Alles noch schlimmer?Händler haben genug vom Drogen-Hotspot Neumarkt

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Nähe Drogenkonsumraum Neumarkt

Alltag am Neumarkt: Menschen beim Konsum von Drogen

Köln – Seit elf Jahren betreibt Mehmet Kizil seine Bäckerei nahe dem Gesundheitsamt am Drogen-Hotspot Neumarkt – doch jetzt hat Kizil genug. Genug von Fäkalien vor dem Eingang, die er laut seiner Aussage zwei bis drei Mal die Woche entfernen muss. Genug von aggressiven Drogenkranken, die seine Mitarbeiter und Kunden angehen. Und er hat genug von der Angst. Mehmet Kizil sagt: „Ich bin fix und fertig. Ich habe Angst. Wenn jemand meinen Laden haben will, gebe ich ihn gerne ab.“

Kizil ist kein Einzelfall, ähnlich äußert sich beispielsweise der Betreiber eines benachbarten Cafés, der anonym bleiben will. Vereinzelt berichten Nachbarn sogar, dass sie sich eine Schreckschusspistole gekauft hätten, weil sie nachts zur Arbeit fahren müssten und Angst haben. Oder sie wollen wegziehen, weil sie sich fürchten.

Nähe Drogenkonsumraum

Menschen konsumieren Drogen nahe des Neumarkts 

Die Drogenszene rund um dem Neumarkt: Alles wie immer oder sogar noch schlimmer? Trotz des neuen Drogenkonsumraumes, den die Stadt vor fünf Wochen nach viel Kampf im Gesundheitsamt eröffnet hat, damit die Suchtkranken in sauberen Räumen konsumieren können (siehe Info-Text)? Im Bericht zu den Drogenkonsumräumen NRW von 2020 steht als Ziel: „Somit werden konsumbezogene Verhaltensweisen, die zu einer Belastung der Öffentlichkeit führen, durch die Nutzung des Angebots minimiert.“

Der Drogenkonsumraum

2015 hatte die Stadt schon einen Drogenkonsumraum am Neumarkt angekündigt – doch es dauerte bis zum 20. Mai 2022 bis der Raum im Gesundheitsamt Realität wurde .

Zunächst hatte die Stadt keinen Vermieter in der Nähe gefunden, 2017 wollte sie ein Haus in der Thieboldsgasse anmieten – dagegen protestierten Anwohner und gründeten die Bürgerinitiative „Zukunft Neumarkt“. Später stellte die Stadt mobile Drogenräume in der Nachbarschaft auf. Der Drogenkonsumraum mit zwölf neuen Plätzen ersetzt sie (siehe Foto). Hinzukommen Duschen, Toiletten, Waschmaschine, Wäschetrockner und ein Aufenthaltsraum. (mhe)

Junkies Neumarkt

Sie hinterlassen Müll und verstecken offenbar Drogen im Umfeld. 

Braucht es nur noch mehr Zeit, bis das Konzept greift?

Nun sind 41 Tage seit der Eröffnung keine lange Zeit für eine finale Bewertung, der Neumarkt war schon vorher jahrelang ein Brennpunkt des Drogenkonsums mit alle seinen Auswüchsen. Deshalb hatte Gesundheitsdezernent Harald Rau im Mai betont: „Die Konsumräume alleine werden die Probleme des Neumarkts nicht lösen können.“ Doch nach den vergangenen Wochen stellt sich die Frage: Passt das etwa nicht zusammen – Drogenabhängigen zu helfen und trotzdem ein verträgliches und sicheres Umfeld für Anwohner und Geschäftsleute zu schaffen? Ist das halt so in einer Großstadt? Oder muss die Stadt in der Umgebung viel aktiver sein? Oder braucht es nur Zeit, bis das Angebot angenommen wird?

Aktuell hat der Raum etwa nur werktags von 8 bis 15.30 Uhr auf, das ist der Bürgerinitiave „Zukunft Neumarkt“ nicht genug, sie nennt die Situation „katastrophal“, der Raum habe die Situation nicht beruhigt, „das Gegenteil ist der Fall: Überall Abhängige, Dealer und Drogenmüll“, nachts brüllten sie, störten den Schlaf.

Veränderte Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums geplant

Aber liegt das am Drogenkonsumraum? Helfen tatsächlich längere Öffnungszeiten? Ab August soll das Angebot laut Stadt auf sechs Tage von 8 bis 18.30 Uhr und später auf sieben Tage ausgebaut werden. Aktuell sucht die Verwaltung Personal. Die Stadt teilt mit, die Situation habe sich nicht verschlimmert. „Darüber hinaus sehen wir, dass sich die Situation während der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraumes verbessert hat.“

Dreck am Neumarkt in Köln

Viel Dreck ist am Neumarkt enstanden. 

Anwohnerin Natascha Hertwig versteht das nicht: „Ganz im Gegenteil: Es wird immer schlimmer. Hätte ich nicht so eine schöne Wohnung und gäbe es freie Wohnungen, wäre ich weg.“ Von längeren Öffnungszeiten verspricht sie sich nichts, „das ändert nichts“. Das sieht Eva Gesigora, Vorsitzende von „akzept NRW“, grundsätzlich für Drogenkonsumräume anders. Der Verein setzt sich für eine akzeptierende Drogenarbeit ein, sie sagt: „Wenn es eine Möglichkeit zum Konsum gibt, wird die eigentlich auch genutzt.“

Tatsächlich ist die Meinung bei den Gesprächspartner nicht einheitlich, ob der Konsumraum mehr Menschen anzieht, die nach dem Konsum in der Umgebung bleiben, wieder in der Öffentlichkeit Drogen spritzen, Menschen belästigen. Mehrere Geschäftsleute und Anwohner geben schlicht das Wetter als Grund an. Die Polizei hat keinen Anstieg von Einsätzen verzeichnet, sie teilt mit: „Die Anwesenheit von Nutzern der örtlichen Drogenhilfeeinrichtungen führt aber auch dazu, dass sich drogenabhängige Menschen einfinden, die sich dort mit anderen Drogenkonsumenten treffen oder keine andere Bleibe haben.“

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Spricht man mit Betroffenen haben fast alle Verständnis für die Drogenabhängigen, sie teilen sie grob gesagt in Kategorien ein: die aggressiven und die nicht-aggressiven, die, die sie kennen, und die, die sie nicht kennen. Beispielsweise sagt Bäckerei-Betreiber Kizil: „Es geht mich nichts an, wie die Menschen leben, es tut mir auch weh, sie so zu sehen. Aber es geht mich etwas an, wenn sie mich und meine Mitarbeiter stören und verängstigen.“ Gesigora spricht sich dafür aus, die Bedürfnisse der Suchtkranken ernst zu nehmen, etwa Behältnisse für Spritzen aufzustellen.

Dezernent Rau hatte im Mai gesagt: „Außerdem hoffen wir, konsumbezogene Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit zu reduzieren und so die Bürger entlasten zu können.“ Er sprach aber von Jahren als Perspektive – es sind Jahre, die Menschen wie Kizil scheuen. Sie wollen weg.

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