Absturz bei BundestagswahlWarum Volt in Köln so viele Wähler-Stimmen verloren hat

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Köln – Vier Tage nach der Bundestagswahl herrscht Trotz bei Volt Köln, auf Facebook schreibt die Partei zum dünnen Wahlergebnis in Deutschland und Köln: „Et hilft ja nix.“ Und: „Show must go on.“ Es muss weitergehen, trotz des miesen Wahlergebnisses von 0,4 Prozent in Deutschland und 1,01 Prozent in Köln. Vor allem bleibt diese eine Frage: Warum profitiert die Partei in Köln nicht davon, dass sie mit Grünen und CDU ein Mehrheits-Bündnis im Stadtrat bildet und präsenter ist andere Kleinparteien? Warum hat sie dadurch nicht Stimmen gewonnen seit der Kommunalwahl 2020? War es das mit dem Aufschwung? Wird Volt die nächste Piraten-Partei, folgt auf steilen Aufstieg der Absturz?

Volt kündigt gegenüber der Rundschau eine kritische Analyse an, die Partei sagt: „Was feststeht ist, dass dieses Ergebnis nichts an der Tatsache ändert, dass es Volt als Partei und Bewegung in Europa braucht.“

Das ist die Idee von Volt, voriges Jahr bei der Kommunalwahl plakatierte die Partei Slogans wie „Fahrrad fahren wie in Kopenhagen?“ oder „Digitale Verwaltung wie in Estland?“ Doch Uwe Jun, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Trier, sagt: „Volt braucht ein emotionales Thema, das die Menschen bewegt, in Deutschland ist das nicht der Fall, mehr oder weniger sind alle Parteien bis auf die AfD für Europa.“

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Ein Minus von gut 72 Prozent

Tatsächlich ist Volt im Vergleich zur Kommunalwahl im Vorjahr in Köln abgestürzt: Statt 20 783 Menschen (4,98 Prozent) waren es Sonntag vor gut zwei Wochen nur noch 5733 Stimmen (1,01 Prozent). Ein Minus von gut 72 Prozent. Zur Einordnung: Das neue Team Todenhöfer holte nur drei Stimmen weniger.

Köln ist damit aber keine Ausnahme, unter anderem in Bonn und Münster gehört Volt ebenfalls zu Mehrheits-Bündnissen und hat bei der Bundestagswahl Stimmen verloren: In Bonn waren es voriges Jahr noch 5,07 Prozent, in Münster 2,61, doch ein Jahr später kommt auch dort der Absturz Richtung Ein-Prozent-Marke: Münster (0,93 Prozent) und Bonn (1,06 Prozent).

Politikwissenschaftler: Drei Gründe für den Absturz

Thomas Zittel, Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der Goethe-Uni Frankfurt und mit Lehrstuhl an der New York University, sieht drei Gründe. Erstens: Kommunal- oder Europawahlen sind Wahlen, in denen weniger auf dem Spiel steht, der Wähler mehr wagt und neue Parteien wie Volt profitieren. Das überträgt sich nicht auf den Bund. Zweitens, sagt Zittel: „Volt hat evidenzbasierte Politik proklamiert, die sich an Fakten und Problemlösungen orientiert, statt an ideologischen Grundpositionen. Das ist traditionell eine Erwartung, die auf der kommunalen Ebene stark von den Wählern geteilt wird.“ Aber eben nicht bei Bundestagswahlen. Und drittens gibt es laut Zittel im Parteiensystem „kein wirklich weltanschauliches Vakuum, in das Volt stoßen könnte und im Parteienwettbewerb eine ungesättigte Nachfrage bedienen könnte“. Da bleiben die Grünen das Original.

Droht Volt also eine Geschichte wie den Piraten, die 2011 und 2012 erst in vier Landtage einzogen, unter anderem in NRW, und dann abschmierten gen Bedeutungslosigkeit? Wobei die Piraten anfangs deutlich erfolgreicher waren, ihr Thema war die Digitalisierung. Jun von der Uni Trier sagt: „Wie Volt fehlte den Piraten auf Dauer ein emotionales Thema, das war die Digitalisierung vor allem damals nicht.“ Als Erfolgsrezepte sieht er bekanntere Köpfe, Volt selbst will laut eigener Aussage „langfristig überzeugen“.

Volt sieht Schaden durch Klüngelaffären

Bemerkenswert fällt die Analyse von Volt aus, warum die Partei nicht vom Bündnis mit Grünen und CDU profitiert. „Zum einen schadet Volt als Partei diese Sichtbarkeit, wenn der Parteiname im Zuge von Klüngelaffären bei Bündnispartnern genannt wird, wie es im vergangenen Sommer der Fall war.“ Das ist ein klarer Seitenhieb gegen die CDU und ihren Geschäftsführer Niklas Kienitz, dem seine Beteiligung an der Stadtwerke-Affäre ein schlechtes Ergebnis bei der Wahl zum Stadtentwicklungsdezernenten einbrachte – einer Wahl, bei der Volt ja für Kienitz stimmte und jetzt von Klüngelaffäre spricht. Später zog Kienitz zurück, führte Bedrohungen an, die Bezirksregierung sprach ihm in einem öffentlich gewordenen Gutachten auch die Eignung ab.

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Am Wahltag hatte Volt Köln auch einen Wahlaufruf veröffentlicht, darin sein Verhältnis zu anderen Parteien erklärt, zur CDU schrieb die Partei, versehen mit einem Smiley, aber trotzdem klar: „CDU? Würde hier den Rahmen sprengen.“ In Köln hat Volt aber offenkundig kein Problem mit einer Zusammenarbeit.

Volt verweist auf das beste Bundestagswahlergebnis der Grünen in Köln, das lasse darauf schließen, die Bürger honorierten das Bündnis: „Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir sowohl als Partei als auch als Fraktion im Rat und kleinster Bündnispartner die Kölner*innen besser erreichen und unseren Einfluss sowie unsere Erfolge in der Kommunalpolitik zukünftig kommunizieren müssen.“ Es ist die Frage, die Volts Zukunft in Köln entscheiden könnte.

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