Beschimpfungen auf AbstandUnterwegs mit einem Team des Kölner Ordnungsamtes

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Die Mitarbeiter kontrollieren Verstöße gegen die Corona-Verordnung, Ruhestörung, Jugendschutz.

  • Wochenende in Köln, an Hotspots treffen sich wieder Feiernde und stellen das Ordnungsamt vor Herausforderungen.
  • Am Abend kontrolliert das Team Erregungen öffentlichen Ärgernisses, allgemeine Ordnungswidrigkeiten, Jugendschutz, Ruhestörung, „Wildpinkler“ und Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung.
  • Die Beamten klären auf, dass sie Verstöße gegen die Maskenpflicht mit 100 Euro und Ansammlung ohne Mindestabstand mit 200 Euro ahnden.

Köln – Samstagabend um 22 Uhr am Aachener Weiher. Gelächter, abschätzige Kommentare oder Gags wie „Kommt her, wir haben Drogen“, folgen der fünfköpfigen Ordnungsamtsgruppe den gut gefüllten Hügel hinauf. Der Fokus der Feiernden ist auf die Mitarbeiter in Neongelb gerichtet. Körperlich ist der Abstand gewahrt, verbal begegnen die Menschen den Stadtmitarbeitern aber distanzlos. Begriffe wie „Pseudopolizisten“ oder Aufforderungen wie „Macht euch weg“ gehören noch zu den harmloseren Beschimpfungen.

Wochenende in Köln, an Hotspots treffen sich wieder Feiernde und stellen das Ordnungsamt vor Herausforderungen – auch wenn diese Abendschicht ohne größere Zwischenfälle verläuft. Der Vorschlag, mit einem Interims-Biergarten an der Vogelsanger Straße die Open-Air-Treffs zu entzerren, liefert Diskussionsstoff beim Wegbier (siehe Umfrage).

DJ bat zur Party

Die Polizei musste in der Nacht zum Sonntag eine Party mit 500 Gästen am Girlitzweg in Vogelsang auflösen. Ein

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DJ hatte über Instagram eingeladen und sich dann über den großen Zuspruch gewundert. Gegen ihn wurde Anzeige erstattet wegen Verstoßes gegen die Corona-Schutzauflagen.

Eine Schlager-Demo auf dem Heumarkt mit 100 Teilnehmern am Samstag verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. (mft)

Dennis Schwellenbach vom Einsatzteam geht den Abend trotz manchmal mangelnden Abstands und Anstands ganz gelassen an. „Da muss man durch. Generell ist man nicht beliebt und bekommt oft die ganze Wut ab. Der Einsatz ist mental anstrengender als körperlich.“

Bekommen  Wut ab

Am Abend kontrolliert das Team Erregungen öffentlichen Ärgernisses, allgemeine Ordnungswidrigkeiten, Jugendschutz, Ruhestörung, „Wildpinkler“ und Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung. Die Beamten klären auf, dass sie Verstöße gegen die Maskenpflicht mit 100 Euro und Ansammlung ohne Mindestabstand mit 200 Euro ahnden. „Zuerst versuchen wir aber immer das mildeste Mittel“, bemerkt Daniel Baldus. „Ziel ist die Deeskalation. Wir appellieren zuerst an die Einsicht und ermahnen mündlich, bevor wir Bußgelder verhängen.“

Während des Lockdowns haben die Menschen auch positiv auf die Nachsichtigkeit des Amtes reagiert. „Zu Corona-Hoch-Zeiten waren die Menschen dankbarer für unsere Hilfe, seit den Lockerungen hat sich aber alles wieder gedreht“, sagt Schwellenbach. Der Respekt ist weg, dabei sind die Befugnisse des Ordnungsamts nah an denen der Polizei. Sie dürfen zwar nicht aktiv in den Straßenverkehr eingreifen, was aber viele nicht wissen: Sie dürfen den Personalausweis kontrollieren.

Mit kleinem und großem Pfefferspray, Handschellen, Fesseln, Taschenmesser und Taschenlampe sind sie auch umfangreich ausgestattet. „Für unsere Ausrüstung müssen wir viele Eignungsnachweise erbringen. Für das Reizstoffsprühgerät machen wir eine eintägige Schulung, für den Schlagstock eine einwöchige mit Eignungsnachweis“, sagt Dennis Steidl.

