Angst vor der zweiten WelleCorona-Krise trifft auch Kölner Reisebüros hart

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Seit über 40 Jahren führt Herbert Aschbeck das „Prismare“-Reisebüro.

  • Viele Reisebüros könnten einen erneuten „Lockdown“ nicht mehr auffangen.
  • Das Prismare-Reisebüro an der Weyerstraße steht bereits jetzt kurz vor dem Abgrund.
  • Um dem Trend etwas entgegen zu setzen, entwickelte „Prismare“ eigene Angebote – Wanderreisen etwa oder Städtetrips mit Kulturangebot.

Köln – Als es in Deutschland richtig losging mit der Corona-Krise, war Herbert Aschbeck noch mitten in Myanmar. Der Geschäftsführer des Prismare-Reisebüros an der Weyerstraße war auf einem selbst organisierten Wandertrip in Asien unterwegs, als ihn per Internet die ersten beunruhigenden Nachrichten aus der Heimat erreichten. „Da war dort noch kaum etwas zu spüren von der Pandemie. Man musste beim Einkaufen einen Mundschutz tragen, das war’s“, erinnert sich der gebürtige Wiener.

Auch bei der Ankunft am Frankfurter Flughafen ging noch alles einigermaßen reibungslos – richtig unheimlich wurde ihm erst während der Zugfahrt nach Köln. „Sechs Menschen mit Mundschutz im ganzen Wagen – erst da wurde mir richtig bewusst, was hier gerade passiert“, erzählt Aschbeck. Am 20. März war er zurück in Deutschland, fünf Tage später musste er Kurzarbeit für den Betrieb anmelden, den er bis dahin mit seiner Frau, einer Auszubildenden und einer Vollzeitkraft führte.

Bis heute nicht erholt

Erholt hat sich der Laden bis heute nicht. Aschbeck sitzt alleine hinter dem Schreibtisch. Die Eingangstüre ist verschlossen, wenn doch mal jemand kommt, wird natürlich geöffnet – „aber das passiert selten“. Was nicht heißt, dass er und seine Frau nichts zu tun hätten, im Gegenteil: die Flut an Stornierungen, Flugausfällen, überhaupt der Wegfall so gut wie jeder Reisemöglichkeit bringt Arbeit über Arbeit. „Unbefriedigende Arbeit“, wie Aschbeck betont, die darüber hinaus nichts einbringt.

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Die Reisebüros sind das Bindeglied zwischen Kunde und Veranstalter, sorgen dafür, dass bereits gebuchte Reisen so gut es geht wieder abgewickelt werden. Funktioniert mal gut, mal weniger gut – und manchmal überhaupt nicht. „Das größte Problem ist, dass bis heute kaum jemand erreichbar ist. Bei manchen Veranstaltern läuft seit Monaten dieselbe Bandansage: Wegen Corona ist niemand erreichbar, bitte eine E-Mail schreiben. Ergebnis: Null.“ Am schlimmsten seien die Fluggesellschaften.

Einbruch bei den Tourismus-Zahlen

Drastische Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Tourismus. Die Deutschen gelten als reiselustig, aber über Nacht wurde praktisch alles auf Null gefahren. Grenzschließungen, Ausgangsbeschränkungen,  und eine weltweite Reisewarnung brachten das Geschäft komplett zum Erliegen.

Betroffen davon sind Veranstalter, Reisebüros und sogenannte Reservierungsdienstleister. Allein in Deutschland gibt es nach Schätzungen über 13.000 Unternehmen in der Branche.

Bereits im ersten Quartal brachen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um gut ein Viertel ein, allerdings begann da gerade erst der weltweite Lockdown. Zum zweiten Quartal erwarten Experten einen dramatischen Einbruch.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter in den Büros stieg in den letzten Jahren immer weiter an bis weit in den sechsstelligen Bereich. Aktuell haben aber viele Firmen längst Kurzarbeit angemeldet oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. (two)

Manche Kunden haben viel Verständnis und reagieren gelassen, andere stehen direkt mit dem Anwalt auf der Matte. Verstehen kann Aschbeck den Zorn einiger Kunden, aber auch ihm sind die Hände gebunden. Immerhin, wenn es denn mal klappt mit der Kommunikation, geht es oft auch einigermaßen reibungslos. Viele Veranstalter bieten Gutscheine an, aber wer will sich schon auf nächstes Jahr vertrösten lassen, wenn noch nicht klar ist, was dann passiert?

Es ist nicht so, dass vorher alles glitzerte und glänzte in der Reisebranche. „Wir haben in den letzten drei, vier Jahren schon verloren.“ Nicht so dramatisch wie jetzt, wo ihm nach „vorsichtiger Schätzung“ 95 Prozent des Umsatzes weggebrochen sind. Aber die Kunden werden nicht jünger, das Internet bietet immer individuellere Möglichkeiten, so dass man sich mit einiger Recherche seine Reise auch zuhause zurechtbasteln kann. „Prismare“ setzt mehr auf Individual- und Städtereisen denn auf Pauschalurlaube, besonders auf die USA hatten sich Aschbeck und seine Frau konzentriert. „Das war schon mit Trump und ohne Corona schwierig. Aber jetzt...“

Jeden Tag mit einem weiteren „Hotspot“ rechnen

Um dem Trend etwas entgegen zu setzen, entwickelte „Prismare“ eigene Angebote – die eingangs erwähnten Wanderreisen etwa oder Städtetrips mit Kulturangebot. Damit setzte man sich etwas ab vom Mainstream und den Ballermann-Horden, konnte sich in gewissem Maße eine Nische schaffen, die von den Großen eher spärlich besetzt ist. Aber auch das ist jetzt weggebrochen.

Erste Anzeichen einer Besserung sind zwar erkennbar. „Aber wir müssen jeden Tag damit rechnen, dass wieder etwas hochkommt.“ Die Emirates etwa fliegen wieder Fernziele an, „aber dann wird Melbourne plötzlich zum Corona-Hotspot und ganz Australien ist wieder hinfällig“. Die meisten Kunden blieben momentan ohnehin lieber in Europa.

Spanien ist wieder angesagt

Spanien ist zurzeit einigermaßen angesagt, besonders die Kanaren, auch in Griechenland steigen die Touristenzahlen wieder an. Bei besonders hochpreisigen Angeboten wie den Malediven wird von einigen Veranstaltern sogar ein Shuttle-Service erwogen, der betuchte Kunden zu den Inseln bringt und wieder abholt. Auch der Inland-Tourismus boomt, aber da hat in der Regel kein Reisebüro etwas davon: „Wenn ich in den Schwarzwald will, rufe ich im Hotel an und frage nach einem Zimmer,“ sagt Aschbeck. Seit über 40 Jahren, seit 1979, gibt es das inhabergeführte Büro an der Weyerstraße. Die Corona-Hilfe des Landes wurde schnell bewilligt, aber sie hilft letztlich nicht wirklich weiter. Dem Vermieter ist er dankbar, der hat kurzerhand die Miete für den Laden über die Corona-Zeit reduziert. Und dennoch: Aschbeck und seine Frau leben im Moment größtenteils von Rücklagen aus den vergangenen Jahren.

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„Noch sind wir optimistisch“, sagt er. Wenn es langsam wieder bergauf ginge, sieht der Unternehmer eine – wenn auch wackelige – Perspektive. „Aber wenn noch mal eine zweite Welle kommt, werden wir zumachen müssen.“

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