Interview-Reihe „Das andere Gespräch“Kölns Stadtkämmerin Dörte Diemert übers Segeln

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Kölns Kämmerin Dörte Diemert segelt auf einem Segelboot.

Bei Wind und Wetter draußen sein – für Kölns Kämmerin Dörte Diemert macht das den Reiz des Segelns aus.

  • ​In unserer Reihe „Das andere Gespräch“ reden wir mit bekannten Kölnerinnen und Kölnern über alles Mögliche, nur nicht über die beruflichen Themen.
  • Mit Finanzdezernentin und Stadtkämmerin Dörte Diemert (47) haben wir also nicht über Zahlen und den Stadthaushalt gesprochen, sondern über ihre Leidenschaft für das Segeln.

Wie kamen Sie zum Segeln?

Ich komme aus einer Seglerfamilie. 1974, im Jahr meiner Geburt, hat mein Vater einen alten Schiffsrumpf aus den 50er-Jahren gekauft. Er ist handwerklich sehr geschickt und hat diesen Stahlrumpf selbst ausgebaut, bis daraus ein seetaugliches Boot wurde. Er hat abends und an den Wochenenden ungemein viel Arbeit reingesteckt. Als es fertig war, sind wir damit in den Ferien in Urlaub gefahren, den Rhein hinunter und dann in die Nordsee. Ich war damals ein Kleinkind. Von da an haben meine Eltern, meine Geschwister und ich jeden Sommerurlaub an Bord unseres Familienschiffs verbracht.

Was ist das für ein Schiff?

Ein Langkieler, ein Oldtimer, eher gemütlich, keine Rennyacht. Das Boot ist rund 12 Meter lang und recht schmal. Maximal sechs Personen passen an Bord. In der Kajüte geht es eng zu, man kann nicht überall stehen. Alles ist einfach gehalten, ohne großen Komfort.

Wie kommt man als Familie auf so engem Raum klar?

Ich bewundere es, wie meine Eltern das damals mit drei kleinen Kindern hinbekommen haben. Anfangs war sogar ein Laufstall mit an Bord. Segeln ist ein bisschen wie Camping, nur eben auf dem Meer. Man muss sich etwas einschränken, aber es hat auch seinen besonderen Charme. Man ist jeden Tag woanders. Wir sind durch die Nord- und Ostsee gesegelt, waren an der deutschen Küste, in England, der Bretagne und Skandinavien. Wir haben auf dem Meer großartige Urlaube verbracht, aber ich gebe zu: Als Teenager fand ich es nicht immer toll; damals hätte ich gerne mal etwas anderes gemacht. Als ich erwachsen war, habe ich deshalb ein paar Jahre pausiert – und dann bald festgestellt: Es lässt mich nicht los!

Wie haben Sie segeln gelernt?

Wenn man auf einem Segelboot mitfährt, lernt man vieles automatisch. Allerdings man muss eine ganze Reihe von Prüfungen ablegen, wenn man ein Schiff eigenverantwortlich steuern will. Ich habe als Kind in einem Optimist angefangen. Das ist eine leichte, winzige Einpersonen-Jolle für Kinder und Jugendliche. Die wird gerne mal vom Wind umgeworfen, wenn man nicht aufpasst. Dann landet man im Wasser und muss sehen, wie man wieder hereinkommt. Ich spreche aus Erfahrung. (lacht)

Womit segeln Sie heute?

Noch immer mit unserem alten Familienboot, es gehört inzwischen meiner Schwester und ihrem Mann. Zum Glück hat sich auch mein Mann mit dem Seglervirus infiziert. Wir verbringen gerne unsere Urlaube an Bord, manchmal zieht es uns aber auch in die Berge zum Wandern.

Was schätzen Sie besonders am Segeln?

Dass ich beim Segeln so viel draußen bin, Wind und Wetter intensiv erleben kann, egal ob die Sonne scheint oder ob es regnet oder stürmt. Wenn ich Möwengeschrei höre und den Salzgeruch in der Luft rieche, kommen bei mir sofort Urlaubsgefühle auf. Sobald ich an Bord gehe, ist es, als würde ein Schalter umgelegt. Ich liebe das Meer, die Natur, das Licht. Der Kopf wird leer, da ist dann kein Platz mehr für Zahlen. Man genießt einfach den Moment.

