Autobahnbrücke bei LeverkusenAnwohner klagen über geringen Lärmschutz in Merkenich

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Das Leben inmitten einer Großbaustelle wird zu Belastungsprobe für die Anwohner.

Das Leben inmitten einer Großbaustelle wird zu Belastungsprobe für die Anwohner.

  • 2022 soll die alte Rheinbrücke abgebrochen werden. Schon jetzt ist viel Lärm.
  • Anwohner kämpfen nun um eine Entschädigung für die Belastung der Bausstelle.

Merkenich – Im Jahr 2014 begann die Planung des Neubaus der Autobahnbrücke bei Leverkusen, denn die alte ist marode. Ein Mammutprojekt wurde zwingend notwendig, und Ende 2017 begannen die Bauarbeiten. 2025, also in fünf Jahren, könnte das Projekt abgeschlossen sein. Vorausgesetzt, der Zeitplan für eine der größten Baumaßnahme Nordrhein-Westfalens wird eingehalten.

Bruno Klais, Schriftführer des Merkenicher Bürgervereins, Immobilienbesitzer und Anwohner der Großbaustelle, erlebt den Baufortschritt hautnah mit. Sein Haus steht in unmittelbarer Nähe der Autobahn. Auch Annette Klever, die direkt neben der Grundschule Am Spörkelhof wohnt, lebt in sichtbarer und hörbarer Nähe zur Autobahn und somit eben zur Großbaustelle.

Kostenvoranschläge von drei Fachfirmen nötig

Beide gehören zu den knapp 500 Eigentümern von Wohngrundstücken im Ort, die Anspruch auf die Erstattung der Aufwendungen für passive Lärmschutzmaßnahmen haben. Dieser Lärmschutz ist im Grunde die einzige Maßnahme, die das Leben inmitten einer Großbaustelle erleichtern könnte – mit dem Dreck, mit dem Verkehr, mit den ganzen Umständen, die ein Projekt dieser Größenordnung mit sich bringt, müssen die Anwohner ohnehin leben.

Die Stellungnahme von Straßen.NRW

Straßen.NRW weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass der Baustellenlärm im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu erdulden sei. In Einzelfällen habe man mit den Anliegern individuelle Lösungen gefunden.

Anders sei es mit dem Verkehrslärm der A1: Dieser werde durch aktive Lärmschutzmaßnahmen gegenüber heute deutlich reduziert werden. Nach der im Planfeststellungsverfahren eingeflossenen Lärmprognose ergäben sich später dennoch im gesamten Gebiet Überschreitungen der Lärm-Grenzwerte. Daher kämen zusätzliche passive Lärmschutzmaßnahmen zum Tragen. Die Kosten hierfür werden für Räume erstattet, die ganz oder überwiegend zum dauerhaften Aufenthalt von Personen vorgesehen sind. Bei Schlafräumen ist der Einbau schallgedämmter Lüfter erforderlich, deren Kosten ebenfalls erstattet würden.

Durch die Begehung durch einen Gutachter werde festgehalten, ob die vorhandene Schalldämmung der Außenbauteile bereits ausreichend sei. In den im Vorfeld an alle betroffenen Gebäudeeigentümer versandten Infoschreiben stehe, dass es sich „um neue Fenster oder um Lüftungsanlagen handeln“ könne.

Die Umsetzung der Maßnahmen sei an gesetzliche Vorgaben gebunden, so ein Sprecher von Straßen.NRW. Alle Häuser, die einen Anspruch auf Überprüfung hätten und deren Besitzer dazu einen Antrag gestellt haben, seien seit letztem Jahr durch ein externes Ingenieurbüro begutachtet worden. Es handele sich um mehr als 350 Wohneinheiten.

