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Baumanager im InterviewWarum Großbauten in Köln länger dauern und mehr kosten

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Grewe (links)

  • Die Bühnensanierung? Ein Debakel.
  • Die Mülheimer Brücke? Dauert länger, kostet mehr. Dasselbe mit der „MiQua“.
  • Matthias Hendorf hat mit dem international erfahrenen Baumanager Klaus Grewe über mögliche Gründe gesprochen.

Köln – Herr Grewe, viele Großbauprojekte in Köln dauern länger, werden teurer. Warum?

Ich glaube gar nicht, dass sie immer aus dem Ruder laufen. Aber in Deutschland halten es die Städte für nötig zu sagen, wie lange es dauert und wie viel es kostet, bevor das Projekt überhaupt richtig geplant und berechnet ist.

Der berühmte Fluch der ersten Zahl, die ohnehin nicht hält.

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Die Städte und Kommune haben nicht den Mut zu sagen: Ich habe ein Bauprojekt vor, beispielsweise die Sanierung der Kölner Oper. Und wir wissen erst die genauen Kosten, wenn wir detailliert geplant haben, im Moment wissen wir nur sehr grob die Kosten plus, minus 40 Prozent.

Aber man kann ja schlecht sagen: Wir müssen sanieren, koste es was es wolle. Bitte lieber Stadtrat, nick das ab.

Nein, es kann so bleiben wie bisher, dass der Baubeschluss nach der Leistungsphase drei der Honorarordnung der Architekten getroffen wird (meist ist dann im Maßstab 1:100 geplant worden, erst danach geht es ins Detail, Anmerkung der Redaktion). Und wenn ein Projekt zu teuer und nicht finanzierbar ist, dann wird es nicht gebaut. Das Problem ist: Häufig wird schon mit dem Bau begonnen, wenn noch geplant wird. Und dann treten plötzlich weitere Probleme auf und alles verzögert sich. Ich kann es selbst kaum noch hören, aber es gilt: Erst planen, dann bauen.

Passiert das denn?

Eher weniger. Zu oft soll ein Bau zu schnell beginnen, damit es heißt: Es passiert etwas auf der Baustelle. Doch dadurch werden früh Tatsachen geschaffen, die alles Weitere behindern und ungeplante Risiken einbringen.

Ein Beispiel bitte.

Okay, im Foyer einer Oper ist zum Beispiel früh etwas gebaut worden. Doch dann tritt ein Problem im Zuschauerraum auf und eine statische Stütze im Foyer muss beispielsweise mit einrechnet werden. Schon habe ich eine weitere Bedingung, die alles erschwert. Das löst unendliche Ketten aus. Das Planen dauert gar nicht länger, aber es muss komplett vorher ablaufen.

In Köln ist die Sanierung der Bühnen mit der Oper komplett schief gegangen, die Kosten sind explodiert, seit Jahren wird sie nicht fertig. Was machen solche verkorksten Projekte mit einer Stadt?

Das bedeutet, dass alle zukünftigen Projekte skeptisch betrachtet werden und dass man sich bestimmte Maßnahmen nicht mehr traut. Und es senkt das Vertrauen in Politik und Verwaltung. Das ist nicht gut, weil es dieses Vertrauen braucht für die nötigen Infrastrukturprojekte.

Muss man sich daran gewöhnen, dass es fast immer teurer wird und länger dauert?

Nein. Im Moment herrscht in Deutschland noch die Philosophie, dass genügend Geld da ist. Aber dieses Geld fehlt an anderer Stelle für andere Bauten.

Deutschland leidet an seinem Reichtum, weil es Geld hat?

Ja, das würde ich sagen. Es ist sehr viel Geld vorhanden und die Städte können nachfinanzieren. In einem Land wie Italien sehen Sie auch mal eine Brücke, die nicht fertig geworden ist. Denen ist irgendwann das Geld ausgegangen. Oder in den USA: Da wird zwar geplant, aber auch mal entschieden: Nein, das lassen wir, weil uns das Geld fehlt.

In Köln wird die Mülheimer Brücke saniert, es dauert länger und wird teurer. Die Stadt argumentiert, das Ausmaß der Schäden habe man vorher nicht abschätzen können.

Das ist falsch. Man müsste die Brücke vorher auch mal sperren um die Schäden genauer zu untersuchen, das wird aber unter anderem auch nicht gemacht, weil die Verantwortlichen Angst vor schlechter Presse haben. Trotzdem müssen die Planer weit vor Baubeginn an die Substanz ran, Eisenbohrungen machen, sich die Bolzen anschauen – zumindest eine große Anzahl, nicht alle. Danach wissen sie erst, was sie erwartet.

Aber?

