Charité-Variante Vorbild für KölnKarl Lauterbach will Chance nicht verschenken

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Uniklinik Aufsicht

Das Gelände der Uniklinik in Köln

Von einer „Charité des Westens“ ist die Rede, wenn es um den Plan geht, in Köln einen Verbund aus Uniklinik und städtischen Kliniken zu schmieden. Europas größte Universitätsklinik in Berlin, deren Geschichte Stoff für zwei ARD-Serien lieferte, dient als Vorbild für die Idee, in Köln ein Zentrum der Spitzenmedizin von internationaler Bedeutung zu schaffen. Nicht von ungefähr schielt man vom Rhein in Richtung Spree. Die Gesundheitsbranche ist ein Jobmotor in Berlin und Umland, sie beschäftigt dort rund 370 000 Menschen, die 25 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaften.

Während man sich in Köln die Charité zum Maßstab nimmt, wird in der Hauptstadt längst in größeren Dimensionen gedacht. Unter dem Titel „Gesundheitsstadt Berlin 2030“ hat der Senat eine Zukunftskommission berufen, die aufzeigen soll, wie die medizinische Spitzenforschung gestärkt und zugleich die Patientenversorgung auf höchstes Niveau gehoben werden kann. Die unabhängige zwölfköpfige Expertengruppe unter Vorsitz des Kölner Gesundheitsökonomen Prof. Karl Lauterbach (56, SPD) stellt am heutigen Montag in Berlin ihre Ergebnisse vor.

Kooperation von Charité und Vivantes

Zentraler Bestandteil der Überlegungen ist eine enge Kooperation zwischen der Universitätsklinik Charité (3001 Betten) und Deutschlands größtem kommunalen Klinikkonzern Vivantes (5782 Betten). Beide gehören dem Land Berlin, sie versorgen fast die Hälfte der Krankenhauspatienten in der Stadt.

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Sowohl die Charité als auch Vivantes seien wirtschaftlich solide aufgestellt, betont Lauterbach. Das unterscheide die Lage in Berlin von Köln, wo die Uniklinik zwar Gewinne schreibt, die drei städtischen Krankenhäuser aber seit Jahren mit großen Defiziten kämpfen. „Ziel in Berlin ist es, die finanziell gesunden Kliniken zukunftsfähig zu machen. Dafür sind erhebliche Anstrengungen erforderlich. Daraus folgt für Köln, wo die städtischen Kliniken erst noch wirtschaftlich saniert werden müssen, dass man hier noch größere Herausforderungen bewältigen muss“, so Lauterbach.

Kölner Klinikverbund

Angesichts der großen Umbrüche, vor denen die Medizin in den nächsten Jahrzehnten durch den rasanten technologischen Fortschritt, aber auch den Fachkräftemangel stehe, müsse man „sich richtig ehrgeizige Ziele setzen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen“, unterstreicht Lauterbach. „Bei einem Kölner Klinikverbund darf es nicht um die Frage gehen: Wer trägt die Kosten der städtischen Kliniken? Es muss darum gehen, wie man sich aufstellt, um Medizinforschung und Patientenversorgung auf internationalem Spitzenniveau anbieten zu können.“ Wo das gelinge, locke man auch Firmen und Start-ups aus dem Gesundheitssektor an und schaffe so neue Arbeitsplätze. „Dafür muss man in größeren Maßstäben denken als bisher.“

Köln habe sehr gute Voraussetzungen, erhalte aber „unter den drei deutschen Top-Standorten Berlin, Heidelberg und Köln bislang die geringste Unterstützung aus der Politik“, meint Lauterbach. Man müsse wissen, dass sich derzeit keine einzige deutsche Universitätsklinik unter den Topkliniken der Welt befinde. Im wichtigen Shanghai-Ranking liege Heidelberg derzeit auf Rang 22, die Charité auf Platz 55. Köln sei nicht unter den besten 150 Unikliniken.

Das Ringen um den Klinikverbund

Am 18. Dezember 2017 unterbreitete die Uniklinik in einem Brief an OB Reker das Angebot, eine Mehrheitsbeteiligung an den defizitären städtischen Kliniken von mindestens 50,1 Prozent und maximal 75 Prozent zu erwerben. SPD, Linke, Teile der CDU und die Gewerkschaften sprachen sich gegen einen Verkauf aus. Im März 2018 beschloss der Stadtrat, externe Gutachter zu beauftragen, die finanziellen, rechtlichen und strategischen Auswirkungen eines Klinikverbunds zu prüfen.

Das Ergebnis des erweiterten, fast eine Million Euro schweren Auftrags soll im Sommer vorliegen, der Rat könnte noch 2019 über Ob und Wie eines Verbunds entscheiden. Parallel wurde ein Sanierungsgutachten zu den städtischen Kliniken erstellt, das den zusätzlichen Finanzbedarf auf bis zu 100 Millionen Euro beziffert. Verdi fordert „weitreichende finanzielle Zusagen“ der Stadt Köln. (fu)

Um in Zukunft konkurrenzfähiger zu werden, müsse konsequent in Forschung und Lehre investiert werden. Vorbild hierfür sei die Harvard Medical School in Boston, deren Medizinkonzept neue Standards für zahlreiche Partnerkliniken in den USA und anderen Ländern gesetzt habe.

Zu den konkreten Ergebnissen der Berliner Kommission will sich Lauterbach nicht vorab äußern, sagt aber, man plädiere nicht für eine Fusion von Charité und Vivantes. „Wir werden ein Modell vorschlagen, dass die Vorteile einer Fusion mehr als erreicht.“

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In Köln wird derzeit nach Möglichkeiten gesucht, wie man die gemeinnützige Klinik-GmbH der Stadt, die nach TVöD-Tarif bezahlt, und die zum Land NRW gehörende Uniklinik, die als Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) firmiert und ihre Beschäftigten nach Ländertarif (TV-L) entlohnt, unter ein gemeinsames Dach bringen könnte. Ein reiner Verkauf von Anteilen der städtischen Kliniken an die Uniklinik gilt im Stadtrat als nicht mehrheitsfähig und birgt zudem die Gefahr, dass private Klinikbetreiber sich einklagen könnten, falls die Beteiligung nicht öffentlich ausgeschrieben würde.

Lauterbach erneuerte seinen Vorschlag, nach Berliner Vorbild in Köln eine unabhängige Kommission einzusetzen, um „die medizinischen, organisatorischen, rechtlichen und ökonomischen Voraussetzungen für eine künftige vernetzte Krankenhausstruktur“ zu prüfen. „Köln hat hier riesige Möglichkeiten. Diese einmalige Chance darf man nicht verschenken.“

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