Der Fußweg der Ordnungshüter führt weiter durch die Innenstadt. Für diesen Job ist Bewegungsfreude Voraussetzung. „An einem normalen Arbeitstag laufe ich zwölf bis 25 Kilometer“, erzählt Elisabeth Andreasen. Schwellenbach ergänzt: „Nach einem Jahr sind die Schuhe durch.“ Eine Schicht geht von 18 bis mindestens 2 Uhr in der Früh. Die Corona-Zeit hat den Außendienst der Stadt aber vor harte Anforderungen gestellt.

15 600 Überstunden hat das Ordnungsamt innerhalb der drei Monate vom 23. März bis 22. Juni gemacht. Auf dem bisherigen Corona-Zenit hatten die Ordnungshüter über 200 Aufträge am Tag. Das waren wiederum nur die 70 bis 75 Prozent der Anrufe, welche die Rufstellen annehmen konnten. Mittlerweile hat sich das Tages-Pensum zwar auf knapp die Hälfte reduziert, die Belastungen haben abgenommen. Aber die Pandemie mit den damit verbundenen großen Herausforderungen ist noch nicht zu Ende.

Umfrage: Was halten Sie von einer Ausweichzone an der Vogelsanger Strasse?

Tojah, 27: „Ich wohne am Hans-Böckler-Platz, der derzeit zum kleinen Brüsseler Platz wird. Dort sitzen momentan sehr viele Leute, der ganze Müll bleibt liegen. Eine neue Anlaufstelle für die Feiernden wäre gut.“

Hans, 60: „Ich wohne direkt hier am Grüngürtel und merke, wie der Park immer voller wird. Mit Hunderten Feiernden, die bis in die Nacht Party machen, bis die Polizei kommt. Ich finde, der Biergarten ist keine gute Idee.“

Kira, Sonja (beide 27):  „Wir können uns vorstellen, dass die Menschen dort hingehen, wenn Alkohol verkauft wird und gute Musik läuft. Die Frage ist aber, was mit dem Müll ist und wie Anwohner und Parkbesucher die Idee finden.“

Elena, 20: „Ich bin gestern am Rhein geradelt und dort ist gar nichts los, während ich das Gefühl habe, dass sich alles Leben auf die Innenstadt konzentriert. Ich fühle mich an den Coronahotspots nicht wohl und bleibe ihnen lieber fern.“

Vom gut frequentierten Aachener Weiher geht es weiter zum Brüsseler Platz im Belgischen Viertel, der bis Anfang August gesperrt ist. Dort sind die Außengastronomien drumherum gut besucht, der Platz selbst ist leer. „Für Samstag ist recht wenig los“, erzählt Baldus. „Das Menschenaufkommen hängt stark vom Wetter ab.

Weil die Discos zu haben, sammeln sich die jungen Menschen zum Beispiel am Aachener Weiher, Stadtgarten oder der Schaafenstraße. Dort schauen wir im Verlauf des Abends häufiger vorbei.“ Es geht weiter zum Josef-Haubrich-Hof.

Der Platz hinter der Volkshochschule an der Stadtbibliothek ist ein Drogenhotspot und Treffpunkt für Junkies. Dort nehmen die Mitarbeiter Ordnungswidrigkeiten auf. Zur Gefahrenabwehr entfernen sie die gefährlichen Hinterlassenschaften wie Spritzen und andere Drogenutensilien.

Bei den Einsätzen sind nicht nur die Ordnungskräfte Gefahren ausgesetzt, auch die Fahrzeuge müssen einiges aushalten, betont Baldus. „Angefangen bei Flaschenwürfen gegen die Wagen über das Verkratzen und Bespucken bis hin zum Herumtrampeln auf den Autos ist alles dabei.“

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Dennoch macht Baldus seinen Job gerne. „Es macht Spaß, weil es ein abwechslungsreicher Beruf ist. Die Kommentare habe ich am Anfang mit nach Hause genommen, jetzt gehe ich gelassen damit um.“ In den vier Jahren seiner Tätigkeit hat ihn noch niemand angegriffen. Er ist froh, dass er auch wieder der Bearbeitung normaler Ordnungswidrigkeiten nachgehen kann und nicht hauptsächlich zur Kontrolle der Corona-Schutzregelungen eingesetzt wird.

„Es ist eine Erleichterung. Wegen Masken, Hygienepflicht und Ansammlungen haben wir uns oft den Mund fusselig reden müssen. Es ist schön, mal wieder im Tagesgeschäft zu sein und einen recht ruhigen Samstag zu erleben.“

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