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Anstrengend, spannend, einsam, verbindendSo war die Schulzeit im Ausnahmezustand

Lesezeit 7 Minuten
  • Die Corona-Krise hat zuletzt für besondere Monate gesorgt, auch Schulen waren davon selbstverständlich nicht ausgenommen.
  • Doch wie war es wirklich während der Pandemie? Was war neu? Was waren die Probleme?
  • Sechs Betroffene erzählen von ihren Erfahrungen.

Köln – Die Erstklässlerin

„Als ich gehört habe, dass wir nicht mehr in die Schule gehen durften, fand ich das doof. Ich habe gedacht: Wer soll einem denn jetzt alles richtig erklären? Die meisten Aufgaben haben meine Mama oder ich zum Glück verstanden. Wenn nicht, habe ich meine Schwester oder meinen Bruder gefragt. Meine Schwester wusste alles am besten. Trotzdem fand ich es besser, in der Schule zu sein.

Ich bin letztes Jahr erst in die Schule gekommen, und meine Klasse ist sehr nett. Deswegen ist es am schönsten, wenn wir nicht aufgeteilt sind. Zwischendurch waren wir in zwei Gruppen und hatten nur einen Tag in der Woche Unterricht in der Schule. Aber zum Schluss war alles wieder normal. Nur in den Pausen durfte man sich nicht mit anderen mischen.

Und man durfte nicht aussuchen, ob man auf das Klettergerüst oder auf die Rutsche geht. Immer durfte man nur auf einem Teil vom Schulhof sein. Dabei bin ich am liebsten auf dem Klettergerüst! Jetzt finde ich es aber auch schön, dass jetzt die Ferien anfangen. Ich bin nicht traurig darüber, dass die Schule vorbei ist. Ich weiß ja, dass sie nach den Ferien wieder losgeht!“

Lisa, 7, erlebte gleich im ersten Schuljahr den Ausnahmezustand.

Die Mutter

„Meine Kinder sind sieben bis 18 Jahre alt. Während der kompletten Schließung lief es zunächst total chaotisch. Eine Schule schickte Unterlagen per E-Mail, eine andere nutzte eine Lernplattform. Wir mussten wahnsinnig viel ausdrucken. Hätten wir nicht die Ausstattung dafür, wäre es schwierig geworden.

Normalerweise arbeite ich vormittags und an einem Nachmittag. Das habe ich nun umgestellt auf einen ganzen und einen halben Tag. So konnte ich mir die Zeit mit meinem Mann besser aufteilen. Gleichzeitig Arbeit und Kind – das funktioniert einfach nicht

Meine größeren Kinder lernten sehr autark. Für sie hätte ich mir mehr Rückmeldung von den Lehrern gewünscht. Den Kleinen zu motivieren, war schwierig. Er freut sich total, dass er jetzt wieder zu Schule gehen und seine Freunde sehen kann. Ich selbst frage mich, ob die Öffnung der Grundschulen vor den Ferien so wichtig war. Viele verreisen, weiß man, was wir dann nach Europa tragen? Insgesamt fand ich es schön, meine Kinder um mich zu haben und mehr Mahlzeiten gemeinsam zu essen. Auf die Ferien freue ich mich. Was danach kommt, kriegen wir dann auch hin.“

Verena Quitmann, 44, ist Mutter von vier Kindern.

Die Schulleiterin

„Die letzten Wochen waren total herausfordernd, spannend und extrem anstrengend. Besonders seltsam war es für mich, wochenlang das Schulgebäude so leer zu erleben. Nur zwei Kinder waren bei uns während der ersten Wochen in der Notbetreuung. Meine größte Sorge, wegen der ich manchmal nicht geschlafen habe, war: Können die Abiturienten alle ihre Prüfungen machen? Auch, ob wir alle Kinder erreichen und die Frage, was in den Familien passiert, hat uns beschäftigt.

Mitteilungen des Ministeriums kamen oft erst am Freitagnachmittag und mussten schon montags umgesetzt werden. Einmal habe ich freitags noch um 22.30 Uhr mit dem Leiter der Reinigungstruppe den nächsten Montag besprochen. Wir haben Pläne über Pläne gemacht. Zweimal haben wir das Lernen auf Distanz evaluiert und angepasst.

Bei der Öffnung waren wir zuerst nicht sicher, ob sich alle Schüler an die Regeln halten würden. Aber das klappte spitzenmäßig, wir konnten uns zu hundert Prozent auf sie verlassen. Wir haben aber auch gemerkt, wie wichtig Präsenzunterricht ist. Auf Distanz erreicht man nicht alle so, wie es sein müsste. Frustrierend war, dass wir wussten, dass die Kinder ein hohes Maß an Rückmeldungen und Korrekturen erwarteten, wir haben hier viel investiert aber das war in diesem Umfang einfach nur begrenzt zu leisten.

