Aus dem VorstandWie die Kölner Rheinenergie grüner werden will

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Rheinenergie-Spitze

Susanne Fabry (r.) und Birgit Lichtenstein 

Köln – Herausforderungen scheuen sie nicht. Dafür sind die Lebensläufe von Susanne Fabry und Birgit Lichtenstein Beweis genug. Dürfen sie auch nicht, denn mit Antritt ihrer Vorstandspositionen bei der Rheinenergie zum April haben die Managerinnen ein Paket an Herausforderungen auf sich genommen. Mit ihnen soll der vierköpfige Vorstand eine femininere Note bekommen, sie sollen einen Generationswechsel an der Spitze des Versorgers einläuten und für eine neue Unternehmenskultur stehen. Und das Ganze in Zeiten der Energiewende.

Wie „grün“ kann die Rheinenergie werden?

Eine Initiative zu einem Bürgerbegehren forderte die RheinEnergie heraus: Nur noch Strom aus erneuerbaren Energien sollte der Regionalversorger ab 2030 liefern. Am Ende intensiver Verhandlungen stand ein Kompromiss: Ab kommenden Januar beliefert die Rheinenergie ihre Privat- und Gewerbekunden nur mit Ökostrom. Ab 2030 soll sie doppelt so viel Strom wie bisher aus Fotovoltaik und Windkraft erzeugen. Der Braunkohleblock im Kraftwerk Merkenich soll bis 2025 stillgelegt werden. Warum brauchte es den Kompromiss? Birgit Lichtenstein: „Wir können nicht von heute auf morgen von konventionell auf 100 Prozent regenerativ umsteigen.“ Denn die Kunden benötigten Versorgungssicherheit, ein Energieversorger brauche dazu wirtschaftliche Planungssicherheit: „Nehmen wir das Beispiel des Heizkraftwerks in Merkenich. Natürlich steht bei uns auf der Agenda, den Standort ökologischer zu gestalten. Würden wir da beispielsweise ein Gas-Dampf-Turbinenkraftwerk ertüchtigen, muss sichergestellt sein, dass wir es auch in zehn, 20 Jahren noch wirtschaftlich betreiben können, eventuell dann mit grünen Brennstoffen“, so die Finanzvorständin. Denn klar ist, nicht im ersten Jahr verdient man Geld mit einer solchen Großinvestition. Gibt es also einen Konflikt zwischen Energie aus regenerativen Quellen und Wirtschaftlichkeit? „Aus heutiger Sicht kann es sein, dass nichtregenerative Quellen noch wirtschaftlicher sind, auf der anderen Seite können sich auch Investitionen in Erneuerbare schon gut rechnen“, sagt Lichtenstein. „Wir wollen noch stärker als bisher in diesen Bereich investieren, und wir haben dafür in unserer Einigung zum Klimaschutz auch klare Ziele formuliert. Grundsätzlich muss klar sein: Wir können nur investieren, wenn es wirtschaftlich ist. Da haben wir auch eine Verantwortung gegenüber den Anteilseignern und den Menschen in der Region.“

Was kostet die Energiewende?

Spricht Lichtenstein die Ausschüttungen an, sendet sie damit auch ein Signal an die Stadt Köln. Diese ist über den Stadtwerkekonzern der größte Anteilseigner mit derzeit 80 Prozent. Die Gewinne der RheinEnergie stützen den städtischen Haushalt. Greift die Stadt zu sehr zu oder begrenzen politische Entscheidungen die Gewinnspanne zu stark, fehlt dem Unternehmen Kapital für Investi-tionen. Lichtenstein: „Für nachhaltige Investitionen in die Energiewende brauchen wir als Unternehmen eine gute Eigenkapitalausstattung, um solche Investitionen aus eigenen Mitteln leisten zu können.“ So viel zur Stadtkasse. Und was ist mit der Geldbörse der Bürger? „Die Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben, es wird teurer werden“, sagt Fabry.

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Vorständinnen Rheinenergie

Susanne Fabry (r.) und Birgit Lichtenstein sind seit Frühjahr im Vorstand der Rheinenergie.

Und die Energiewende werde auch das Landschaftsbild verändern: „Es wird mehr Windräder geben, es werden mehr Solar- und Fotovoltaikanlagen gebaut werden.“ Das alles brauche Fläche. Es sei die Aufgabe der Politik, die dafür nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die Erfordernisse den Bürgern zu erklären, sind sich Fabry und Lichtenstein einig. Investitionssicherheit für anstehende Projekte und die Vermittlung neuer Vorhaben: „Das alles muss Hand in Hand gehen“, sagen sie unisono.

Ist das Netz fit für die Energiewende?

