Befragung „Leben in Köln“Jeder Vierte ist armutsgefährdet – Befristungen nehmen zu

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Arbeit und Einkommen in Köln.

Arbeit und Einkommen in Köln.

Köln – Welche Themen bewegen die Kölner? 2016 verschickte die Stadt für die repräsentative Umfrage „Leben in Köln“ 110 Fragen an 64 000 Einwohner. 14 400 haben geantwortet, nach einer ersten Veröffentlichung im Juni stellt die Stadt nun Ergebnisse zur Erwerbstätigkeit vor.

Die gute Nachricht: In den vergangenen zehn Jahren hat die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Köln um 110 000 zugenommen. Die schlechte: Die Zahl der befristeten und schlecht bezahlten Jobs steigt ebenfalls deutlich an – und das hat Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Kölner.

Mehr Kölner sind erwerbstätig

Zum Zeitpunkt der Umfrage Ende 2016 waren 67 Prozent der Erwachsenen bis 80 Jahre erwerbstätig. In absoluter Zahl: 575 000. Geringfügig mehr Männer (69 Prozent) als Frauen (66 Prozent) gingen einer Arbeit nach. Deutlicher ist die Differenz bei der Selbstständigkeit: 15 Prozent der Männer sind selbstständig oder freiberuflich tätig – vor allem in klassischen Handwerksberufen, nur zehn Prozent der Frauen.

Schaut man auf die Altersgruppen ist die Zahl der Erwerbstätigen am höchsten in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen (81 Prozent). Das dürfte weitgehend mit der Erwartung an die leistungsstarke Gruppe der 30-Jährigen übereinstimmen. Dennoch steck in diesem Datensatz Brisanz: Schon bei den 45- bis 59 Jährigen stehen nur 65 Prozent in einem Beschäftigungsverhältnis.

Die „normale“ Arbeit wird immer weniger

Die Methode

Im Herbst 2016 hatte die Stadt 64 000 Kölnerinnen und Kölner zur Teilnahme an der „Leben in Köln“-Umfrage aufgerufen, sie wurden per Zufallsverfahren aus dem Melderegister ausgewählt. Der Fragebogen umfasste mehr als 100 Fragen zu vielen Themen des Lebens. Die Datensätze wurden laut Verwaltung so gewichtet, dass die Ergebnisse repräsentativ sind. Knapp ein Viertel antwortete.

Die Auswertung läuft seit Ende 2017, im Juni präsentierte die Verwaltung die ersten beiden Ergebnisblöcke „Zufriedenheit mit Köln und den Stadtteilen“ und „Aktive Bürgerschaft“. Teil drei ist nun „Erwerbstätigkeit und wirtschaftliche Lage“, „Wohnen in Köln“ folgt. (EB)

Sogenannte „atypische“ Beschäftigungsverhältnisse gewinnen auch in Köln deutlich an Bedeutung. Als „atypische“ Jobs gelten: Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigung und nicht sozialversicherungspflichtige und geringfügig entlohnte Arbeitsverhältnisse. Mit anderen Worten: Die neue Arbeitswelt ist mit all ihren Ausprägungen auch in Köln zu finden. 109 000 Menschen leben in solche unsicheren Arbeitsverhältnissen – und mit allen Sorgen und Nöten, die damit einhergehen.

Teilzeitarbeit bleibt die häufigste Erwerbsform, sie wird vorwiegend von Frauen ausgeübt. Und: Knapp ein Fünftel aller abhängig Beschäftigten (17 Prozent) ist nur befristet beschäftigt, hier gibt es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Bei beiden Geschlechtern ist die Quote vor allem bei den 18- bis 24-Jährigen hoch. Mit anderen Worten: Der Berufseinstieg führt in vielen Branchen vorwiegend über Zeitverträge. Besonders häufig (25 Prozent) bei Beschäftigten im Bereich „Erziehung und Unterricht“, also bei angestellten Lehrern oder Betreuungskräften im offenen Ganztag, auch im Gesundheits- und Sozialwesen ist die Quote hoch (19 Prozent).

