BehindertenpolitikWie es um die Barrierefreiheit im Kölner Norden steht

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Setzen sich aktiv nicht nur für die Senioren im Stadtbezirk Chorweiler ein: Christel Tank, Sofia Rüßmann und Käthe Reiff (v.l.).

Setzen sich aktiv nicht nur für die Senioren im Stadtbezirk Chorweiler ein: Christel Tank, Sofia Rüßmann und Käthe Reiff (v.l.).

Köln – Barrierefreiheit, Mobilität und Gehwegmobilität:  Begriffe, die in einer Empfehlung der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik gefordert werden. Diese wird in den  Bezirksvertretungen diskutiert. Wir haben mit drei Mitgliedern der Seniorenvertretung Chorweiler – Käthe Reiff, Sofia Rüßmann und Christel Tank – gesprochen, um zu erfahren, welche Aspekte ihnen im Alltag am Herzen liegen.

Was fällt Ihnen spontan ein, wenn es um Mobilität und Barrierefreiheit in Chorweiler geht?

Käthe Reiff: Als absolut gelungenen Ansatz möchte ich den Tisch der Nationen benennen, der nun auf den neu gestalteten Plätzen installiert worden ist. Hier können sich in Zukunft Menschen begegnen, mit oder auch ohne Gehbehinderung. Rollstuhlfahrer oder Nutzer von Rollatoren können ideal an diesem Tisch Platz nehmen, auch die Seniorenvertretung hatte sich dafür eingesetzt. Als negatives Beispiel fällt mir etwa die Toilette hier im Café ein – diese hat eine Treppe und ist somit nicht barrierefrei. Wesentlich schlimmer ist aber der S-Bahnhof in Blumenberg, der im ganzen Bezirk eine große Rolle spielt – auch mit Blick auf Kreuzfeld.

Christel Tank: Dort gab es im letzten Jahr einen Ortstermin mit Vertretern der Bahn, der KVB, dem städtischen Behindertenbeauftragten Dr. Günter Bell und unseren Bezirksvertretern. Der Termin war eine Katastrophe und es ist keine Besserung in Sicht. Die Rampe, die für Mobilität sorgen soll, ist weder mit Rollatoren noch mit Kinderwagen gut zu bewältigen. Der Belag ist kaputt und am Wochenende fahren keine Busse. Diese schlechten Voraussetzungen sind für mich das Gegenteil von Mobilität und Barrierefreiheit. Breite Gehwege nützen mir nichts, wenn ich mich erst gar nicht von hier wegbewegen kann. Ich habe kein Auto und fahre seit 50 Jahren mit der KVB.

Sofia Rüßmann: Am Busbahnhof zum Beispiel ist alles neu gestaltet worden, auch mit Rücksicht auf uns Rollatoren-Nutzer. Leider sind aber viele Menschen, die dort unterwegs sind, derart rücksichtslos, dass ich doch Probleme habe, mich dort zu bewegen. Es gibt beides, die Rücksichtslosen, aber auch Menschen, die mir zum Beispiel helfen, in den Bus ein- oder auszusteigen. Der Umgang miteinander ist ein wesentlicher Faktor, der wichtiger als eine Gehwegbreite ist.

In der Vorlage geht es primär um den öffentlichen Raum in der Stadt – welche Problematik erleben Sie täglich in diesem Raum?

Käthe Reiff: Bei der Renovierung des Bezirksrathaus zum Beispiel wurde Barrierefreiheit schon beachtet. Aber nur wenige Meter weiter, zum Beispiel im City Center, da gibt es nur eine Tür, die sich automatisch öffnet.

Sofia Rüßmann: Ja, gerade da habe ich schon wie oft eine der Glastüren vor der Nase zugeschlagen bekommen. Es fehlt im City Center auch der Hinweis auf den Aufzug, das müsste viel deutlicher markiert werden. Als schwierig empfinde ich oft die Radfahrer, die sich ja den Raum mit uns teilen, aber wirklich aggressiv sind.

Als durchaus gelungen empfinden die Seniorenvertreter den neuen „Tisch der Nationen“: Gut erreichbar, für alle zugänglich, ein Ort für Kommunikation.

Als durchaus gelungen empfinden die Seniorenvertreter den neuen „Tisch der Nationen“: Gut erreichbar, für alle zugänglich, ein Ort für Kommunikation.