„Durch die Energiewende kommt viel mehr Bewegung ins Netz – diese Bewegung muss verarbeitet werden“, sagt Fabry. Immer mehr Anforderungen würden an das Netz gestellt: „Anforderungen aus der E-Mobilität, aus mehr Fotovoltaik- und mehr Windkraftanlagen“, zählt sie auf. „Wir sind im Netz gefordert. Wir werden in den nächsten Jahren viel investieren, und wir nehmen das auch aktiv in Angriff“, prognostiziert die Technik-Vorständin. „Infrastruktur wird immer um Jahre im Voraus geplant, insbesondere, wenn wir unsere Entwicklungs-chancen wahren wollen.“

Zur Person

Susanne Fabry (52) war zuvor bei E.ON SE verantwortlich für Strategie und Steuerung des deutschen Netzes. Die studierte Juristin mit einem zusätzlichen MBA in European Utility Management arbeitet seit 1997 in der Energiewirtschaft.

Seit 2003 war sie in unterschiedlichen nationalen wie internationalen Funktionen überwiegend innerhalb des E.ON-Konzerns, seit 2011 durchgängig in verschiedenen Feldern der Netzwirtschaft.

Birgit Lichtenstein (53) studierte Wirtschaftswissenschaften an der Gesamthochschule Essen. 1992 startete ihre berufliche Laufbahn im RWE-Konzern.

Dort durchlief die Energiewirtschafts- und IT-Expertin mehrere Stationen, unter anderem als Geschäftsführerin für Finanzen bei RWE IT UK und Leiterin Performance Management bei innogy SE. Zuletzt war ist sie Geschäftsführerin von Arvato Systems Perdata.

Welches Potenzial hat Wasserstoff?

„Ich sehe im grünen Wasserstoff sehr großes Potenzial, wir probieren da aktuell schon konkret einiges aus, und ich glaube, dass wir eine Übergangsphase mit blauem Wasserstoff brauchen (grüner Wasserstoff wird aus Sonnen- und Windenergie erzeugt, blauer aus Erdgas; Anm.d.Red.). Weil wir sonst nicht in den bezahlbaren Bereich kommen“, sagt Fabry. Sei eine Klimaneutralität wirklich gewollt, gebe es keinen Weg vorbei am Wasserstoff, ist sich die Vorständin sicher. „Und dabei müssen wir ganz schnell Fahrt aufnehmen.“ Desto mehr, je schneller der Ausstieg aus der Kohle gewünscht sei. „Sonst ist die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet.“ Und wann ist die grüne Wasserstofftechnik so weit, dass sie wirtschaftlich betrieben werden kann? „Das ist ein bisschen der Blick in die Glaskugel, aber ich glaube, das wird erst nach 2030 möglich sein“, so die Einschätzung von Lichtenstein.

Selbstverständlich: Frauen in Führungspositionen?

„Es kommt auf die Branche und den Fachbereich an“, sagt Lichtenstein. Im kaufmännischen Bereich sei es durchlässiger geworden. Gehe es aber ins Gebiet der Technik über, „dann ist man schon sehr häufig die einzige Frau in sehr großen Runden“. Dabei sei es umso wichtiger, „den Männern mal zu zeigen, dass Frauen durchaus eine andere Perspektive einnehmen“. Birgit Lichtenstein weiter: „Als der Vorstand von den Aufgaben her neu zugeschnitten und verkleinert wurde, hieß es scherzhaft: „Was drei Männer können, können zwei Frauen auch“. Das ehrt uns und zeigt, dass man mitunter als Frau immer noch ein bisschen mehr leisten muss an gleicher Stelle. Sachlich stimmt es vielleicht nicht immer, aber als Kompliment freut es uns.“

Muss um die besten Köpfe gekämpft werden?

Eine der begehrtesten Spezies auf dem Arbeitsmarkt: Ingenieure. In der Stadtverwaltung fehlen sie an allen Ecken und Kanten. „Wir haben sicherlich das gleiche Thema“, sagt Lichtenstein. Ganz zu vorderst sieht Lichtenstein in ihrem Zuständigkeitsbereich den Kampf um die besten Köpfe in der IT als notwendig an. „IT-Architekten sind nicht einfach zu finden. Da müssen wir uns als Unternehmen so positionieren, dass wir für solche Fachkräfte attraktiv bleiben.“ Es brauche eine andere Unternehmenskultur. Der hierarchische Gedanke „Ich bin dein Chef!“ müsse in den Hintergrund treten, sagt die Vorständin. Fabry, die auch Arbeitsdirektorin ist: „Wenn Sie keine Vereinbarung zum mobilen Arbeiten haben, dann kommen Sie heute als Unternehmen nicht mehr weit auf dem Arbeitsmarkt.“ Dadurch bestehe auch die Chance, Fachkräfte aus einem weiteren Umland anzulo-cken.

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