Kölner Tafel ChorweilerEs geht nicht nur ums Essen

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Gute Stimmung herrscht bei den Mitarbeitern der „Kölner Tafel“ in Chorweiler – sie bilden aber nur einen Teil des gesamten Teams, das regelmäßig anpackt, um Bedürftigen zu helfen.

Gute Stimmung herrscht bei den Mitarbeitern der „Kölner Tafel“ in Chorweiler – sie bilden aber nur einen Teil des gesamten Teams, das regelmäßig anpackt, um Bedürftigen zu helfen.

Chorweiler – Bernd Nehring ist einer von 45 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die in der Lebensmittelausgabe aktiv sind. „Dreimal in der Woche bin ich hier“, sagt er. „Also eigentlich immer“, schmunzelt Diakon Michael Oschmann. Die beiden mögen sich, das merkt man. Eine Portion gute Stimmung und der Wille, eine Mammutaufgabe zu stemmen, gehört zwangsläufig dazu - anders würde das alles wohl gar nicht funktionieren.

„Das alles“ ist die Anlaufstelle für insgesamt 2.600 Menschen, die im Stadtbezirk Chorweiler leben und sich mit Hilfe der Kölner Tafel und der Lebensmittelausgabe Chorweiler über Wasser halten. Die Anlaufstelle ist in den Räumen des Bürgerzentrums direkt am Pariser Platz zu Hause und beruht auf einer Kooperation verschiedener sozialer Träger sowie dem Einsatz zahlreicher ehrenamtlicher Helfer. Franziska Weingarten hat die operative Leitung inne, sie ist als hauptamtliche Mitarbeiterin dabei beschäftigt, die organisatorischen Fäden in der Hand zu halten.

Kölner Tafel e.V.

Die Kölner Tafel betreibt keine Lebensmittelausgabestellen. Denn die Träger wie Kirchengemeinden, Vereine und Bürgerinitiativen übernehmen die Lebensmittelausgabe selbst. Die Tafel liefert nur die Waren. Alle Ausgabestellen arbeiten stadtteilbezogen. Im Stadtbezirk sechs wurde die Ausgabe durch eine Kooperation des Bezirksbürgermeisters, des Stadtbezirks Chorweiler, des Bürgerzentrums Chorweiler, des Vereins LIC-Leben in Chorweiler, der evangelische Kirchengemeinde Köln Neue Stadt, der katholischen Kirchengemeinde Hl. Johannes XXXIII. und der „Kölner Tafel“ ermöglicht. Eine große Spende des Lions Club machte dies möglich. Als neuer Sponsor konnte nun die GAG Stiftung gewonnen worden.

Im Stadtbezirk Chorweiler gibt es seit 2016 wieder eine Ausgabestelle, davor gab es drei Jahre eine Pause. Grundsätzlich gab es bis zum Jahr 2013 bereits eine erste Initiative, die aufgrund von Umstrukturierungen dann pausierte. Eine Anmeldung ist jeden ersten und dritten Freitag im Monat von 9.30 bis 11 Uhr im Pfarrzentrum der Katholischen Kirchengemeinde Hl. Johannes XXIII., Kopenhagener Straße 5, möglich. Dort werden dann auch die Tage der Ausgabe mitgeteilt.

Die Lebensmittel werden im Bürgerzentrum, Pariser Platz 1, verteilt. Voraussetzung für die Abgabe von Lebensmitteln ist der Nachweis der Bedürftigkeit in Form eines Hartz IV- oder Rentenbescheids sowie die Vorlage des Personalausweises. Zu erreichen ist das Team per E-Mail.

lebensmittelausgabe-chorweiler@web.de

„Es ist hier Alltag, dass es Armut gibt“, berichtet Bernd Nehring. „Im Tagesgeschäft spielt das keine Rolle, die Probleme rücken in den Hintergrund“, beschreibt er. „Ich finde die Arbeit hier positiv, sonst würde ich es nicht machen“, berichtet der Helfer. Er möge den Umgang mit den Menschen, den Kunden und den anderen Kollegen. „Wenn ich morgens hier ankomme, mache ich erstmal für alle einen Kaffee“, schildert er. Danach werden die Lebensmittel sortiert.