Wirtschaftliche Lage wird positiv gesehen

Etwa sechs von zehn Befragten (61 Prozent) sind mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden, bewerten sie mit gut oder sehr gut. Aber es gibt auch die andere, wenn auch kleinere Seite: Jeder Zehnte (elf Prozent) beurteilt seine Lage als schlecht oder sehr schlecht. 62 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Lage auch in einem Jahr unverändert ist. Auffällig: Der Migrationshintergrund hat einen spürbaren Einfluss auf die Bewertung. Während Deutsche ohne Migrationshintergrund die Lage zu 65 Prozent positiv beurteilen, sind es bei Menschen mit Migrationshintergrund nur noch 47 Prozent.

Im Schnitt 2700 Euro monatlich

Nach Abzug aller Steuern und Sozialabgaben hat ein Kölner Haushalt 2700 Euro monatlich zur Verfügung – im Durchschnitt. Denn mehrere Faktoren bestimmen die Höhe der Summe, unter anderem Kinder. Bei Haushalten mit Kindern sind es im Schnitt 3600 Euro, bei Alleinerziehenden sind es 1900 Euro.

Ein anderer Faktor ist das Alter: Das höchste durchschnittliche Monatseinkommen haben demnach 35- bis 44-Jährige, und zwar 3200 Euro. Bei den 60- bis 80-Jährigen sind es 2400 Euro. Und: Jeder Fünfte gibt an, mit dem verfügbaren Haushaltseinkommen nicht auszukommen.

Ein Viertel der Kölner ist armutsgefährdet

Köln wächst weiter

1 084 795 Menschen lebten Ende vergangen Jahres in Köln – so viel wie nie. Das geht aus der aktuellen Einwohner- und Wanderungsstatistik der Stadt hervor. Anders als in den vergangenen sieben Jahren geht das Wachstum nicht auf Zuzüge, sondern auf die weiter hohe Geburtenzahl (11 784 Babys) zurück. Sie lag wie 2016 über den Sterbefällen (plus 2311).

Knapp 8200 der Neugeborenen haben eine Mutter mit deutschem Pass, knapp 3600 mit ausländischem Pass. Die Zahl der Zuzüge nach Köln (57 849) fiel deutlich geringer aus als in den Vorjahren (2016: 65 005). (mft)

Als armutsgefährdet gilt in Köln, wer monatlich weniger als 1066 Euro verfügbares Pro-Kopf-Nettoeinkommen besitzt – und das sind rund 202 000 Menschen, also knapp ein Viertel (23 Prozent). Vor allem Alleinerziehende sind gefährdet, das Risiko steigt mit der Zahl der Kinder. Und: 46 000 Kinder und Jugendliche sind von Armut bedroht.

Der Schwellenwert von 1066 Euro ergibt sich durch eine komplexe Berechnung, sie ist aber etwa in der Stadt oder auf dem Land unterschiedlich wegen der Lebenshaltungskosten. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt in Köln bei 1780 Euro monatlich, 60 Prozent davon sind eben jene 1066 Euro und die Schwelle zur Armutsgefährdung. Zur sogenannten Mittelschicht zählen 613 000 Kölner (71 Prozent), ihr Pro-Kopfeinkommen liegt zwischen 60 und 200 Prozent über den 1780 Euro. Als reich gelten rund 53 000 Kölner (6 Prozent), ihr Einkommen liegt mehr als 200 Prozent über dem Schnitt.

Ein Viertel legt kein Geld fürs Alter zurück

Fast ein Viertel aller Kölner (24 Prozent) gibt an, keine Rücklagen für das Alter bilden zu können, dem entgegenstehen 45 Prozent, die Geld zurücklegen. Jeder Sechste geht davon aus, mit der Altersrente nicht auszukommen. Laut Stadt „rückt damit das Thema zunehmende Altersarmut stärker in den Fokus“.

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