188-Millionen-Euro-ProjektSanierung der Mülheimer Brücke in Köln hat begonnen

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Ein Stahlfachwerk unter der Mülheimer Brücke soll die Traglast wesentlich erhöhen.

Ein Stahlfachwerk unter der Mülheimer Brücke soll die Traglast wesentlich erhöhen.

Köln – Die Mülheimer Brücke ist müde. Nein, kein Grund zur Panik. Noch lange nicht so müde, wie die eingestürzte Morandi-Brücke in Genua wohl war. Doch wenn es mit dem Verkehr so weitergeht, dann könnten vor allem die Bauteile aus dem Jahr 1929 doch irgendwann mal in die Knie gehen.

Immer höher wird die Last durch immer mehr Lkw. Das konnte vor 90 Jahren keiner voraussehen. Und hätte ein Statiker beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Lasten gerechnet, von denen Verkehrsplaner heute ausgehen, er wäre wohl vom Hof gejagt worden. 

Mühlheimer Brücke – Ein 188-Millionen-Euro-Projekt

Doch nun ist die Zeit reif für die Mülheimer Brücke. Sie wird fit gemacht für die Zukunft. Die Generalsanierung läuft. Die erste in der Nachkriegszeit an einer Rheinbrücke, für die die Stadt Köln verantwortlich zeichnet. Ein 188-Millionen-Euro-Projekt.

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Der Autofahrer hat es vielleicht noch nicht bemerkt, aber die Sanierung hat schon begonnen. Die Planer sprechen von der Phase Null. Klingt nach Vorbereitungsarbeiten. Doch das hört der Projektleiter Björn Krause von der ausführenden Firma Implenia gar nicht gern: „Wir bereiten nichts mehr vor, wir stecken schon knietief in der Arbeit.“ 

Und in der Tat, in den Hallen unter der rechtsrheinischen Rampe tanzt der Presslufthammer. Die Hallen werden entkernt. Kanalrohre werden ausgehoben, Leitungen verlegt. Handfeste Arbeiten sicherlich. Doch gemessen an dem, was noch kommt, gerade mal ein Stimmen der Instrumente.

Die Bauabschnitte im Detail

Der Reihe nach: Die einzelnen Brückenabschnitte vom Linksrheinischen über den Strom ins Rechtsrheinische. Die Deichbrücke: Für sie gibt es keine Rettung mehr. Sie stammt vollständig aus dem Jahr 1929, inklusive der Gründung. Der verbaute Stahl ist ermüdet und verrostet.

„Wir könnten ihn nicht einmal mehr schweißen, weil seine Qualität eine Bearbeitung mit heutigen Schweißgeräten nicht mehr zulässt“, sagt Vjeran Buric, Diplom-Ingenieur und Leiter der Projektgruppe Sanierung der Rheinbrücken bei der Stadt Köln. Kurzum, die Deichbrücke wird neu gebaut, inklusive der Fundamente.

Bei der Flutbrücke kann Buric kurz aufatmen: „Das ist sicherlich das einfachste Bauteil.“ Neuer Korrosionsschutz, neuer Asphalt, neue Lager. Fertig. So billig kommt er bei der Strombrücke nicht davon. Hier erreichen vor allem die Verstärkungsmaßnahmen der Brücke ihren Höhepunkt. In die hohlen Pylone werden Rahmen eingesetzt.

Die Hängeseile der Querung werden ausgetauscht. Auf der Unterseite der Brücke wird ein Stahlfachwerk eingearbeitet, das weit mehr Kräfte aufnehmen kann, als einige der jetzigen Stahlträger, die unter der Brücke angeordnet wurden. 1000 Tonnen zusätzliches Gewicht entstehen durch das neue Fachwerk.

Gerüste statt Schiffe

Ein Großteil der Arbeiten wird über aufgehängte Gerüste erledigt. „Es gab auch mal Überlegungen, von Schiffen aus die Arbeiten unter der Strombrücke anzugehen“, sagt Buric. „Aber wir wären zu stark von Wasserständen und Witterung abhängig gewesen.“

Die Fahrradwege auf der Strombrücke haben Tücken. Sie führen um die Pylone herum. Der Gegenverkehr, den es eigentlich nicht geben sollte – auf der Mülheimer Brücke herrscht Richtungsverkehr auch für Zweiräder –, ist schlecht einsehbar. Der Bogen um die Pylone, den der Weg macht, wird erweitert.

Direkt an den Pylonen haben die Ingenieure nochmals 1,40 Meter an Wegbreite herausgeholt. Dafür haben sie um jeden Zentimeter gerungen. Beispielsweise werden die neuen Geländer nicht mehr auf die Oberseite der Brücke stehen, sondern vor die Seiten montiert. Die Abgrenzungen zur Fahrbahn sind in ihrer Dicke minimiert.

