Coronakranke in QuarantäneMobile Retter haben Zustand von Kölns Infizierten im Blick

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In Köln kümmert ich ein mobiles Rettungsteam der Feuerwehr, um Corona-Infizierte in Quarantäne. D.r Robert Stangl mit einem mobilen Ultraschallgerät.

Köln – Was passiert wäre, wenn ihr im August nicht geholfen worden wäre, weiß Sabine (Name geändert) nicht. Als sie sich damals mit dem Coronavirus infizierte, nutze sie das digitale Symptomtagebuch der Stadt. Weil Sabine ankreuzte, dass ihr Zustand sich verschlechterte und sie Fieber hatte, meldete sich eine Ärztin vom Gesundheitsamt.

„Jeden Tag wurde ich gefragt, ob ich am nächsten Tag wieder einen Anruf bekommen wollte“, berichtet die Frau. Sie bejahte. Das Fieber stieg trotzdem und der Gesamtzustand verschlechterte sich weiter. Das Gesundheitsamt schickte ein Mobiles Einsatzteam (MET) vorbei, ein Arzt legte eine Infusion und gab der 44-Jährigen das Gefühl: Ab jetzt geht es bergauf. Und es ging bergauf.

Der Fall steht stellvertretend für viele Menschen, die in der Corona-Pandemie auf ärztliche Hilfe angewiesen ist. Die passende Unterstützung zu finden, ist in der Quarantäne aber gar nicht so einfach. Der Hausarzt sollte bei Beschwerden die erste Anlaufstelle sein, doch zumindest Sabine bekam dort keine Hilfe. „Mir wurde stattdessen vorgeworfen, dass ich noch nicht geimpft sei.“ Und dazu kam die Angst: Was passiert in meinem Körper als nächstes?

Hilfe für Corona-Infizierte Zuhause: Köln richtet einzigartige mobile Teams ein

Bereits früh in der Pandemie erkannte auch die Stadt, dass sie diese Lücke in der Versorgung selber stopfen muss und begann, das bis heute bundesweit einzigartige MET-Konzept zu erarbeiten. „Oberstes Ziel ist es, schwere Verläufe frühzeitig zu erkennen und Krankenhaustransporte zu vermeiden“, sagt der Leiter der Feuerwehr, Dr. Christian Miller. Es gehe darum, symptomatische Infizierte möglichst lange in einer stabilen häuslichen Quarantäne zu halten. „Wichtig ist aber auch, den Zeitpunkt nicht zu verpassen, wenn eine Klinikeinweisung unumgänglich ist“, sagt Miller.

Der erste Schritt des Konzepts ist das Digitale Kontaktmanagement (Dikoma) der Stadt. Infizierte können dort ihr Alter, ihren Impfstatus und ihnen bekannte Risikofaktoren hinterlegen und jeden Tag Symptome eintragen. Seit Anfang dieser Woche müssen sich Infizierte selbst um den Zugang kümmern. Die Stadt hat den Link dazu am Mittwoch freigeschaltet. Über 70-Jährige, also die Altersgruppe mit höherem medizinischem Risiko, kontaktiert das Gesundheitsamt weiterhin telefonisch. Anhand der Eingaben schätzt das Gesundheitsamt das Risiko ein und kann bei der Kontaktierung der Infizierten priorisieren.

Neuer Höchstwert

1344

beträgt die Sieben-Tages-Inzidenz mittlerweile für vergangenen Samstag und hat damit erneut einen Höchstwert erreicht. Aufgrund vieler Nachmeldungen ist der Wert derzeit nur rückblickend aussagekräftig.

Die Stadt hat am Mittwoch den Link zum Digitalen Kontaktmanagement-Portal freigeschaltet. Dort können sich Infizierte selbstständig registrieren, ihre Gesundheitsdaten einpflegen und auf das digitale Symptomtagebuch zugreifen.

Infizierte, die keinen Internetzugang haben, können sich telefonisch unter 0221 221 33500 beim Gesundheitsamt melden. (sim)

www-stadt-koeln.de/service/onlinedienste/dikoma-registrierung/index.html

Reicht ein Anruf nicht aus, um der Person zu helfen, gibt es Besuch von einem mobilen Einsatzteam. Bei der altersbedingten Risikogruppe der über 70-Jährigen geht das deutlich schneller und auch ohne eine tägliche Meldung im Dikoma-Portal. „Die fahren wir in vielen Fällen auch an, wenn sie keine Beschwerden haben“, sagt der leitende Notarzt beim Rettungsdienst, Dr. Robert Stangl.

„Stille Sauerstoff-Unterversorgung“ erkennen: Kölner Retter dafür ausgerüstet

Hintergrund ist ein vor der Pandemie weitestgehend unbekanntes Phänomen: Silent Hypoxemia nennt es der Mediziner und meint damit ein stille Sauerstoff-Unterversorgung. Das Problem dabei: Wer davon betroffen ist, dem geht es subjektiv gut, ihm käme in vielen Fällen nicht in den Sinn, dass die Situation kritisch sein könnte. Doch eine unbemerkt veränderte Atemfrequenz und eine verminderte Sauerstoffsättigung können in einigen Fällen innerhalb weniger Stunden zu einer intensivmedizinischen Aufgabe werden.

Das Einsatzteam ist technisch so ausgerüstet, dass eine solche Unterversorgung erkannt werden kann. Dazu sind vor Ort auch Blutgasanalysen, eine Analyse der ausgeatmeten Luft oder eine Ultraschalluntersuchung der Lunge möglich. Das Werkzeug dafür ist ein kleines technisches Wunderwerk in Smartphone-Größe. Kostenpunkt: 8000 Euro. Nur fünf Stück besitzt der Rettungsdienst davon.

All diese Instrumente des MET-Konzepts sollen unter dem Strich Leben retten. Gesundheitsamtsleiter Johannes Nießen verweist dazu auf die Sterberate bei den Corona-Infizierten. Die liegt in Köln bei 0,71 Prozent, im Deutschlandschnitt dagegen bei 1,32 Prozent.

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Es gebe auch andere Gründe dafür, wie das geringe Durchschnittsalter, aber auch das MET-Konzept trage dazu bei. „Für diese Menschenleben lohnt sich der Aufwand, so ein Konzept auf die Beine zu stellen.“, sagt Nießen.

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