Chef der ArbeitsagenturJohannes Klapper: „Wir geben niemanden auf“

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Warten auf Arbeit: Die Vermittler achten darauf, dass die Wartezeit vor allem der Weiterqualifikation dient.

Warten auf Arbeit: Die Vermittler achten darauf, dass die Wartezeit vor allem der Weiterqualifikation dient.

Köln – Johannes Klapper über Ford, ein neues Image und die Zukunft seiner Behörde.

Ford und Kaufhof

Bei Ford und Kaufhof geht es um mehrere tausend Arbeitsplätze – auch die Kölner Arbeitsagentur ist da gefordert. Mit Ford gebe es schon einen engen Austausch, sagt Johannes Klapper. Einerseits könnten Mitarbeiter so weiterqualifiziert werden, dass sie im Unternehmen einen neuen Platz finden. Das dürfte allerdings für die wenigsten zutreffen. „Wir gehen bereits jetzt auf Unternehmen zu, die Personalbedarf haben“, erklärt Klapper. Denkbar wäre auch, eine Jobbörse oder ein Speeddating bei Ford zu veranstalten, bei dem sich Unternehmen präsentieren. Der Arbeitsamtschef geht davon aus, dass viele Mitarbeiter, die Ford oder Kaufhof verlassen, weitervermittelt werden können, bevor eine Arbeitslosigkeit einsetzt.

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Langzeitarbeitslose

Viele Kölner sind deutlich mehr als ein Jahr arbeitslos: 32 543, etwa zwei Drittel aller arbeitslos Gemeldeten. Eine Zahl, die sich verfestigt hat. Wer keine Ausbildung hat oder über keine aktuellen Berufskenntnisse verfügt, gerät leicht ins Abseits. Zwei neue Instrumente unterstützen eine Rückkehr in den Beruf: Das Teilhabechancengesetz finanziert Arbeitsplätze für Menschen, die schon mehr als sechs Jahre aus dem Job sind. Das Qualifizierungschancengesetz gibt Geld, um die Kenntnisse von Beschäftigten aufzufrischen. Klapper: „Wir geben niemanden auf. Arbeitgeber sind neugierig auf die neuen Möglichkeiten. Aber sie wissen auch, dass es schwierig sein kann, jemanden, der so lange nicht regelmäßig zur Arbeit gegangen ist, wieder in einen strukturierten Arbeitstag zu integrieren. Wo es nötig ist, stellen wir den Betrieben auch Jobtrainer zur Seite.“

Köln wächst

Die Stadt erlebt einen Aufwuchs an Arbeitsplätzen. Die neuen Stellen ziehen allerdings meist Fachkräfte von außerhalb an, so dass gering qualifizierte Kölner bei einer Bewerbung nicht die gleiche Chance haben.

Arbeitsamt als Arbeitgeber

Der Fachkräftemangel betrifft auch die Arbeitsagentur selbst: „Wir stehen als Behörde in einem starken Wettbewerb um geeignete Mitarbeiter“, sagt Johannes Klapper. „Auch wir besetzen unsere Stellen nicht leicht.“ Bei Jobbörsen tritt die Arbeitsagentur als fachlicher Ansprechpartner auf – und gleichzeitig als Arbeitgeber. Den Unternehmen wird geraten, familienfreundlich und flexibel zu sein. Das gelte ebenso für die Arbeitsagentur.

Imagewechsel

Ein Partner, der bei allen Fragen rund um Beruf und Karriere angesprochen werden kann – das möchte die Arbeitsagentur künftig sein. Nicht mehr die Behörde, zu der man nur geht, wenn man den Job verloren hat. Deswegen wurde ein Beratungscenter eingerichtet, in dem auch Experten aus der Industrie- und Handelskammer oder der Handwerkskammer ansprechbar sind. „Wir denken unternehmerisch wie ein am Markt ansässiger Großkonzern“, sagt Johannes Klapper: „Was ist das Richtige für den Kunden? Wir planen vorausschauend.“

Sicherheit

Nach Angriffen auf Mitarbeiter sind nun stets vier oder fünf Sicherheitskräfte in der Eingangshalle. „Unsere Sicherheitskräfte sind zwar als solche auch erkennbar, sind für unsere Kunden aber eher als Lotsen da und keine ,bösen Türsteher‘.“ Dieser Sicherheitsdienst muss in Relation zu den 2500 Besuchern täglich aber nicht oft hart eingreifen. Um eine klare Linie zu ziehen, wird jeder Übergriff, auch eine Beschimpfung, dokumentiert. Die Zahl der Hausverbote ist deswegen gestiegen.

Integration

Sehr früh, 2015, ist bei den Arbeitsagenturen in NRW der „Integration Point“ aufgebaut worden. Dort schauen Arbeitsvermittler nach Potenzialen der Geflüchteten. Viele formale Hürden waren zu nehmen. Testverfahren wurden entwickelt, die Qualifizierungsnachweise für die hier bekannten Berufsbilder ergeben. Etwa 300 Geflüchtete wurden so bereits in Arbeit vermittelt.

Junge Leute

Um Jugendliche und Berufsstarter besser ansprechen zu können, hat die Arbeitsagentur Online-Angebote und Apps entwickelt. Etwa ein Drittel der Studenten und ein Viertel der Auszubildenden wirft vor dem Abschluss hin. Ein Grund laut Arbeitsagentur: „Zu wenig Orientierung.“ In Deutschland gibt es 350 Ausbildungsberufe und 9000 Studiengänge. Bei der Berufsfindung soll der „What’sMeBot“ helfen. Wer ein paar Fragen beantwortet, wie er oder sie sich in bestimmten Situationen verhält, bekommt eine persönliche Profilkarte, die als Hilfe in einer Berufsberatung dienen kann. Apps gibt es zum Beispiel für Azubis oder mit Tipps fürs Vorstellungsgespräch. Bekannte YouTuber informieren außerdem in Videos über Möglichkeiten bei der Berufswahl. Unter „Amtliche Helden“ sucht die Arbeitsagentur selbst Nachwuchs.

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