Bald auch sonntags geöffnet?Die Kölner Zentralbibliothek geht mit der Zeit

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In der Stadtbücherei gibt es unterschiedliche Plätze für jeden Anspruch – und viel Freiraum für eigene Gestaltung und Begegnungen.

In der Stadtbücherei gibt es unterschiedliche Plätze für jeden Anspruch – und viel Freiraum für eigene Gestaltung und Begegnungen.

Köln – Öffnen in NRW kommunale Büchereien bald sonntags? Wie berichtet, plant die Landesregierung aus CDU und FDP, dass städtische Bibliotheken sonntags ihre Türen öffnen dürfen. Die Parteien bezeichnen die Einrichtungen als „kommunale Wohnzimmer mit hoher Aufenthaltsqualität“ – ein Ortsbesuch in der Zentralbibliothek am Neumarkt bestätigt das. Das traditionelle Image stimmt nicht mehr: Die Zeiten, in denen Büchereien in erster Linie ein El Dorado für verhuschte Bücherwürmer waren, sind lange vorbei.

Arbeiten am Puls der Zeit

„Wir gelten nicht nur in Deutschland als Vorreiter“, sagt Dr. Hannelore Vogt. Die Direktorin der Stadtbibliothek wird laut eigener Aussage oft zu Kongressen eingeladen. „Wir haben einen extrem hohen Innovationsgrad und sind am Puls der Zeit. Wir hatten allein dieses Jahr schon Gäste aus 14 Nationen, die sich über unsere Arbeit informiert haben.“ Die konzeptionelle und kreative Arbeit, die das Team um die Direktorin leistet, bezieht sich auf weit mehr als nur technologischen Fortschritt. „Es geht auch um interkulturelle Kompetenzen , um Diversity, um Leseförderung.“

Dennoch: Digitalisierung und Urbanisierung sind in einer Metropole wie Köln wichtige Themen. Vor sechs Jahren hatte Köln als erste Bibliothek in Deutschland einen 3D-Drucker. Inzwischen haben rund 1000 Nutzer eine Lizenz zum Drucken von Dingen erworben.

Doch es stehen auch schwierige Jahre an: Wie berichtet, wird die Bibliothek ab 2020 im laufenden Betrieb saniert, das Gebäude aus dem Jahr 1979 ist laut Stadt „hochradig abgenutzt“. Bis zu 58 Millionen Euro soll das kosten. In drei Phasen laufen die Arbeiten ab, das Haus bleibt offen, aber teils eingeschränkt. Baudezernent Markus Greitemann sagte im September: „Die Einschränkungen sind erheblich.“

Noch ist davon nichts zu spüren in dem Haus. Die Besucherstruktur geht quer durch alle Schichten und Altersgruppen. „Ich mag die Vielschichtigkeit der Menschen, die gute Ausstattung und dass die Zentralbibliothek entspannter ist als die Unibibliothek“, sagt Student Sebastian Neef. Stammkunde Emil, „elf, bald zwölf“ , kommt seitdem er fünf ist. Er nutzt täglich eine Stunde das Internet.

„Auf jeden Fall würde ich auch sonntags kommen“, ist sich Emil, der zu Hause keinen PC hat, sicher. Internetarbeitsplätze sind längst Standard.

Zusätzlich gibt es viele Dinge auszuleihen: Virtual-Reality-Brillen, analoge und digitale Spiele, Instrumente, Messstationen, ein Fernglas, Navigationsgeräte, CDs, DVDs, Schallplatten, Bücher und E-Reader.

Umfangreiches Angebot am Neumarkt und in den Veedeln

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Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr 2018 die Stadtbibliothek genutzt. Den Mitgliedern steht neben rund 800 000 analogen und digitalen Medien ein umfangreiches Serviceangebot zur Verfügung. Zusätzlich zur Zentralbibliothek am Josef-Haubrich-Hof gibt es in den Veedeln elf Stadtteilbibliotheken. Die kürzlich neu eröffnete Bücherei in Kalk gilt dabei als besonders innovativ und ansprechend. Der Bücherbus bringt Medien stadtweit an insgesamt 19 Haltestellen.

Eine Mitgliedschaft kostet für Erwachsene 38 Euro jährlich (ermäßigt 28 Euro, mit Köln-Pass 13 Euro). Mitglieder können alle Medien kostenfrei ausleihen und an zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen. Die Ausleihfrist beträgt zwischen zwei und vier Wochen, das hängt auch vom Medium ab. (dha)

www.stbib-koeln.de

Sogar ein Musikzimmer mit einem Konzertflügel ist vorhanden und kann kostenfrei genutzt werden. „Das Angebot ist echt der Wahnsinn“, sagt Stefanie Weigert, die gerade ihrem siebenjährigen Sohn den ersten Nutzerausweis besorgt hat.

Jeder soll die Technik ausprobieren können

Zweitklässler Liam dagegen ist schon ein alter Hase. Er bedient den Roboter NAO im „MINT-Space“, einer Ecke neben dem Eingang im Erdgeschoss. „MINT“-Themen, also Themen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, sind in der Stadtbücherei allerorten erfahrbar.

Das Prinzip: Jeder soll die Technik ausprobieren können. „Uns geht es hier um das aktive Tun, um das Partizipieren, um das Vermitteln von Wissen in unterschiedlichen Formaten.“ Konsequent weitergeführt hat das Team diesen Anspruch mit dem „Makerspace“. Der Raum für neue Ideen und Do-it-Yourself-Projekte steht allen offen.

Experten aus dem Nutzerkreis geben ihr Wissen an Interessierte weiter – von der Einführung in die Overlock-Nähmaschine über Grundlagen der Computerreparatur bis hin zur Cryptoparty, in der Teilnehmer einen Eindruck des „Darknet“ erhalten.

Als „dritten Ort“ neben Zuhause und dem Arbeitsplatz begreift die Direktorin die Bibliothek. Den Vorschlag, dass dieser Ort sonntags zugänglich sein sollte, begrüßt sie. Die Gymnasiasten im Gruppenarbeitsraum sehen das ähnlich. Äußerst kommunikativ, wenn auch nicht laut, sitzen sie in Paaren, Vierer- oder Sechsergruppen an den Tischen.

„Wir müssen für die Abiklausur am Dienstag lernen“, erklärt eine Schülerin des Buchheimer Herder-Gymnasiums. Zuhause, fügt ein Mitschüler hinzu, lasse er sich zu schnell ablenken. Zumindest vor dem Abi, so beteuern die Schüler, würden sie gerne auch sonntags kommen.

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