Coronavirus in KölnSie helfen uns durch die Krise

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Diana Blume.

  • Der Coronavirus hat auch Köln voll im Griff.
  • Wir haben uns auf die Suche nach echten Helden dieser Tage gemacht.
  • Und sind dabei unter anderem im Taxi und in der Apotheke fündig geworden.

Köln – Die Corona-Krise hat uns im Griff. Allen Risiken und Einschränkungen zum Trotz muss das Leben aber weiter gehen. Wir stellen fünf Kölner vor, die auch in Krisenzeiten ein Stück Normalität erhalten – vom Taxifahrer über die Altenpflegerin, von der Ärztin über die Apothekerin bis zur Lehrerin, die sich um ihre Schulkinder kümmert.

„Ich habe sofort zugesagt“ – Dr. Gisela Reifferscheid-Gundermann, Allgemeinärztin, 65 Jahre

Ich habe meine Hausarztpraxis zum Januar 2019 übergeben und bin jetzt im Ruhestand. Ich war mit meinem Mann und zweien meiner drei Söhne in Urlaub in Lappland und saß gerade auf einem Snowmobil. Da kam ein Anruf von Dr. Zastrow von der Kassenärztlichen Vereinigung. Das war schon sehr überraschend. Er suchte dringend Ärzte, die bereit sind, im neuen Infektionsschutzzentrum an der Uniklinik zu beraten. Die KV stellt dort die Beratung zur Verfügung. Gefragt, gebraucht. Da gibt es für mich nichts zu überlegen. Unser Urlaub war sowie am nächsten Tag zu Ende, also habe ich sofort zugesagt. Seit dem 5. März ist meine Aufgabe, im Infektionsschutzzentrum zu beraten – Ärzte, die Fragen haben, und besorgte Menschen. Die Unsicherheit bei den Hausärzten war anfangs groß. Meistens berate ich am Telefon, manchmal auch face to face mit entsprechenden Schutzmaßnahmen. Wo viel Angst ist, ist auch viel Beratungsbedarf. Ich gehe die Gespräche strukturiert an. Das funktioniert meistens sehr gut. Wenn man Dinge sachlich ansieht, kann man auch wieder den Kopf einschalten. Ich berate mehrmals die Woche von morgens bis zum späten Nachmittag. Grundsätzlich sind wir so lange da, wie erforderlich. Man muss flexibel sein. Wir haben hier von Tag zu Tag ein unterschiedliches Aufkommen an Patienten. Die Kollegen vom Gesundheitsamt und der Uniklinik leisten sehr viel. Zuhause mussten wir einiges umorganisieren. Die Betreuung meiner 94-jährigen Mutter schultert jetzt mein Mann. Ich stehe so lange im Infektionsschutzzentrum zur Verfügung, wie das erforderlich ist. (dha)

„Die Kinder schicken mir Fotos“ – Diana Blume, Lehrerin an der KGS Lohrbergstraße, 49 Jahre

„Bereits am Montag, dem ersten Tag der Schulschließung, haben wir uns im Kollegium abgesprochen, wie wir den Kindern das Lernen von zu Hause aus ermöglichen können. Es war uns wichtig, den persönlichen Kontakt zu den Kindern weiter aufrecht zu erhalten. So schreiben wir seitdem Briefe und E-Mails an die Kinder. Da Lernpläne an unserer Schule zur Normalität gehören, werden diese nun per Mail an die Kinder verschickt und von den Eltern zu Hause ausgedruckt. Überhaupt sind die Eltern stärker gefordert, aber das funktioniert bislang gut. Etwa zwei bis drei Stunden pro Tag sollen die Kinder etwas für die Schule tun.

Um weiter in persönlichem Kontakt zu den Kindern und untereinander zu bleiben, biete ich nun dreimal pro Woche für je eine Stunde die Möglichkeit zur Videotelefonie an. Auch haben die Schülerinnen und Schüler Bewegungsaufgaben für zu Hause bekommen, und nun schicken wir uns gegenseitig kurze Videos mit Aufforderungen zu Liegestützen, Kniebeugen oder anderen lustigen Übungen zu. Auf diese Weise können wir miteinander sprechen und uns austauschen. Auch schicken mir die Kinder Fotos von ihren Lernergebnissen und Projekten.

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Diana Blume.

Die Umstellung ist dennoch groß. Meine Kolleginnen und ich überlegen nun gemeinsam, wie wir Unterrichtsmaterialien beispielsweise mit Lernvideos anreichern können – diese müssen aber zunächst passend herausgesucht und gesichtet werden. Außerdem können die Kinder Lern-Apps nutzen, die sie schon aus dem Unterricht kennen. Viele Verlage reagieren toll und stellen ihre Inhalte derzeit kostenlos zur Verfügung. In unserer Schule sind wir recht gut ausgestattet, jede Klasse hat eigene iPads, die im Unterricht genutzt werden, so dass Lernvideos und Lern-Apps auch nicht neu sind. Sollte der Unterricht auch nach den Osterferien noch ausfallen, versuchen wir virtuelle Klassenräume einzurichten, die uns Online-Treffen und einen Klassenchat ermöglichen. Auch könnten wir sogar eigene Lernvideos herstellen. (tho)

„Wer einsteigt, braucht mich“ – Gerhard Arndt, Taxifahrer, 65 Jahre

Ich fahre täglich zehn Stunden Taxi. Das habe ich auch schon vor der Corona-Krise gemacht, aber jetzt ist trotzdem alles anders. Es gibt kaum etwas zu tun. Mein Chef hat acht Fahrzeuge. Der Umsatz ist bei uns etwa um 90 Prozent zurückgegangen. Aber was soll’s. Die Leute, die jetzt noch fahren, haben keine Angst vor dem Virus und brauchen mich. Darum stehe ich schon um 6.30 Uhr am Hauptbahnhof. Mein erster Fahrgast ist aber erst um 8.15 Uhr eingestiegen.

