Antisemitischer Flyer in KVBErmittlungen gegen jüdisches Gemeindemitglied eingestellt

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Samuel Ahren

„Ich habe es gut gemeint, aber die Folgen nicht bedacht“: Samuel Ahren vor der Synagoge an der Roonstraße.

Köln – Der „Flugblatt-Fall“ hatte bundesweit und international für Aufsehen gesorgt: Ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in Köln hatte auf Twitter das Foto eines Schreibens mit antisemitischen Hetzparolen verbreitet und sich über den Inhalt empört. Der Flyer war in einer KVB-Bahn ausgelegt worden. Die Kölner Staatsanwaltschaft hatte anschließend aus formalen Gründen ein Ermittlungsverfahren gegen Samuel Ahren (44) wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung eingeleitet. Besonders in den Zeitungen in Israel war der Fall tagelang ein großes Thema.

Distanzierung vom Inhalt der Hetzschrift erkennbar

Nun hat die Kölner Anklagebehörde die Ermittlungen eingestellt und beruft sich auf eine Ausnahmevorschrift im Strafgesetzbuch: „Nach dieser Norm kann eine Volksverhetzung ausnahmsweise unter anderem dann nicht strafbar sein, wenn sie der staatsbürgerlichen Aufklärung oder der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens dient“. Diese Vorschrift sei in dem Fall angewandt worden. Bei den Vorermittlungen habe man geprüft, ob die Ausnahmevorschrift für private Personen in sozialen Netzwerken gelte oder nur für Amts- und Mandatsträger. Zudem müsse eine eindeutige Distanzierung vom Inhalt der Hetzschrift erkennbar sein. Beides war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hier der Fall, so dass sie das Verfahren einstellte.

Synagogen-Gemeinde übte Kritik an Ermittlungen

Die Synagogen-Gemeinde und die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hatten zuvor die Ermittlungen kritisiert und deren Einstellung gefordert. Unter anderem hatte auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker den Tweet des Gemeindemitglieds geteilt. Da für sie als Amtsträgerin jedoch die Ausnahmeregel gelte, seien gegen sie keine Vorermittlungen eingeleitet worden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Wer die antisemitischen Flugblätter angefertigt und in der Straßenbahn ausgelegt hatte, sei noch unklar und werde ermittelt. Die Kölner Staatsanwaltschaft geht vermutlich von zwei Fällen aus.

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Die erste Tat soll Anfang Dezember 2020 passiert sein. „Wir haben die Aufnahmen der Videokameras in der Linie 4 überprüft und keine verdächtigen Personen entdeckt“, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn der Rundschau. Der Schaffner habe am Ende der Fahrt das Flugblatt entdeckt und sichergestellt. Einen zweiten Fall habe es dann offenbar Anfang Februar 2021 gegeben und auch diesmal ist noch kein Tatverdächtiger ermittelt. Aus welcher der beiden Flugblatt-Aktionen das getwitterte Bild stammt, müssen ebenfalls noch geklärt werden.

Foto und Empörung in sozialen Medien geteilt

Im Interview mit der „Kölnischen Rundschau“ hatte der 44-Jährige gesagt, dass er es absurd fand, dass gegen ihn ermittelt wird. „Ich habe das erst nicht glauben können. Mir ging es nur um die Dokumentation, selbstredend nicht um die Verbreitung des Inhalts, den ich abscheulich finde“. Über den Inhalt des Flugblattes war der 44-Jährige entsetzt und dachte: „Das kann nicht sein. Nicht in Deutschland im Jahr 2021.“ Auf dem Flugblatt, das in einer Bahn der KVB-Linie 4 gefunden wurde, hieß es: „Haben wir denn wirklich nur ein Corona-Problem? Oder haben wir nicht ein Juden-Problem?“ Daneben werden unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn verunglimpft. Gesehen hat Samuel Ahren das Flugblatt in einer Facebook-Gruppe. Am nächsten Tag teilte er das Foto und seine Empörung darüber bei Twitter, wo er sehr gut vernetzt ist. Es wurde über 2500 Mal „geliked“ und 500 Mal geteilt.

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