Es ist auch eine haushaltsrechtliche Frage: Manche dieser Untersuchungen erfolgen laut der Mittelbereitstellung erst nach dem Baubeschluss, die muss man samt der entsprechenden Kosten auch vorziehen. Man gibt Geld aus, um dieses Wissen zu bekommen. Nur ist dieses Geld häufig in den Planungsbudgets nicht drin, weil sie durch die Städte verwaltet werden und die haben keins – obwohl es gut angelegtes Geld wäre, zumal sie es ja später ohnehin ausgeben müssen.

Mit diesen Untersuchungen kann man unwahrscheinlich viel ausschließen – nicht alles, aber eben sehr, sehr viel. Alle Beteiligten wissen ja um die Sanierungsprobleme, auch um die Risiken. Es macht Sinn, 10 000 Euro mehr ins genaue Hinschauen zu investieren, statt hinterher eine Verzögerung von 20 Millionen Euro zu beklagen. Es ist relativ einfach.

Und kommt trotzdem nicht immer vor.

Man muss den Mut haben, ins Detail zu gehen. Leider hat sich eine Kultur entwickelt: Je komplexer Projekte werden, desto einfacher sollen sie in Deutschland werden. Das ist falsch. Große Projekte sind Detail- und Fleißarbeit. Dazu müssen Behörden bereit sein, durch die Details bekommen sie Sicherheit, falls ein Politiker sagt, es muss günstiger sein.

Zur Person

Klaus Grewe, 58, ist  selbstständiger Projektmanager. Grewe berät aktuell die Stadt  Hamburg beim Bau einer U-Bahn. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 sorgte er mit dafür, dass das Projekt  laut seiner Aussage  vier   Monate vor Termin  fertig war und eine Milliarde Euro günstiger wurde.

Er saß in der Reformkommission  Großbauten, die 2015 einen Bericht vorlegte. Ein Ergebnis: Erst planen, dann bauen. (mhe)

Dann können sie sagen: Nein. Sie haben die Macht der detaillierten Zahl gegenüber dem Fluch der ersten Zahl. Die Macht ist gnadenlos, dagegen argumentiert kein Politiker. In den Behörden gibt es oft eine Kultur, solche Zahlen könne man nicht präsentieren.

Sind die städtischen Angestellten noch auf Augenhöhe?

Die Behörden haben weniger Leute, aber insgesamt noch sehr gute. Aber da am Anfang nicht komplex geplant wird, haben die Mitarbeiter weniger komplexes Wissen. Sie schreiben aus: „Ein Stück schöne Oper.“

Die Vergabeordnung bei der Suche nach Firmen soll Korruption vermeiden. Schadet sie nicht mehr als sie nützt?

Nein, die passt schon. Sie verlangt eine wirtschaftliche Vergabe, die Auftraggeber interpretieren das häufig aber als: Wir müssen das Billigste nehmen, erwarten aber Spitzenklasse. Das widerspricht sich. International wird sich erst über die Risiken unterhalten. Und zwar gemeinsam. In Deutschland wollen die Behörden oft die Risiken auf die Firmen übertragen.

Der Preis kommt im internationalen Geschäft erst am Schluss der Verhandlungen?

Ja, man tastet sich heran. Der reine Preis macht nur 40 Prozent der Bewertung aus, den Rest machen unter anderem geklärte Risiken oder das richtige Personal aus. So entsteht Partnerschaft. Als Baufirma verdiene ich kein Geld durch Nachträge.

Das hört man häufig anders, weil die Firmen Nachträge stellen wollen für Arbeiten.

Das ist eine Illusion. Mit Nachtragsforderungen machen Firmen kein Geld, sie retten nur eine Notsituation. Sie gewinnen, wenn sie schnell fertig werden und während des Baus einsparen, beispielsweise mit nur einem statt zwei Gerüsten. Die Gewinnmargen der Baubranche in Deutschland liegen bei vier bis sechs Prozent, international üblich sind zwölf bis 14 Prozent. Mit dem Nachtragsmanagement wird kein niedriger Anfangspreis nachträglich reingeholt.

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Stattdessen landen die Städte und Baufirmen vor Gericht.

Ja, das liegt oft daran, dass die Risiken nicht klar geregelt sind: Allgemein liegen acht Prozent bei der Baufirma, die anderen 92 Prozent beim Bauherren. Die Prozesse gehen meistens um diese Fehleinschätzung. Und die einzigen, die gewinnen, sind die großen Rechtsanwaltsbüros. Ein Planer kostet 980 Euro am Tag, ein prominenter Baurechtler 980 Euro pro Stunde. Es lohnt sich also, in der Vergabe die Risikozuordnung klar zu definieren.

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