BestandsaufnahmeStadtdirektor Stephan Keller arbeitet nun seit 365 Tagen in Köln

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Zu strikte Ordnungspolitik? „Ich bin gerne ein Law-and-Order-Mann, wenn das heißt, dass bestehende Regeln eingehalten werden müssen“, sagt Stadtdirektor Stephan Keller.

Zu strikte Ordnungspolitik? „Ich bin gerne ein Law-and-Order-Mann, wenn das heißt, dass bestehende Regeln eingehalten werden müssen“, sagt Stadtdirektor Stephan Keller.

Köln – An manchen Tagen kommt Stadtdirektor Stephan Keller dieser eine Gedanke: Mensch, das ist schon eine große Aufgabe in Köln. Mittlerweile ist es ein Jahr her, dass Keller, 47, aus Düsseldorf nach Köln gewechselt ist. Dort war er Beigeordneter für Recht, Ordnung und Verkehr. Keller sagt: „Den Wechsel habe ich noch keinen Tag bereut. Auf keinen Fall.“ Er ist zufrieden mit seinen ersten 365 Tagen. Einer, der etwas zu sagen hat im Rathaus, hingegen sagt: „Keller ist noch nicht angekommen in Köln.“ Aus der anderen Ecke ist zu hören, dass es nun professioneller zugehe als bei Vorgänger Guido Kahlen (SPD).

Für acht Jahre hat der Stadtrat CDU-Mitglied Keller gewählt, er fährt auf CDU-Ticket, wie es im Polit-Jargon heißt. Meint: Die CDU hatte das Vorschlagsrecht für den Dezernenten.

An Keller scheiden sich durchaus die Geister, was angesichts seiner Position nicht ungewöhnlich ist: Er ist nicht irgendjemand in Köln, sondern der zweite Mann, direkt hinter Oberbürgermeisterin Henriette Reker, verantwortlich unter anderem für die Bürgerämter, das Personal, das Vergabeamt, Feuerwehr, Rettungsdienst und die öffentliche Ordnung.

Viel Aufgaben, viele Themen

Das sind viele Aufgaben, und viele Themen, die nicht ohne sind, Konflikte bergen. Teilweise sind die Themen Tage oder sogar Wochen Stadtgespräch wie etwa der 11.11. und seine Auswüchse: Wildpinkler, Schlägereien und Übergriffe auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes, Keller stattet sie danach unter anderem mit Reizstoffpistolen aus. „In Köln werden Dinge mit einer bestimmten Aufgeregtheit diskutiert, die es anderswo nicht gibt“, sagt Keller.

Gerade zuletzt ist es rauer geworden für Keller, die Ratssitzung im Dezember läuft nicht wie gewünscht. Der Angstraum Ebertplatz? Keller will den West-Teil dicht machen, die Polizei spricht sich dafür aus. Der Stadtrat verhindert das, übrigens mit Stimmen der CDU, der eigenen Partei. Doch laut Keller haben solche Fragen nichts mit Politik für die eigene Partei zu tun.

Linken-Fraktionschef Jörg Detjen sagt dazu: „Er ist nicht progressiv und entwickelt keine neuen Formen der Konfliktlösung. Beim Ebertplatz lag er mit seinem Mauerkurs mit dem großen Teil des Rates im Konflikt.“ Keller selbst sieht das anders, spricht auch nicht von einer Niederlage. „Es ist nicht mein Stil, Vorschläge nur dann zu machen, wenn die Mehrheit vorher feststeht“, sagt er. „Die Verwaltung macht die Vorschläge, die sie fachlich für richtig hält.“ Die Politik müsse die Verantwortung für ihre Beschlüsse übernehmen.

Trotzdem hat er nach außen nicht gut ausgesehen bei dem Thema – zumal die OB seine Schließungstaktik im November kassiert, als sie von einer Dienstreise zurückkehrt. Die versehentliche Kündigung einer Kunstgalerie macht das Ganze nur noch schlimmer.

Es scheint, als befände sich Keller schon mal in der Zwickmühle: Zwar stärkt die CDU ihn, muss aber ihren Bündnispartner, die Grünen, bei Laune halten. Das schwarz-grüne Gestaltungsbündnis vereint nur 43 Sitze auf sich, braucht also immer drei andere Stimmen um die Mehrheit von 46 Stimmen zu erreichen, häufig kommen sie von der FDP.