Christel Tank: Da sind mir Autofahrer lieber. Die bleiben stehen. Radfahrer sind mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs und fahren einen um.

Käthe Reiff: Roller, Radfahrer, Fußgänger, alle müssen sich den öffentlichen Raum teilen, das ist genau die Herausforderung. Da muss man miteinander einen Weg finden – damit sind wir wieder beim Umgang, den wir miteinander haben.

Nun hat die Bezirksvertretung einen Beschluss gefasst, dass bei der Herstellung von Barrierefreiheit der Klimaschutz und somit auch die Rücksichtnahme etwa auf Bäume Vorrang haben soll – wie empfinden Sie diesen Beschluss?

Christel Tank: Die Bäume sollen bleiben. Im Stadtbezirk Chorweiler ist die Situation auf den Gehwegen ganz anders als in der Innenstadt. Das Problem, dass Fußgänger im öffentlichen Raum zu wenig Platz bekommen, ist innerstädtisch massiv, hier aber im Grunde nicht relevant. Relevant ist die Anbindung. Von Chorweiler nach Zündorf zum Beispiel bin ich ohne Auto zweieinhalb Stunden unterwegs.

Käthe Reiff: Auch ich sehe das so, die Bäumen sollen bleiben. Viel wichtiger wäre ein besserer Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr. Beispielsweise das Umweltzentrum auf Gut Leidenhausen ist barrierefrei eingerichtet – aber wir Senioren aus Chorweiler kommen da eben nicht barrierefrei hin.

Altbekanntes Problem: Die Zugänge mancher S-Bahn-Stationen sind nicht nur für ältere Menschen eine echte Herausforderung. 

Altbekanntes Problem: Die Zugänge mancher S-Bahn-Stationen sind nicht nur für ältere Menschen eine echte Herausforderung. 

Sofia Rüßmann: Die in der Bezirksvertretung beschlossene Variante, dass man im Zweifelsfall eben doch noch einmal individuell prüft, ist in meinen Augen schon die richtige Entscheidung. Wichtig ist dennoch für uns, dass es mit der Vorlage nun eine generelle Grundlage gibt.

Bezirksvertretung benennt Klimaschutz als wichtigen Zusatz

Die Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik beschäftigt sich unter anderem mit der Herstellung von Barrierefreiheit auf Kölner Gehwegen. „Schon seit vielen Jahren wird versucht, den öffentlichen Raum freizumachen von Dingen, die im Weg stehen. Erfolgreich war man dabei nicht“, beschreibt es Paul Intveen, aktiv in der Stadtarbeitsgemeinschaft und im Arbeitskreises „barrierefreies Köln“. Es gehe bei der Vorlage um eine generelle Richtung. Grundsätzlich, so seine Einschätzung, werde der Fußgängerverkehr in Zukunft eine größere Rolle spielen.

In der Vorlage wird gefordert, dass auf allen Gehwegen innerhalb Kölns unverzüglich eine barrierefreie Mobilität gewährleistet werden solle. Das Amt für öffentliche Ordnung sei angehalten, für die Aufrechterhaltung der barrierefreien Mobilität zu sorgen und die Gehwegbreite von 1,50 Metern zuzüglich eines Sicherheitsabstandes von 20 Zentimeter zum Haus und 30 Zentimeter zum PKW zu realisieren.

Eine Unterschreitung sei nur dann möglich, wenn der Gehweg eine bauliche Breite von zwei Metern nicht aufweise. Wolfgang Kleinjans (Grüne) begrüßte die Vorlage ausdrücklich, auch Klaus Roth forderte eine Zustimmung der Bezirksvertretung. Kleinjans schlug aber vor, dass der Klimaschutz – die Rücksicht auf Pflanzen und Bäume – berücksichtigt werden solle und auch Vorrang habe. Rainer Stuhlweißenburg (CDU) betonte, dass zur Barrierefreiheit selbstverständlich die Reparatur und Sanierung von Gehwegen gehöre.

Die Bezirksvertretung Chorweiler fasste anschließend mehrheitlich sowohl den eigentlichen Beschluss, als auch den Zusatz, dass mit Blick auf die aktuelle Klimaproblematik die Entfernung von Bäumen im öffentlichen Raum als letztes Mittel zu nutzen sei. (jtb)

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