Dem überwiegenden Teil der Eigentümer seien die Gutachten bereits zugestellt. Ende Januar waren noch etwa 30 Gutachten in Bearbeitung. (jtb)

„Ich kann mich gut erinnern: Auf einer Informationsveranstaltung von Straßen.NRW wurde davon gesprochen, dass man entsprechende Fenster einbauen lassen solle. Man müsse zwar in Vorleistung gehen, bekäme dann aber – sofern man sich an die Vorgaben halte, also zum Beispiel Fachfirmen engagiere – die Kosten erstattet“, sagt Klais. Allerdings, das war ihm schon damals aufgefallen, habe es diese Zusage nie schriftlich gegeben. Im Oktober 2018 stellte er einen Antrag auf Erstattung entsprechender Aufwendungen. Im Juli 2019 kam dann ein Gutachter vom Landesbetrieb. „Das Ergebnis ärgert mich maßlos und ist im Grunde eine Frechheit“, so sein Eindruck. Denn der Gutachter habe den Schlafraum, nicht aber die Aufenthaltsräume begutachtet. Weiterhin seien die 40 Jahre alten Doppelfenster als Grund genannt worden, dass kein neues Fenster eingebaut werden müsse.

Im Oktober 2019 kam dann der Bescheid, dass er den Einbau eines Lüfters erstattet bekommen könnte. Dies aber auch nur, wenn er bei drei Fachfirmen einen Preisvorschlag einhole, die Firmen müssten eine Bietererklärung unterzeichnen. Es stehe ihm außerdem frei, nach der Auswertung der Preisanfragen einen anderen als den günstigsten zu beauftragen, die Mehrkosten würden dann aber nicht übernommen. Bevor ein entsprechender Erstattungsvertrag abgeschlossen sei, solle er keine Maßnahme ausführen – dieses Schreiben mit weiteren Erklärungen rund um das Verfahren bekam er im Oktober letzten Jahres.„Seitdem habe ich nichts mehr gehört“, so Klais.

Bruno Klais fühlt sich im Stich gelassen

Hören tut er aber den Lärm. Den Lärm der Baustelle, den Lärm der Autos, die über die Brücke fahren. In zwei Jahren wird das noch deutlich mehr werden, 2022 soll die alte Rheinbrücke abgebrochen werden. Als Dauer wird ein Jahr prognostiziert.

Zwei Fachfirmen konnte er dazu bewegen, ihm ein Angebot zu schicken, dies hatte er auch an Straßen.NRW weiter gegeben. „Viele andere Firmen habe ich angefragt, die antworten gar nicht – und Straßen.NRW eben auch nicht.“ Bruno Klais fühlt sich im Stich gelassen.

Kritisieren das Vorgehen von Straßen.NRW in Sachen Lärmschutz für Anwohner: Bruno Klais und Annette Klever.

Kritisieren das Vorgehen von Straßen.NRW in Sachen Lärmschutz für Anwohner: Bruno Klais und Annette Klever.

Auch bei Annette Klever war ein Gutachter. „Der ist hier durchs Haus gegangen und hat definiert, welchen Raum er als Schlafraum betrachtet. Dass ich aber im heißen Sommer mal unten statt unter dem Dach schlafen muss, interessierte ihn nicht.“ Auch sie ist enttäuscht. „Die Merkenicher Bürger hätten geschlossen auf die Barrikaden gehen müssen, doch das passiert leider nicht“, so ihr Eindruck.

Klever und Klais sind sich einig: Im Grunde müssten die Anwohner eine Entschädigung für die jahrelange Belastung durch die Baustelle, die seit 2017 bis mindestens 2025 bestehen wird, erhalten. „Wir wollen zumindest, dass sich Straßen.NRW an die mündlichen Zusagen, was den Einbau von Lärmschutzfenstern angeht, hält“, so ihre Forderung. „Wir sind damals belogen worden. Und jetzt lassen die sich einfach Zeit, damit wir resignieren. Das Antragsverfahren wird möglichst kompliziert gemacht. Es wurde vieles versprochen und nicht realisiert“, so der Eindruck der Anwohner.

Am Ende, wenn der Neubau steht und die alte Brücke Geschichte ist, wird die Lärmbelastung der Anwohner unabhängig vom passiven Lärmschutz eine etwas geringere sein. Durch den Einsatz von Flüsterasphalt und andere Maßnahmen kann der Verkehrslärm um bis zu zehn Dezibel reduziert werden, das entspricht einer Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke. Die Lärmschutzwände werden zudem höher werden. Und, so schreibt es Straßen.NRW auf den eigenen Internetseiten: „Einige Anlieger haben zudem Anspruch auf eine Überprüfung des passiven Lärmschutzes an ihren Gebäuden in Bezug auf isolierende Fenster, Türen und Lüfter.“

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