Die halbe Republik lacht über Köln

Grünen-Fraktionschef Jörg Frank bezeichnet Keller zwar als antrittsschnell, er erfasse die wesentlichen Themen. Frank sagt aber auch: „Keller sieht noch nicht, wie die politische Mehrheit im Rat ist und dass es ein Bündnis und keine CDU-Regierung ist.“ Keller selbst sagt: „Ich bin ein politisch denkender Mensch und habe schon viel gemeinsam mit der Politik umgesetzt.“

Vor allem gibt Köln als Millionenstadt teils eine hohe Schlagzahl vor. Als Keller gerade im Amt ist, stellt sich der Blitzer auf der A3 als fehlerhaft heraus, die halbe Republik lacht über Köln – obwohl die Bezirksregierung verantwortlich ist. Es folgen Schlägereien auf dem Rheinboulevard, Keller erlässt ein Shisha-Verbot, Stadt und Polizei erhöhen den Kontrolldruck. Mit Erfolg: Die Stadt hat den Rheinboulevard wieder im Griff. Trotzdem nennt manch einer Keller einen Law-and-Order-Mann, also jemanden, der zu sehr auf polizeiliche Maßnahmen dränge. „Ich bin gerne ein Law-and-Order-Mann, wenn das heißt, dass bestehende Regeln eingehalten werden müssen“, sagt er. „Vielleicht war die Stadt in der Vergangenheit ein Stück weit zu tolerant.“

Tatsächlich gibt es Ratspolitiker, die über Keller nichts Schlechtes sagen – selbst hinter vorgehaltener Hand. Eine Seltenheit. „Neue Besen kehren gut“, sagt etwa FDP-Fraktionschef Ralph Sterck. „Es ist ein anderer Zug drin.“ Andere sind kritischer, unter anderem hängt das von der politischen Farbenlehre ab. Die SPD hat CDU-Mitglied Keller zwar gewählt, nun sagt Fraktionschef Martin Börschel: „Wir haben ihn vor einem Jahr mit gewählt, daher sind wir jetzt um so ernüchterter. Er entpuppt sich mehr und mehr als Parteisoldat.“ Die CDU ist erwartbarerweise zufrieden mit ihrem Kandidaten, Fraktionschef Bernd Petelkau nennt ihn einen Umsetzer, Geschäftsführer Niklas Kienitz verteilt die Note zwei plus. „Er ist ein selbstbewusster Stadtdirektor mit eigenen Vorstellungen, er will eigene Impulse setzen“, sagt Kienitz.

Bei der kriselnden Gebäudewirtschaft beispielsweise will er dem Vernehmen nach eingreifen, von deren Chefin Petra Rinnenburger ist er wohl nicht überzeugt. „Kellers Umgang mit ihr war unterirdisch“, sagt ein Kenner. Am Ende bleibt Rinnenburger, auch weil die Grünen anderer Ansicht sind als Keller – mal wieder.

Weniger Bürokratie, mehr Eigenverantwortung

Manch einem geht Kellers Blick zu oft nach Düsseldorf. Er wolle Personal aus Düsseldorf holen, und Düsseldorf sei eben nicht Köln. Jörg Frank sagt: „Er muss sich stärker auf die Kölner Verhältnisse einstellen.“ Ein anderes Ratsmitglied sagt: „In Düsseldorf gibt es die Verwaltung, dann die Verwaltung, und dann noch mal die Verwaltung. Und dann erst kommt irgendwann der Rat. Das ist in Köln anders.“ Heißt: Die Verwaltung muss die Politik stärker von Ideen überzeugen. Auch Keller bemerkt die vielen engen Verschränkungen zwischen Politik und Verwaltung. Er fordert mehr Eigenverantwortung: „Dass die Politik über neue T-Shirts für die Feuerwehr entscheidet, halte ich für zu viel Bürokratie.“

Als Erfolge im vorigen Jahr nennt er kürzere Wartezeiten beim Bürgerservice, die angeschobene Digitalisierung, die Reform der Gebäudewirtschaft sowie zwei gut organisierte Wahlen. Trotzdem: Keller will die Verwaltung schneller machen, besser, mehr Eigenverantwortung fördern. Von heute auf morgen geht das nicht, das weiß Keller. „Es ist eine sehr herausfordernde Aufgabe. Aber die Stadt Köln ist mit viel Potenzial gesegnet. Und dieses Potenzial will ich mitgestalten.“

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