Bau am KalkbergGutachten belegen, dass die Stadt Köln die Gefahren kannte

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kölner kalkberg

Der Kalkberg in Köln.

Köln – Am Ende war das Entsetzen groß. Der Kalkberg ist zu instabil, um eine Hubschrauberstation zu tragen. Zu viel Kalkschlamm im Kern der Halde, zu steile Böschungen, die ein Abrutschen befürchten lassen: So fand es ein Gutachter Anfang 2016 heraus, nachdem sich der Hangar über ein Jahr hinweg mehr als 15 Zentimeter an einer Gebäudeecke gesenkt hatte.

Ein überraschendes Ergebnis? Zumindest in der Stadtverwaltung dürfte das Erstaunen nicht besonders groß gewesen sein. Der Rundschau liegen zwei ältere Gutachten zum Kalkberg vor, die die Vermutung nahelegen: Entweder wollten die Entscheidungsträger das Risiko nicht sehen oder sie haben es billigend in Kauf genommen.

Historische Luftaufnahmen zeigen das Ausmaß der Verschmutzung

Das eine Gutachten stammt aus dem Jahr 1995. Der Tüv Rheinland untersuchte damals im Auftrag der Chemischen Fabrik Kalk deren Altlastenhalde. Das andere Gutachten von 2013 fertigte ein geologisches Büro im Auftrag der Stadt an. Es diente als Grundlage für den Kauf des Kalkberges durch die Stadt Köln.

Das Tüv-Gutachten lässt gar keinen Zweifel aufkommen: Der Kalkberg ist die Büchse der Pandora, randvoll mit Übel. Die technischen Überwacher haben historische Luftaufnahmen analysiert. Wie bei einem Daumenkino ist dabei zu beobachten, dass die Halde mit ihren Absetzbecken über Jahrzehnte hinweg mit den Produktionsrückständen der Chemischen Fabrik aufgeschüttet wurde.

Deren Konsistenz? „Allenfalls pastös“, ist in dem Gutachten zu lesen. Bis zu einer Tiefe von 13 Metern haben die Experten den mehr als 30 Meter tiefen Berg mit Bohrungen sondiert. Bei rund zehn Meter Tiefe stoßen sie auf Kalkschlamm. Weich wie ein Pudding. Folglich steht in einer Schlussbewertung: „Die Profile zeigen ausnahmslos Auffüllungen aus hauptsächlich Kalkschlamm.“ Die Analyse des Tüv Rheinland lag der Stadt damals vor.

Gutachten weist Oberfläche als „bedingt tragfähig“ aus

Und dann das Gutachten aus dem Jahr 2013, das die Stadt selbst in Auftrag gab. Mit ihm sollte geklärt werden, ob eine Hubschrauberstation auf dem Kalkberg gebaut werden kann. Besonders auffällig daran: Auch die Geologen haben mit Bohrungen den Berg sondiert. Jedoch machen sie bei einer Tiefe von sechs Metern Schluss. Sie dringen also gar nicht bis zu den Kalkschlammschichten vor. Was sie oberhalb finden ist lediglich „Asche, Schlacke, Bauschutt, Kies und Sand“.

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Sollte das Büro tatsächlich so nachlässig gearbeitet haben? Hört man sich in der Gutachter-Szene um, genießt das damals beauftragte Büro einen guten Ruf – auch bei Konkurrenten. Und in der Tat, in dem Gutachten gibt es warnende Hinweise. „Die erbohrten Auffüllungen sind als bedingt tragfähig einzustufen.“ Bedingt tragfähig? Bei einer mehrere hundert Tonnen schweren Hubschrauberstation mit Sozialgebäude?

Kein Auftrag, tiefer zu bohren

Am Ende des Gutachtens ein Satz wie ein Hilferuf: „Wir weisen darauf hin, dass die nach dem geltenden technischen Richtlinien geforderten Erkundungstiefen mit dem angewandten Aufschlussverfahren nicht erreicht werden konnten.“ Das „angewandte Aufschlussverfahren“ legt der Auftraggeber fest, die Stadt. Spätestens nach diesem Hinweis hätte sie das Büro auffordern müssen, tiefer zu sondieren. Der Auftrag wurde nie erteilt. Unvermittelt kommt stattdessen das Gutachten zu dem Schluss: Aufgrund von „Erfahrungswerten“ seien keine negativen Einflüsse auf die geplante Baukonstruktion zu erwarten.

So sehr diese Einschätzung die Befürworter der Baumaßnahme erfreut haben dürfte, nur wenig später stellte sie sich als fatal heraus. Die Station ist zu 85 Prozent fertiggestellt und kostete 15,4 Millionen Euro. Alles deutet zurzeit darauf hin, dass sie nie in Betrieb gehen wird. Die Sanierung der Halde entwickelt sich zunehmend zum Geldgrab. 17,2 Millionen Euro – bisher.

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