Blinder Flüchtling aus Syrien„Ich will arbeiten, nicht nur zuhause bleiben“

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Hofft auf eine Zukunft in Deutschland: Mohamad Jolo mit seiner Tochter Silvin (4).

Hofft auf eine Zukunft in Deutschland: Mohamad Jolo mit seiner Tochter Silvin (4).

Köln – Als Mohamad Jolo 2015 nach Deutschland kam, war er einer von vielen Flüchtlingen. Und dennoch ist seine Geschichte eine besondere. Jolo, 36 Jahre alt und aus dem syrischen Rakka stammend, ist aufgrund eines Unfalls seit seiner Kindheit vollständig blind.

Geflohen war der Kurde muslimischen Glaubens damals, weil der Bürgerkrieg in Syrien im Allgemeinen und der Aufstieg des Islamischen Staates im Besonderen sein Leben und das seiner Familie bedrohten. Die Flucht gelang Jolo dabei nur, weil ihm ein Freund aus Aleppo half und ihn begleitete. Von der Türkei aus ging es mit dem Schlauchboot zuerst nach Griechenland, dann nach Mazedonien und Serbien, von wo aus es schließlich bis nach Deutschland weiterging. „Wenn ich unterwegs sterben sollte, dann wär das so gewesen – in Syrien hatte ich so oder so keine Zukunft“, erklärt Jolo den riskanten Schritt.

Selbst deutsch beigebracht

In Syrien hatte Jolo zum Schluss Philosophie studiert. Der Krieg zwang ihn dann jedoch, sein Studium ohne Abschluss abzubrechen. Gerne würde er in seiner neuen Heimat Deutschland wieder zur Universität gehen. „Ich will studieren, arbeiten oder eine Ausbildung machen und nicht nur zuhause bleiben“, sagt Jolo bestimmt. Die deutsche Bürokratie stellt sich dabei jedoch als keine allzu große Unterstützung heraus. Und das, obwohl Jolo mittlerweile bereits sehr gut Deutsch spricht und versteht. Beigebracht hat er sich das alles selbst – mit Hilfe von Lern-CDs, Fernseher und Internet.

So habe es etwa, wie Wolfram Buttschardt vom gemeinnützigen Verein Handicap International, der Jolo und andere Flüchtlinge mit Behinderungen bei der Integration unterstützt, erzählt, richtige Überzeugungsarbeit benötigt, um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dazu zu bringen, bei Jolo eine mündliche Prüfung zwecks Sprachnachweis zuzulassen. „Man sollte ja meinen, dass das logisch ist – ist es aber leider nicht. „,Papier’ und ,Geduld’ sind zwei Worte, die eigentlich jeder Flüchtling hier schnell lernt“, fügt Buttschardt mit bedauerndem Unterton an.

Große Unterstützung vom Auswärtigen Amt

Ein besonders emotionaler Moment war es für Jolo, als es ihm im Januar 2018 nach langem Hin und Her endlich gelang, seine Frau Khewter und die drei Kinder Tolin (12), Bangien (10) und Silvin (4) nachzuholen. Bei seiner Flucht hatte er die Familie zunächst in der Türkei zurückgelassen. Kölner Organisationen wie das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V. in Ehrenfeld und die Diakonie Michaelshoven haben hier engagiert geholfen und große Unterstützung vom Auswärtigen Amt erhalten. „Ich habe mehr als zwei Jahre meine Familie nicht gesehen. Als sie dann in Köln angekommen sind, ganz ehrlich, da habe ich geweint“, erinnert sich Jolo an den Moment zurück. Vor fünf Monaten ist die Familie, die in Vingst lebt, noch mal gewachsen: Im März kam Töchterchen Elisa zur Welt.

Mittlerweile hat Jolo gemeinsam mit anderen Geflüchteten eine Selbsthilfegruppe für Flüchtlinge mit Behinderungen und deren Angehörige gegründet. Auch bei Handicap International hilft der 36-Jährige mit, gibt etwa für das Projekt Crossroads, das Schnittstellen zwischen der Flüchtlings- und der Behindertenarbeit schaffen will, als Betroffener bundesweit Vorträge. Und auch seinen Traum, sein Philosophiestudium in Köln wieder aufnehmen und zu Ende führen zu können, hat der 36-Jährige noch nicht aufgegeben.

Eine Rückkehr nach Syrien, selbst wenn die Lage es wieder zulassen sollte, kommt für Jolo nicht in Frage. Er fühlt sich wohl in Deutschland und vor allem in Köln. Die Menschen hier seien hilfsbereit und freundlich, und dank seines vielfachen Engagements würde ihm auch ohne derzeitige Arbeit nicht langweilig. Für ihn steht von daher fest: „Hier sind wir in Sicherheit, hier können meine Kinder eine bessere Zukunft haben.“

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