50 Jahre Frauenbewegung in KölnAlice Schwarzer lud zur Jubiläumsfeier

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50 Jahre Frauenbewegung in Köln feierten (v. l.): Henriette Reker, Alice Schwarzer, Katarina Barley und Juliane Seifert.

Köln – Alice Schwarzer rang um Worte. „Ich hätte mir damals nie erträumt, was wir bis heute erreicht haben“, begrüßte die Pionierin zur Feier „50 Jahre Frauenbewegung“ am Frauen-Media-Turm. Als Geburtsstunde gilt die Kampagne „Wir haben abgetrieben“, ein Selbstbekenntnis von 374 Frauen, das am 6. Juni 1971 in der Zeitschrift „Stern“ erschien. „Die Frauenbewegung ist die soziale Bewegung, die das gesellschaftliche Leben am meisten verändert hat“, zitierte Schwarzer nun die Nachwirkung in den Worten des Publizisten Rudolf Augstein.

Zweitägiges Programm in Köln

Gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker, EU-Parlaments-Vizepräsidentin Dr. Katarina Barley und der Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, Juliane Seifert, eröffnete Alice Schwarzer das zweitägige Programm. „Es hat 2000 Jahre gedauert, bis wieder eine Frau das Schicksal unserer Stadt in die Hand nahm“, kündigte die Gastgeberin OB Reker an. „Stadtgründerin Agrippina hat zwar einen schlechten Ruf, aber den haben eigentlich alle Frauen, die Macht haben“, schob Schwarzer nach und hatte die Lacher auf ihrer Seite.

„Durch mutige, visionäre und engagierte Frauen ist viel erreicht worden, aber noch nicht genug“, meinte die Oberbürgermeisterin. Reker war 14 Jahre alt, als der provokante Stern-Titel erschien, alt genug, befand ihre Mutter, eine engagierte Sozialdemokratin, mit ihr das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu diskutieren.

Alles zum Thema Henriette Reker

Dass das Gesetz, das Frauen zur Führung des Haushalts verpflichtete und Ehemännern das Recht gab, ihnen Berufstätigkeit zu verbieten, erst 1977 abgeschafft wurde, wunderte Reker im Rückblick. „Leider muss ich heute noch jungen Frauen erklären, warum es wichtig ist, dass sie selbstständig bleiben“, berichtete die Oberbürgermeisterin.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Juliane Seifert, fünf Jahre alt zur Zeit der Stern-Kampagne, nannte auf der Habenseite gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauenförderung, besseren Schutz bei häuslicher Gewalt, wenn auch die Umsetzung noch zu wünschen übrig lasse. Andererseits alarmiert die Staatssekretärin, dass Frauen „erschreckend gering“ in der aufstrebenden Digitalisierungsbranche vertreten sind. „Künstliche Intelligenz wird von Menschen programmiert, nach ihren Bedürfnissen, und das sind zu über 80 Prozent Männer“, gab Seifert zu bedenken.

„Erst seit ich in Brüssel tätig bin, erfasse ich die Dimension der neuen rückwärtsgewandten Bewegungen in Polen, Ungarn und im US-Bundesstaat Texas, der kürzlich das Abtreibungsgesetz massiv verschärfte“, sagte Katarina Barley, Jahrgang 1968, deren Mutter bei Pro Familia arbeitete. Sie schilderte das Ringen um die Zustimmung konservativer Politiker, Schwangerschaftsabbrüche als EU-Menschenrecht zu verankern . „Wir haben mächtige Gegner aus vorwiegend fundamentalistischen evangelikalen Kreisen, die sehr klug die Werkzeuge moderner Kommunikation nutzen, um Druck zu machen“, erklärte Barley. Die 78-jährige Alice Schwarzer sorgt sich, dass die Geschichte der Frauenbewegung verloren geht. Deshalb teilten sie und fünf weitere Pionierinnen Zeitzeuginnen-Berichte, die ebenso filmisch dokumentiert wurden wie die Gesprächsrunden zu Themen wie Zukunft der Frauenarbeit, oder sexualisierte Gewalt und „Männlichkeitswahn“.

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