Die Tage habe ich eine Frau gefahren, die aus Bangkok mit einem riesigen Rucksack zurück kam. Ich habe ihn angefasst, wie jeden anderen Koffer. Da hat noch niemand ängstlich reagiert. Eine Schutzmaske habe ich nicht, nur eine Flasche Desinfektionsmittel. Die habe ich als Werbegeschenk von einem Fahrtenvermittler erhalten. Mit dem Mittel mache ich die Türgriffe sauber und wische über den Sitz – nach jedem Fahrgast. Die anderen machen das ja auch so.

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Köln Taxifahrer Gerhard Arndt (65), seit 29 Jahren im Beruf, fährt in der Corona-Krise unbeirrt täglich zehn Stunden.

Vor der Corona-Krise habe ich oft am Flughafen gewartet. Aber seit die Firmen fast alle ihren Mitarbeitern die Geschäftsreisen untersagt haben, bringt das nichts mehr. Weniger als hier, am Hauptbahnhof, wo fast nichts los ist. Schauen Sie mal wie viele Warteplätze noch bis zum Kreisel in der Marzellenstraße frei sind. Da steht sonst um diese Uhrzeit alles voll. Klar haben wir eine Beförderungspflicht. Aber ich sehe Taxis vor Wohnhäusern parken. Die machen da keine Pause. Lange muss ich nicht mehr fahren, mit meinen 65 Jahren. Und wo Sie jetzt „Senioren“ sagen: Ich habe schon lange keine alten Leute mehr gefahren. (mfr)

„Sorge um die Folgen“ – Julia Glaser, Apothekerin in der Ubier-Apotheke, Südstadt, 34 Jahre

„Es ändert sich jeden Tag etwas, Regelungen werden geändert, neue Handlungsempfehlungen herausgegeben. Zurzeit machen wir Überstunden. Bei der Arbeit tragen wir FFP3-Masken, um uns selbst nicht anzustecken und um nicht Überträger zu sein für Menschen, die besonders gefährdet sind. Durch die Masken müssen wir lauter sprechen, was für die Stimme etwas anstrengender ist. Und uns ist aufgefallen, dass wir wegen der Masken weniger trinken. Für die Kunden ist es ein wenig befremdlich, dass wir mit Masken herumlaufen, aber die meisten haben Verständnis dafür. Im Moment darf immer nur ein Kunde zu jedem Verkaufstisch kommen, die anderen sollen außerhalb der Apotheke warten und Abstand zueinander halten.

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Julia Glaser.

Ein Schreiner wird uns jetzt Plexiglasscheiben für die Verkaufstische anfertigen, damit die Ausatemluft der Kunden uns nicht erreichen kann. Die Viren werden ja vor allem durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Scheiben lassen sich dann gut desinfizieren. Wir versuchen alles, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. In nächster Zeit arbeiten wir in zwei Schichten und schließen mittags um 13.30 Uhr für eine halbe Stunde, dann desinfiziert das Team, das seit morgens da ist, den Verkaufsraum. Samstags ist weiterhin durchgehend bis 15 Uhr geöffnet. Wenn wir alle Ausgangsstoffe haben, stellen wir selbst Desinfektionsmittel her. Das meiste ist für Arztpraxen, denn Ärzte haben auf jeden Fall erkrankte Personen vor sich. Ich persönlich habe keine Angst vor dem Virus. Aber ich bin durchaus in Sorge um andere und um die gesellschaftlichen Folgen.“ (kl)

„Der Tag hat zwölf Stunden“ – Zahide Olcay, Pflegekraft bei der Caritas in Ehrenfeld, 30 Jahre

Ich wasche alte Menschen, die das nicht mehr können, bereite Senioren das Frühstück zu und richte ihnen die Medikamente her. Seit 2006 arbeite ich in der Pflege, seit 2014 bei der Caritas. Gerade in Zeiten von Corona ist das anstrengend – vor allem wegen der nervösen Angehörigen, die Angst vor mitgebrachten Viren haben. Vorige Woche hat die Tochter einer 94-Jährigen aus diesem Grund abgesagt. Wir tun aber alles, damit nichts passiert, halten untereinander auf der Station Abstand, desinfizieren uns vor der Haustür eines jeden Kunden die Hände, ziehen Handschuhe und Mundschutz an. Beides werfen wir nach Verlassen des Hauses in den Müll.

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Caritas-Pflergerin Olcay bereitet eine Patienten-Fahrt vor.

Meine Freitagstour hat um 6 Uhr begonnen. Keiner meiner 22 Kunden hat abgesagt. Das war bei Kollegen anders. Um 12.30 Uhr bin ich reingekommen – zur zweiten Schicht als Stellvertretende Leiterin des Pflegedienstes. Da lege ich Tourenpläne fest. Ich weiß, dass man nicht einfach bei einem Kunden reinhuschen und schnell wieder verschwinden kann. Wenn ich jemandem Kompressionsstrümpfe anziehe, dauert das eben acht bis zehn Minuten.

Damit bei einer Ansteckung nicht die gesamte Belegschaft ausfällt, haben wir Teams gebildet, schaffen aber so nur drei statt fünf Touren. Wir sagen etwa „Badegästen“ ab, denen wir nur assistieren würden. Das gibt Diskussionen. Die Leute denken, wir wären wie Maschinen und müssten funktionieren. Ein Passant hat applaudiert, als er mich sah. Ich arbeite gerne, so lange ich kann. (mfr)

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