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BuchDas Schicksal der jüdischen Metzgerfamilie Katz-Rosenthal in der NS-Zeit in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Hatte in Köln einen Namen: Die erfolgreiche jüdische Metzgersfamilie Katz.

Hatte in Köln einen Namen: Die erfolgreiche jüdische Metzgersfamilie Katz.

Köln – Stuckdecken, hölzerne Flügeltüren – Michael Vieten war fasziniert von dem Altbau in der Ehrenstraße 86, in den er 2002 einzog. Eine Nachbarin, die dort seit einem halben Jahrhundert lebte und im Viertel aufgewachsen war, wusste, wer hier vor dem Krieg zu Hause war: Die Familie Katz-Rosenthal. Einer „von denen“ habe sich in dieser Wohnung „kapott geschossen“, teilte sie unverblümt mit. „Darum wollte ich wissen, was diese Wände gesehen haben“, sagte Vieten.

Was er herausfand, liegt nun als Buch mit einem Umfang von 280 Seiten vor. Es ist eine Familien- und Firmengeschichte, verwoben mit einer Beschreibung seiner Recherchen sowie den Machenschaften der Nationalsozialisten  und einem inszenierten Skandal, von dem  im Sommer 1928 in Köln jeder wusste.

Erstes „Fastfood-Restaurant“ in Schildergasse

Die Familie Katz war eine liberale, jüdische Metzgersfamilie, bestens vernetzt und  als ebenso modern wie günstig bekannt. Ein Sohn importierte Gefrierfleisch aus Argentinien. Zu Ostern waren lebende Lämmer in den Schaufenstern zu sehen, Mosaike und Lichteffekte prägten die Ladenlokale, das Unternehmen gab 140 festen Kräften und 70 Aushilfen Arbeit.

In der Schildergasse 99–101 hatte Katz-Rosenthal zudem im Februar 1928 das erste „Fastfood-Restaurant“ eröffnet, wie Vieten berichtet: „Dort gab es keine Bedienung. Man zog eine Nummer für ein warmes Essen.“ Am 14. April 1928 zog auch der Preisboxer Jakob Domgörgen eine solche Nummer.

Das Gulasch, das er dafür erhielt, drehte ihm aber den Magen um, wie er  beim Geschäftsführer reklamierte: Eine Maus sei im Essen. Es gab ein Gerangel, und sein beschädigter Anzug wurde auf der Stelle mit 100 Reichsmark abgefunden. Aber Domgörgen wollte mehr Geld und brachte die Geschichte zum „Westdeutschen Beobachter“, einem Propagandablatt der damals noch recht kleinen Nazi-Gruppe in Köln, das in einem Hinterhof am Ubierring gedruckt wurde.

Älteste Familienangehörige ist heute 103 Jahre alt

Die Geschichte von Katz und Maus  beflügelte die antisemitische Hetze von Herausgeber Dr. Robert Ley – und dessen Karriere. Ley wurde schließlich Reichsorganisationsleiter der NSDAP. Katz nährte ungewollt die Hetze, indem er mit großen Zeitungsanzeigen „Zur Aufklärung“ beitragen und seine Ehre retten wollte, was ihm schließlich gerichtlich gelang. Die Maus sei „mitgebracht“ und die Firma erpresst worden. Als die Nazis an die Macht gelangten, ermordeten sie mit vielen anderen Juden auch die ältere Generation der Familie Katz.

Michael Vieten (48), der als Sozialpädagoge an einem Abendgymnasium in Bonn arbeitet, besuchte Überlebende in verschiedenen Ländern. Die Älteste ist heute 103 Jahre alt und mag nicht mehr Deutsch sprechen. Sie lebt in Florida. Derjenige, der sich „kapott geschossen“ hat, war ihr Vater Abraham Katz. Er mochte Köln nicht verlassen und wie die Verwandten vor den Nazis fliehen. Als er erfuhr, dass seine Frau einen Liebhaber hatte, griff er zum Bolzenschussaparat. „Ich halte Euch fest und ihr lasst mich nicht los! – Katz-Rosenthal, Ehrenstraße 86, Köln“, Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin, ISBN 978-3-95565-146-6, 24,90 Euro. Vortrag am 12. April, 19 Uhr im El-De-Haus, Appellhofplatz 23–25, Eintritt 4,50 Euro.

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