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Anträge liegen bei der StadtHunderte Kölner Senioren im Heim warten auf Geld

Lesezeit 4 Minuten
Kölner Seniorin im Heim

  • Hunderte Heimbewohner warten teils seit mehr als einem Jahr auf Sozialhilfe.
  • Die Stadt Köln hat wegen eines personellen Engpasses ihre Anträge nicht beschieden und braucht auch jetzt noch einige Monate dafür.
  • Derweil können sich die Heimbewohner nicht mal einen Frisör oder Seife leisten.

Köln – Bei der Stadt stauen sich seit mehr als einem Jahr Anträge auf Sozialhilfe von Menschen, die in ein Seniorenheim gezogen sind. Ohne eine Entscheidung über ihren Sozialhilfestatus laufen aber nicht nur die Heimkosten auf, sondern es gibt für die Bewohner auch keinen Cent Taschengeld. Da geht es um 114,48 Euro, die der Gesetzgeber Monat für Monat einem Sozialhilfeempfänger zugesteht. Derzeit müssen die Betroffenen in Köln jedoch selbst sehen, wie sie sich den Friseur, eine Tasse Kaffee oder ein Stück Seife kaufen können.

Besserung ist nicht in Sicht. Die Stadt räumt zwar den Missstand ein, kündigte aber auf Anfrage der Rundschau gleichzeitig an, dass die liegengebliebenen Anträge aus dem Jahr 2018 erst „in den nächsten Monaten zielgerichtet abgearbeitet werden“. Zur Ursache heißt es aus dem Sozialdezernat: „Aufgrund mittlerweile im Wesentlichen überwundener personeller Engpässe in der Heimpflege liegen noch Anträge aus dem Jahr 2018 vor.“ Bei neuen Sozialhilfeanträgen, so die Stadt, sei die Bearbeitungszeit aber „inzwischen bereits auf 3,1 Monate zurückgegangen“. Das Amt für Soziales und Senioren hatte erst im Februar eine neue Leiterin bekommen. 15 Monate war die Leitung vakant.

Jeden Monat etwa 120 neue Fälle

Die Seniorenvertretung der Innenstadt ist empört. Sie kennt mehrere Betroffene und schätzt, dass jeden Monat 120 Fälle hinzugekommen sind. „Drum prüfe bis der Tod eintritt“, kommentierte der Vorsitzende der Seniorenvertretung, Karl-Heinz Pasch, die Misere enttäuscht. „Es müsste zumindest eine kurzfristige Auszahlung des Taschengelds geben“, findet sein Stellvertreter Hans-Anton Meurers: „Das ist auch eine Frage von Menschenwürde. Es handelt sich hier nicht einfach um Verwaltungsvorgänge, sondern um Menschen, die ihre letzten Tage auf der Erde verbringen. Die Bürokratie steht ihnen im Weg.“ Die Verwaltung sehe sich als „Opfer des Sparzwangs“ und habe den Seniorenvertretern vorgeworfen, mit ihren Nachfragen die Verfahren zusätzlich in die Länge zu ziehen. „Wir werden die Verwaltung so lange stören, bis sich etwas ändert“, hielt Pasch dagegen.

Die Rundschau sprach mit einer 66 Jahre alten Rentnerin, deren 20 Jahre ältere Mutter seit vorigem Jahr in einem Heim lebt, während die Schulden munter wachsen. „Es war gleich klar, dass ihr Geld nicht lange reichen würde. Also habe ich im August 2018 einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt“, berichtet die 66-Jährige. Einen Monat hatte sie Zeit, alle Unterlagen beizubringen. Leicht war das nicht, denn die Frau hatte zuvor nicht viel Kontakt mit ihrer Mutter und darum auch erst spät mitbekommen, dass sie an Demenz erkrankt ist. Mehrere Stürze und ein kleiner Schlaganfall zwangen die 86-Jährige, ins Heim zu ziehen. „Ich musste ihre Wohnung auflösen, die Entsorgung der Möbel bezahlen, obwohl die gut waren, und habe auch sofort ihre Rente und das Geld aus der Pflegekasse an das Heim abgetreten“, sagte die Tochter.

Sozialhilfe

Das Amt für Soziales, Arbeit und Senioren gewährt Sozialhilfe, wenn eine Prüfung die Bedürftigkeit einer Person ergeben hat. Die Sozialhilfe deckt dann auch Unterbringungskosten und ein Taschengeld ab.

Die Berechnung ist kompliziert, da sämtliche Vermögensverhältnisse geprüft werden müssen. Auch das Vermögen von Kindern wird herangezogen, es gibt allerdings ein „Schonvermögen“, also einen Teil, der nicht hergegeben werden muss.

Kinder müssen mit ihrem Vermögen eintreten, auch wenn sie seit Jahrzehnten mit den Eltern zerstritten oder gar von ihnen verstoßen sind. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Aber auch sie haben einen „Selbstbehalt“, sollen also selbst Geld zum Leben behalten.

Ein Taschengeld, derzeit 114,48 Euro, ist gesetzlich verankert und wird bei der Anerkennung von Sozialhilfe automatisch gewährt. (mfr)

Doch das reichte in ihrem Fall bei weitem nicht. Mit Altenpflegeumlage, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten summiert sich die Heimrechnung inklusive Eigenanteil jeden Monat auf knapp 3300 Euro. Dem stehen durch Rente und Unterhalt von einem geschiedenen Ehemann monatlich nur 1670 Euro gegenüber. „Den Rest bezahle ich einfach nicht. Kann ich auch gar nicht“, sagt die Tochter.

Damit ihre Mutter nicht das gleiche Los trifft, wie viele andere Senioren, die durch den Einzug ins Heim mittellos sind, hat sie etwas Geld auf ein Konto gepackt, auf das die Pfleger ihrer Mutter zugreifen können. „Davon werden Friseur und Fußpflege bezahlt.“ Sie bangt täglich, was der Bescheid bringen wird. Das erhoffte Geld für die Mutter oder die Aufforderung, selbst für alles aufzukommen und die ersparte Eigentumswohnung zu verkaufen? Wer zahlt die Zinsen für die nicht bezahlten Heimrechnungen? Das Warten zermürbt.

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