Ein Raum für persönliche Sorgen

Die frischen Sachen müssen gekühlt werden, Obst und Gemüse werden verteilt – Franziska Weingarten und ihre Helfer haben Listen vorbereitet. Dort steht genau beschrieben, wer heute kommen wird und für wie viele Personen derjenige Lebensmittel mitnehmen darf. „Jeder bekommt eine ganz persönliche Kiste gepackt“, weiß Nehring. Dabei werden manche Kleinigkeiten vor Ort unbürokratisch getauscht – zum Beispiel wenn ein Kunde dabei ist, der kein Schweinefleisch isst.

„Es geht auch nicht immer nur darum, die Waren abzuholen“, weiß Weingarten. Gemeinsam erinnern sich die beiden an einen Tag, als Saumägen in den Kisten lagen. „Keiner wusste, wie man so etwas zubereitet“, lachen die beiden. An einem solchem Tag werden erstmal intensiv Kochrezepte ausgetauscht. Natürlich geht es immer mal wieder auch um persönliche Sorgen. Diese haben hier in den Räumen des Bürgerzentrums durchaus ihren Raum.

Jeder, der seine Bedürftigkeit nachweisen kann, bekommt eine eigene Kiste, die er mit Lebensmitteln seiner Wahl füllen kann.

Jeder, der seine Bedürftigkeit nachweisen kann, bekommt eine eigene Kiste, die er mit Lebensmitteln seiner Wahl füllen kann.

„Langfristig wollen wir noch stärker den Charakter eines Begegnungscafés aufbauen“, schildert Oschmann. Es gebe ganz konkreten Beratungsbedarf. „Wir sind genau dafür auch da und vermitteln Beratungsangebote, die außerhalb der Lebensmittelausgabe existieren und funktionieren“, so der Diakon. „Wir wollen nachhaltig arbeiten, jede Lösung für diesen Stadtbezirk muss groß gedacht werden, denn es sind viele Menschen, die hier leben“, führt er weiter aus. Wenn man eine Ausgabestelle zu klein plane, müsse man immer wieder entscheiden, wen man berücksichtigen könne und wen nicht. „Wir wollen keine Ausgrenzung, sondern Wertschätzung. Es geht nicht darum, Bittsteller zu erschaffen“, so Oschmann weiter.

Armut bekämpfen und Selbstständigkeit fördern

Jeden Mittwochmorgen treffen sich die Mitarbeiter, um zu besprechen, was anliegt. „Es gibt immer Verbesserungsbedarf. Wir sind hier ja sehr zentral und wollen diesen Treffpunkt gerne weiter optimieren“, so Weingarten. „Wir sind stark gewachsen und begleiten diesen Prozess permanent – das ist auch normal und gut so“, ergänzt Oschmann. Viele, die jetzt als ehrenamtliche Mitarbeiter tätig sind, kommen ursprünglich von der anderen Seite. Sie haben zunächst einmal selber Lebensmittel abgeholt und sind nach und nach ins Team gewechselt. „So etwas weckt zuweilen Begehrlichkeiten, darüber muss dann auch gesprochen werden“, weiß Oschmann. So haben die aktiven Helfer, ehren- und hauptamtlich, nicht nur die Räume und die Ausstattung im Blick, sondern auch das Miteinander.

„Wir achten auf Supervision und auf Team-Events“, betont Oschmann. „Hier steckt ganz viel Tatkraft und auch ganz viel Herzblut drin. Alle packen mit an, das ist sehr positiv und bewegend“, schildert er. Er gibt aber auch zu, dass so etwas wie eine Kölner Tafel und die Ausgabestelle eine zweischneidige Angelegenheit ist: „Unser Ziel ist es ja am Ende, dass niemand so etwas braucht, wir wollen die Armut bekämpfen und die Menschen in die Selbstständigkeit bringen. Im Grunde ist es fürchterlich, dass wir in unserer Gesellschaft so etwas überhaupt haben. Aber es ist eben auch mehr als sehr gut, dass wir es haben“, so sein Fazit.

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