interessengemeinschaft (IG) Keupstraße an der Ecke Schanzenstraße aufgebaut, damit jeder einen Blick über die Mauer auf das Privatgrundstück werfen kann, das nicht für das Mahnmal freigegeben wird. Es kommt zu einer brenzligen Situation, als Aktivisten eine Leiter über die Einfriedung heben.

„Die Aktion ist nicht angemeldet“, erklärt eine Polizeibeamtin, die gleichzeitig den „Hausfriedensbruch“ stoppen und die Fotografen von der Fahrbahn zurückhalten muss.

Einer, der den Protest mit der Kamera festhält, ist der Künstler Ulf Aminde, er gewann vor drei Jahren den Wettbewerb für die Gestaltung des Mahnmals. Sein Entwurf ist immer noch nicht umgesetzt, denn die Stadt hat keinen Zugriff auf das Grundstück, und von der Eigentümergemeinschaft kamen bisher keine Informationen über die geplante Nutzung des Filetstücks im Herzen von Mülheim. „Das Mahnmal muss dort stehen, damit niemand daran vorbeikommt, der unsere Straße sonst meidet“, sagt die IG-Vorsitzende Meral Şahin bei der Podiumsdiskussion im Schauspiel-Depot auf dem Carlswerk-Gelände.

Alles zum Thema Henriette Reker

Dort erklären die Nebenklage-Vertreter im NSU-Prozess, Seda Başay-Yildiz und Mehmet Daimagüler, warum ihr Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat erschüttert ist. Der Anwalt Eberhard Reinecke, ebenfalls ein Nebenkläger-Vertreter, widerspricht dem Eindruck, der Staat habe kein Interesse, rechtsterroristische Netzwerke zu durchleuchten und stelle geheime Nachrichtendienstoperationen über die Aufklärung von NSU-Verbrechen.

Enttäuscht äußert sich Reinecke aber, dass es nicht gelungen sei, einen staatlichen Fonds aufzulegen, um die erlittenen materiellen Schäden von Terroropfern auszugleichen, etwa die von Hasan Yildirim, Inhaber des Friseurladens, vor dem Rechtsterroristen die Bombe explodieren ließen. „Das Urteil im NSU-Prozess stellt die Bewohner und Geschäftsleute der Keupstraße nicht zufrieden“, sagt der türkische Generalkonsul Ceyhun Erciyes. Umso wichtiger sei, die Erwartung zu erfüllen, dass ein Mahnmal errichtet wird.

Flugblätter: Keine Spur von den Tätern

Im Vorfeld des Gedenktages haben bislang Unbekannte rechtsradikale Flugblätter in Briefkästen der Keupstraße gesteckt, in denen weitere Anschläge angedroht wurden. Bisher hat die Polizei keine Spur, die zu den Verfassern führen könnte. „Wir haben keine Erkenntnisse und ermitteln in alle Richtungen“, sagte eine Polizeisprecherin auf Nachfrage der Rundschau.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker verurteile die Schreiben aufs Schärfste, ebenso der Stadtsuperintendent der evangelische Kirche, Rolf Domning, zeigte sich entsetzt von dem „unerträglichen Aufruf “.

Zur Standortsuche für das Mahnmal sagt Reker: „Wenn wir dafür einen geeigneten Standort finden wollen, müssen alle Beteiligten darüber im Dialog bleiben.“ Zugleich akzeptiere sie aber , dass die IG Keupstraße weiterhin an dem privaten Baugrundstück festhalte, auf dass die Stadt keinen Zugriff habe.

Als es 15.56 Uhr ist – am 9. Juni 2004 war das der Moment der Explosion – beginnt in der Keupstraße eine Schweigeminute. Anschließend steigen 15 weiße Tauben auf, eine für jedes Jahr, das seit dem Nagelbombenanschlag vergangen ist. An die Birlikte-Festivals, die etwa 70 000 Besucher in die Keupstraße zogen, konnte die Gedenkveranstaltung zum 15. Jahrestag nicht anknüpfen. Viele Plätze an der langen Tafel blieben leer.

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