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Bombe in ZollstockGefährliche Routine für 300 Einsatzkräfte und 7000 Betroffene

Lesezeit 3 Minuten
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Bereits am vergangenen Freitag wurde auf der Baustelle in Köln-Zollstock ein Bombenblindgänger gefunden. Die Entschärfung folgte aufgrund der Lage am Samstag.

  • Die gleiche Prozedur nochmal! Erst am Samstag war in Zollstock eine Bombe zu entschärfen.
  • Jetzt, 50 Meter weiter, setzt ein neuerlicher Bombenfund auf derselben Baustelle erneut die komplette Evakuierungs- und Entschärfungsmaschinerie in Gang.
  • Das passiert 15 bis 20 Mal im Jahr. Für die meisten der etwa 300 Beteiligten ist es Routine.

Köln-Zollstock – 19:26 Uhr am Dienstag steht fest: Was der Bagger am Nachmittagauf der Baustelle am Karlheinz-Steimel-Weg freigelegt hat, ist wieder eine Bombe. Erneut eine Überraschung. Gelegentlich werden Weltkriegsbomben nach Luftbildauswertungen bei Sondierungen aufgespürt. „Hier ging das nicht. An diesem Ort war ein wichtiger Bahnknoten für den Nachschub Richtung Ardennen. Er ist stark bombardiert worden“, erklärt Heribert Büth vom Ordnungsdienst der Stadt.

„Mit eisenhaltigem Material wurde aufgefüllt. Metalldetektoren können darin keine Bombe erkennen.“ So ist der Zufallsfund über Polizei und Stadt – wie üblich – an das Ordnungsamt gemeldet worden. Erster Schritt: Ein Foto vom Fundstück für den Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes anfertigen. Denn nur der darf entscheiden, ob etwas eine Bombe ist. Eine Hülle voller Sprengstoff ohne Zünder ist jedenfalls keine. 

Bombenfund: Gefahrenradius bestimmen

20:15 Uhr. Die Entschärfer bestimmen Kaliber, Zündart, Sprengkraft und den Sicherheitsradius für eine Entschärfung. Faustregel: je fünf Zentner sind 300 Meter Abstand nötig. So weit würde Material bei einer Detonation katapultiert, und die Druckwelle ließe Häuser einstürzen. Weil große Bauten weiter weg stehende schützen und Baulücken Druck durchlassen, ist das Evakuierungsgebiet selten ein Kreis. Da es sich – wie am Wochenende – um eine englische Fünf-Zentner-Bombe mit Heckaufschlagzünder handelt, wird der gleiche Sicherheitsbereich festgelegt: über Gottesweg und Zollstockgürtel hinaus, mit Höninger Weg und Heisterbachstraße als Begrenzung.

Der Zünder ist zwar deformiert, aber intakt – doch nicht so gefährlich wie ein Langzeitzünder: Der reagiert auf Druckveränderungen und wärmere Umgebungsluft. In solch einem Fall wäre sofort evakuiert und entschärft worden. So ist aber Zeit, Waggons mit Gefahrgut aus dem Gefahrenbereich zu ziehen und Anwohner per Lautsprecher über eine Räumung am nächsten Tag zu informieren. Kindergärten und Schulen verständigen Eltern über ihre kurzfristige Schließung.

Evakuierung: Aufteilung in Klingelgruppen

9:00 Uhr. Die Evakuierung läuft pünktlich an. Außer den Entschärfern muss jeder den Schutzbereich verlassen. Von den 140 Einsatzkräften des Ordnungsdienstes (im Alltag für Gaststättenkontrollen, Wildpinkler, Kippenflitscher und Streifengänge in ihren Bezirken zuständig) haben meist über 50 Tagdienst. Sie werden durch den Verkehrsdienst (er hat 230 Kräfte) und Freiwillige aus Verwaltung und von Hilfsorganisationen aufgestockt. 230 Kräfte besetzen am Ende den Einsatzleitwagen, übernehmen die Organisation (Verpflegung, Sprachmittler, Kontakt zu Einrichtungen und Verkehrsbetrieben) und teilen sich in „Klingelgruppen“ auf.

9:39 Uhr. In Gruppen, nie allein, klingeln und klopfen Ordnungskräfte an jeder Tür, denn alle müssen raus. Sie erfragen auch, wer Hilfe beim Verlassen des Sperrbereichs benötigt und organisieren gegebenenfalls Transporte. Am Berufskolleg in der Brüggener Straße entfällt der Unterricht. Von den 7000 Menschen, die Wohnung oder Arbeitsplatz verlassen müssen, warten hier 44 Patienten der Zollstockhöfe und etwa 200 Anwohner auf die Entwarnung.

Entschärfung klappt nicht immer

„Dass es nun zum zweiten Mal in so kurzer Zeit passierte, hat die Bereitschaft zur Mitwirkung nicht gerade erhöht“, grummelt Büth. Die Aufforderung zum Verlassen des Sperrbereichs ist keine Bitte. Wer sich widersetzt, wird laut Büth in Gewahrsam genommen. „Verzögert sich eine Entschärfung wegen eines Räumungsverweigerers, geht es anschließend um Schadensersatz. Denn alle müssen dann zusätzlich warten.“

12:24 Uhr. Das Verkehrsdezernat hat den gesamten Evakuierungsbereich abgesperrt. Die Teams treten zum zweiten Klingeldurchgang an: Sie klingeln und klopfen, bis im Sperrgebiet niemand mehr gesichtet wird.

13:44 Uhr erfolgt die Freigabe für die Entschärfer. Nun fahren auch keine Bahnen mehr. Es wird so still, dass selbst die Tiere verstummen und Eichhörnchen irritiert den Platz wechseln.

14:16 Uhr. Entwarnung. Die Entschärfer melden sich. Die unschädlich gemachte Bombe liegt auf der Pritsche ihres Wagens. Das klappt nicht immer. Kürzlich erst musste eine Bombe zum Rhein gebracht und dort gesprengt werden. 

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