Blick hinter die KulissenPaul Timmer hält die Fäden der KVB-Leitstelle in der Hand

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Er hält die Fäden in der Hand: Paul Timmer, Chef der KVB-Leitstelle.

  • Es raucht nur einen Anruf, um den Tag von Paul Timmer auf den Kopf zu stellen.
  • Der Chef der KVB-Leitstelle hält die Fäden des Kölner Nahverkehrs in der Hand.
  • Besondere Zwischenfälle gibt es genau so wie die „Klassiker“.

Köln – Paul Timmer sitzt entspannt in seinem Sessel. Im Hintergrund geht es ruhig zu. Der 55-Jährige spricht mit sanfter Stimme. Er nimmt sich Zeit. Aber es bräuchte im Extremfall nur einen Anruf, und der Tag steht Kopf. Dann würde dort, wo Timmer gerade sitzt, von jetzt auf gleich mit angespannter Konzentration gearbeitet.

Telefonate würden geführt, Lichter aufblinken, die zahlreichen Computerbildschirme scharf in den Blick genommen. Und Paul Timmer, Chef der KVB-Leitstelle, hält die Fäden in der Hand.

Ein KVBler von der Pike auf

54 Mitarbeiter, drei Schichten an sieben Tagen in der Woche, 365 Tage im Jahr. Das Netz, das sich an den riesigen Bildwänden an der Vorderfront der Leitstelle abbildet, kennt Paul Timmer wie seine Westentasche. Nicht nur, weil er schon seit Dezember 2011 Dienstellenleiter ist. Sondern auch, weil er 1988 als Fahrer bei den Kölner Verkehrs-Betrieben angefangen hat.

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Er ist ein KVBler von der Pike auf, hat seinen Weg durch das Unternehmen gemacht. „Bei der KVB ist so etwas noch möglich“, sagt er. Berufsstolz schwingt mit. Nicht, dass dieser Weg ein Spaziergang gewesen wäre. Wer als Verkehrs- und Stellwerksmeister in der Leitzentrale sitzt, der hat sich wie Timmer diesen Platz erarbeitet. Der war mindestens drei Jahre auf der Strecke.

Der Weg in die Leitstelle ist nicht einfach

Will er als Busfahrer das Ziel Verkehrs- und Stellwerksmeister ansteuern, dann muss er sich auch noch als Bahnfahrer ausbilden lassen und in dieser Sparte das Netz befahren. Der Bahnfahrer muss auf den Bus. Es folgen unter anderem Seminare für Führungskräfte, die Ausbildung am Arbeitsplatz, ein einjähriger Einsatz in der Leitstelle.

Gut zweieinhalb Jahre braucht es, bis der Neue sattelfest ist in der Leitstelle. Ein Aufwand, den nicht jeder Verkehrs-Betrieb in der Republik betreibt. Doch Timmer würde jede Abkürzung inakzeptabel finden: „Die Verantwortung ist immens.“

Wenn die „Alarmlampen angehen“

Seine Leute und er müssen die Ärmel hochkrempeln, wenn es bei der KVB klemmt. Es gibt Klassiker: Ein Lkw reißt mal wieder den Fahrdraht der Linie 3 auf der Karlsruher Straße runter. Wenn auf den riesigen digitalen Streckenplänen in diesem Streckenabschnitt die „Alarmlampen angehen“ und der entsprechende Funkspruch eines Fahrers eingeht, greift die Routine.

„Die Linie wird getrennt, Ersatzbusse werden geordert, Informationen an die Fahrgäste gehen raus, die Fahrleitungstechnik wird informiert, und unsere Betriebsaufsichten und Servicekräfte werden zur Störstelle entsendet“, erklärt Timmer den groben Rahmen.

Am schlimmsten seien Unfälle mit Kindern

Doch es gibt auch Zwischenfälle, da müssen alle Sinne angespannt werden, um die Routine abzurufen. „Das schlimmste ist, wenn Unfälle passieren, bei denen Kinder involviert sind“, sagt der Chef der Leitstelle. „Das nimmt man mit nach Hause.“

Manchmal aber ist es ein bisschen verkehrte Welt, was sich in der Leitzentrale abspielt. Natürlich erinnert sich Timmer noch gut an den 3. März 2009 – der Tag, an dem das Stadtarchiv einstürzte. „Die größte Katastrophe in der Unternehmensgeschichte“, sagt der Dienststellenleiter.

Doch könnte man diese Katastrophe isoliert aus dem Blickwinkel der Leitstelle betrachten, losgelöst von den beiden Todesfällen, den unrettbar verlorenen historischen Schätzen, dann wäre es ein eher ruhiger Tag gewesen. „Wir mussten zwei Buslinien umleiten.“

Der „schwarze Freitag“

Ganz anders dieser Freitag im Jahr 2015. Timmer nennt ihn nur den „Schwarzen Freitag“. Ein Sturm zog über Köln. Nichts Besonderes, nichts für die Geschichtsbücher. Ein Ast brach ab. Kein besonders großer. Kaum mehr als einen halben Meter lang.

Doch er landete auf dem Dach einer Stadtbahn, verkantete sich dort und wurde in das Tunnelgeflecht am Appellhofplatz hineingezogen. Eine Herzkammer des Stadtbahnliniennetzes. Fahrdrahtabriss auf breiter Front. „Die Linien 3, 4, 5, 16 und 18 waren betroffen. Wir haben zwölf Stunden gebraucht, um das wieder hin zu bekommen“, stöhnt Timmer noch heute auf.

Kein geschlossenes System

Das sind Tage, an denen das eh schon schwierige Verhältnis der Kölner zur ihrem Verkehrsbetrieb auf eine weitere harte Probe gestellt wird. „Wir sind halt kein geschlossenes System“, erklärt Timmer die Störanfälligkeit.

Der Mix aus Straßen- und U-Bahn, aus Nieder- und Hochflurbahnen und vor allem die Fahrten im fließendem Verkehrs haben so ihre Tücken. „Wenn die Kritik von unseren Fahrgästen kommt, dann kann ich damit umgehen. Die haben das Recht, pünktlich von A nach B gebracht zu werden, und sie müssen dabei nicht um alle Hintergründe wissen.“

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Allein wenn die Kritik sich persönlich gegen die Kollegen hinter Lenkrädern und Steuerknüppeln richtet und dann auch noch beleidigend wird, wankt Timmers Sanftmut. „Das ärgert mich, damit habe ich ein Problem, denn die Kollegen geben alle ihr Bestes, um einen Bus oder eine Bahn pünktlich und sicher durch diese Stadt zu steuern.“

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