An Bord kann es aber auch anstrengend werden…

Sicher. Nach einem Tag auf See ist man abends platt. Wenn das Wetter rauer wird, hat man alle Hände voll zu tun, um das Boot sicher auf Kurs zu halten. Ein Törn kann auch mal sehr lang werden, wenn der Wind nachlässt und man nicht vorankommt. Und es kann sein, dass man um 4 Uhr morgens losfahren muss, weil um 6 Uhr Hochwasser ist und nur so der Wasserstand auf dem gesamten Törn ausreichend ist. Aber das gehört alles dazu. Und wer früh aufsteht, kann wunderschöne Sonnenaufgänge über dem Meer erleben.

Wie ist es, mit sechs Personen in einem 12-Meter-Boot einen Segeltörn zu machen?

Der Platz an Bord ist sehr begrenzt, daran muss sich mancher erst gewöhnen. Der Spruch „Alle sitzen in einem Boot“ bringt es auf den Punkt: An Bord ist man auf sich gestellt und aufeinander angewiesen. Wenn das Schiff den Hafen verlässt und ein neues Ziel ansteuert, kann man unterwegs nicht mal eben „ranfahren“, weil das Wetter schlecht wird oder jemandem nicht gut ist. Da müssen dann alle gemeinsam durch. Das schweißt zusammen.

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Ist Segeln teuer?

Ein Schiff zu unterhalten macht viel Arbeit, aber es braucht zum Segeln ja kein eigenes Boot. Man kann es in einem Segelverein lernen oder im Urlaub einen Kurs machen. Wer ein bisschen Erfahrung gesammelt hat, kann bei anderen mitfahren. Und es gibt auch Angebote wie „Hand gegen Koje“: Wer mithilft, bekommt dafür einen Platz an Bord.

Und worauf müssen Anfänger achten?

Auf dem Meer kann es auch im Hochsommer empfindlich kalt werden. Ins Gepäck gehören Mütze, dicker Pulli, wasserfeste Kleidung, festes Schuhwerk.

Was war einer der schönsten Momente auf See für Sie?

Da gibt es so vieles: Zum Beispiel die Seehunde im Wattenmeer oder der Moment, wenn Helgoland erstmals am Horizont auftaucht. Eingeprägt hat sich mir auch ein Törn im Großen Belt – eigentlich war alles unspektakulär, und doch gab es eine ganz besondere, sehr friedliche Stimmung bei sattem Abendlicht und stetem Wind. Das lässt sich mit Worten nur schwer beschreiben, aber das war Glück pur.

Und was war besonders stressig für Sie?

In Dänemark waren wir unterwegs zu einem Hafen auf der Insel Møn, als sich das Wetter unangekündigt und rapide verschlechterte. Wir waren noch gut zehn Seemeilen entfernt, knapp zwei Stunden Fahrt, und wussten nicht: Schaffen wir es rechtzeitig dorthin, um noch sicher einlaufen zu können? Bei zu starkem Wellengang wäre das riskant gewesen. Abzudrehen hätte aber bedeutet, bei aufziehendem Sturm viel länger auf See zu bleiben. Am Ende hatten wir Windstärke 9. Das war keine einfache Entscheidung. Meine Erleichterung, als wir die enge Hafeneinfahrt endlich sicher passiert hatten, war riesengroß.

Was ist für Sie das Wesentliche am Segeln?

Es liegt nicht nur in der eigenen Hand, wo man hinfährt, wann man losfährt und wie lange man unterwegs ist. Das hängt alles von Wind und Wetter ab, von Strömungen und Gezeiten. Eine faszinierende Art der Fortbewegung. Nicht wie beim Auto, wo man einfach einsteigt und losfährt. Ich empfinde das als Entschleunigung pur. Es lehrt mich Demut und Gelassenheit.


Zur Person

Prof. Dr. Dörte Diemert (47, parteilos) stammt aus Düsseldorf und lebt mit ihrem Mann im Kölner Agnesviertel. Am 24. Januar 2019 trat sie ihr Amt als Beigeordnete für Finanzen in Köln an, zuvor war sie Kämmerin und Stadtdirektorin in Duisburg. Zu den beruflichen Stationen der Juristin zählten das Kommunalwissenschaftliche Institut der Universität Münster, der Landkreistag NRW und der Deutsche Städtetag. Sie studierte in Düsseldorf und Frankreich und lehrt seit 2005 an der Uni Münster.

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