Historie

Am 19. Mai 1927 wurde mit dem Bau der ersten Mülheimer Brücke begonnen. Oberbürgermeister Konrad Adenauer eröffnete sie 1929. Schon damals gab es auf ihr Schienenverkehr. Die Brücke wurde auf Veranlassung Adenauers mit einer platina-grünen Farbe gestrichen. Die heute als Kölner Brückengrün bekannte Farbe wird für alle Brücken, die sich im Eigentum der Stadt Köln befinden, noch immer verwendet.

1944 wurde die erste Mülheimer Brücke bei Bombenangriffen zerstört. Fünf Jahre später begann der Neubau nach einem Entwurf des Architekten Wilhelm Riphahn. Sie wurde als „echte Hängebrücke“ konzipiert. Adenauer – nun Bundeskanzler – gab sie 1951 für den Verkehr frei.

Bei alledem muss dem Denkmalschutz, unter dem die Mülheimer Brücke steht, Rechnung getragen werden. So wird die Höhe der neuen Geländer den heutigen Normen entsprechen, die Optik wird die alte bleiben.

Die rechtsrheinische Rampe: Um sie steht es nicht besser als um die Deichbrücke auf der anderen Seite. Lediglich der Trog, in dem die Stadtbahnen unter den Wiener Platz fahren, steht gut da. Er wurde in den 1990er Jahre geschaffen und wird erhalten bleiben. Während um ihn herum alles abgerissen und neu gebaut wird, bleibt der Trog stehen. Während der Arbeiten wird er separat abgestützt und gelagert.

Wanderbaustelle auf der Brücke

„An dem Trog ist auch gut erkennbar, warum Überlegungen, neben der Mülheimer Brücke eine neue Rheinquerung zu bauen, verworfen werden mussten“, erklärt Buric. „Wir würden den Bahnanschluss an den Wiener Platz nicht hinbekommen.“

Ein Haufen Arbeit liegt also noch vor den Sanierern angefangen von der Deich- über die Flut- und Strombrücke hin zur rechtsrheinischen Rampe. Allein, sie kann in dieser Reihenfolge nicht erledigt werden, denn der Verkehr muss weiter über die Mülheimer Brücke rollen. Eine Sperrung ist undenkbar, schon wegen der großen Pendlerströme aus dem Bergischen. 

Darum wird es eine Art Wanderbaustelle auf der Brücke geben. Von Süd nach Nord arbeiten sich die Sanierer vor. Ab kommenden Jahr wird es die ersten verkehrlichen Einschränkungen geben. Dann werden der südliche Rad- und Gehweg und die beiden südlichen Fahrbahnstreifen wegfallen. Der Verkehr rollt über die beiden nördlichen Fahrstreifen – eine Fahrbahn in Richtung Westen, eine in Richtung Osten.

Zwischen den Oster- und Sommerferien 2020 wird es eine Phase geben, in der sich die Arbeiter dem Mittelteil der Brücke annehmen, Die KVB kann mit ihren Stadtbahnen also nicht mehr die Mülheimer Brücke passieren. Busse werden zum Ersatz fahren. Der Verkehr rollt in diesen Monaten über eine südliche und eine nördliche Fahrbahn. Schließlich ist die nördliche Seite der Mülheimer Brücke dran.

Eigentlicher Baubeginn im Herbst

Etwas Zeit ging schon verloren, weil nach der Vergabe der Arbeiten Beschwerde gegen die Ausschreibung eingelegt wurde. Eigentlich hätte Phase Null schon im vergangenen Herbst und nicht erst im Mai starten sollen. Der Rechtsstreit ist mittlerweile geklärt. „Wir ziehen nun schon alle möglichen Arbeiten aus Phase 1 vor“, sagt Projektleiter Björn Krause. „Wir versuchen, die Abläufe flexibel zu halten.“

Die Planung geht davon aus, dass im Jahr 2022 alles fertig ist. Dann könnte die Mülheimer Brücke auch wieder von Lkw befahren werden, die mehr als 30 Tonnen auf die Waage bringen. Ein wichtiger Aspekt angesichts der Beschränkungen auf der Leverkusener Brücke. Doch Buric warnt, wenn es um das Datum geht: „Wir arbeiten im Bestand. Das ist immer wie mit einer Wundertüte: Man weiß nicht, was einen erwartet.“

Sollte dann eines Tages alles getan sein, dann soll die Mülheimer Brücke für die nächsten 100 Jahre halten – so sieht es die Planung vor. „Dafür dürfen aber die Achslasten vor allem der Lkw nicht noch mehr zunehmen, als es jetzige Prognosen vorsehen“, sagt „Brückenchef“ Buric.

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