Wirklich positiv habe ich die Gemeinschaft untereinander empfunden. Lehrer, Lehrerinnen, Eltern, Schüler, Schülerinnen und der Träger haben sehr zusammengehalten. Krisenmanagement kann man nicht alleine stemmen! Jetzt bin ich k.o., aber echte Ferien wird es für mich nicht geben: Statt abzuschalten, werde ich ständig meine Mails lesen. Wir haben verschiedene Szenarien geplant. Aber es bleibt offen, wie es im nächsten Schuljahr weitergeht.“

Jacqueline Friker leitet das Erzbischöfliche Irmgardis-Gymnasium.

Die Lehrerin

„Anfangs dachte ich noch, dass nach Ostern alles normal weiterginge und war recht ruhig. Ich hatte mit meinen Schülern ohnehin einen guten Puffer aufgebaut. Telefonisch und per Mail war ich mit ihnen im Kontakt. Sie sollten die Zeit nutzen, um Defizite auszugleichen. Als sich abzeichnete, dass die Situation länger anhält, geriet ich aber doch in Sorge. Im digitalen Unterricht verliert man Schüler leichter, wenn sie nicht von sich aus sehr motiviert und organisiert sind.

Technisch ist unsere Schule gut aufgestellt. Trotzdem war es anstrengend, immer auf vielen Kanälen gleichzeitig zu kommunizieren! Ich nutzte mein iPad als Tafel, einen PC für die Chatverläufe, einen weiteren um zu sehen, wer sich gerade meldete. Es ist spannend, neue Methoden auszuprobieren, aber die Routine fehlt. Das fühlte sich manchmal an wie im Referendariat.

Ich vermisse auch die nonverbale Kommunikation, an der ich erkenne, wenn ich etwas noch einmal anders erklären muss. Ebenso fehlen lebhafte Diskussionen, die die Kreativität fördern und für die Demokratie wichtig sind. Digitaler Austausch ist weniger emotional. Man lernt dabei nicht, eine andere Meinung auszuhalten.

In den Ferien werde ich zwei Wochen mit meiner Familie wegfahren, darauf freue ich mich sehr. Aber meine Schüler wissen, dass sie mich auch während der Ferien erreichen können, wenn sie beim Wiederholen des Stoffes Fragen haben.“

Helma Willemsen unterrichtet am Erich-Gutenberg-Berufskolleg angehende Steuerfachangestellte.

Die Berufsschülerin

„Ich habe jetzt am Alfred-Müller-Armack-Berufskolleg den Abschluss 9. Klasse Hauptschule gemacht. Die erste Zeit mit Corona war schrecklich, wie im Gefängnis. Ich war fast nur zu Hause, allein und sehr traurig. Für die Schule hatte ich viel Stress. Die Lehrer haben Blätter geschickt, per Mail und per Post. Für jedes Fach sehr viele Blätter, die wir jeden Abend abgeben mussten. Das war sehr schwer.

Zuletzt hatten wir wieder Unterricht in der Schule, jede Woche drei Tage. Ich hätte mich auch für eine andere Schule anmelden müssen, um nächstes Jahr den Abschluss 10. Klasse Hauptschule zu machen. Wegen Corona habe ich dort niemanden erreicht. Wie man sich online anmeldet, wusste ich nicht.

Jetzt habe ich eine Aufnahmeprüfung gemacht und muss warten, ob ich noch einen Platz bekomme. Auch mein Deutschkurs in der Bénédictschule fiel lange aus. Ich konnte die Prüfung nicht machen und muss den Kurs wiederholen, weil ich viel verpasst habe. Auf die Ferien freue ich mich. Ich habe so lange niemanden gesehen. Jetzt werde ich wieder mit Freunden an den Rhein fahren, oder zum Neumarkt.“

Diana Mesho, 26, möchte  nach der Schule eine Ausbildung zur Straßenbahnfahrerin machen.

Der Hausmeister

„Hier kenne ich jeden Quadratzentimeter: Ich habe hier Abitur gemacht und arbeite neben meinen früheren Jobs seit über 40 Jahren ehrenamtlich in der Sternwarte und dem Planetarium der Schule. Mit Corona wurde es ruhiger, aber für mich ging es ganz normal weiter: die Schule instand halten, Handwerker koordinieren, Regale montieren, Türen reparieren und vieles erledigen, was sonst den Unterricht stört.

Die chaotische Informationspolitik der Landesregierung erforderte höchste Flexibilität. Mit der Teilöffnung haben wir Hygiene- und Wegekonzepte entwickelt, Bewegungsrichtungen markiert. Ich habe, auch für Nachbarschulen, Desinfektionsmittel und -spender geholt und verteilt. Wir mussten auch mal sonntags Möbel rücken, aber mein Kollegium hat mich grandios unterstützt und die meisten Räume selbst hergerichtet.

Die Abiturienten tun mir leid, weil sie keine normale Abiturfeier durchführen können. Das hat leider nur für mich einen positiven Aspekt: Ich muss keine durch Abikriege verursachten Beschädigungen beseitigen. In den Ferien nehme ich vier Wochen Urlaub, bleibe in Köln, genieße den Sommer und freue mich darauf, erst mal auszuschlafen!“

Stefan Nowak, 58, ist Hausmeister am Leonardo-da-Vinci-Gymnasium

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