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Das Quarantäne-KorsettOmikron breitet sich schnell in Köln aus

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Eine Labormitarbeiterin bereitet Teströhrchen für einen PCR-Test vor.

Köln – Es geht jetzt schnell. Am 9. Dezember hat die Stadt Köln die ersten bekannten Omikron-Fälle registriert, am Mittwoch waren es schon 1125 Fälle. Omikron übernimmt, und es stellt sich die Frage: Wie damit umgehen? Weiter auch gesunde und geimpfte Kontaktpersonen 14 Tage in Quarantäne schicken? Andere Länder wie Tschechien oder Frankreich beispielsweise rücken davon drastisch ab. Auch in Deutschland zeichnet sich eine Änderung ab.

Derzeit müssen Schulkinder oder Arbeitnehmer bis zu 14 Tage in Quarantäne, obwohl sie gesund, geimpft und negativ getestet  sind. Die Stadt Köln wartet auf neue Regeln vom Robert-Koch-Institut (RKI) und  vom Bundesgesundheitsministerium (BGM), das Amt hatte dem RKI  laut eigener Aussage  einen Vorschlag zur Vereinheitlichung der Quarantäne-Regelungen unterbreitet.

Veränderte Quarantäne-Reglen fordern auch Experten wie der Virologe Florian Klein von der Uniklinik Köln (siehe Interview). Die Stadt Köln sagt: „RKI und BMG haben eine kurzfristige Änderung in Aussicht gestellt, es soll voraussichtlich noch in dieser Woche eine neue Regelung geben. Darauf basierend wird das Gesundheitsamt sein Vorgehen anpassen.“

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Interview: Drei Fragen an...

Prof. Dr. Klein, Direktor Institut für Virologie, Uni Köln

Herr Prof. Dr. Klein, wie findet die Uniklinik heraus, ob Omikron vorliegt?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine ist eine Sequenzierung der Probe. Dabei wird das gesamte Virusgenom ausgelesen und man kann sehr genau jeden einzelnen Baustein der Sequenz begutachten. Bis solch ein Ergebnis vorliegt, dauert es im Durchschnitt zwischen sieben und 14 Tage. Die Sequenzierung ist wichtig, um die Entwicklung von Sars-CoV-2 in Deutschland zu überwachen und neue Varianten zu entdecken. Des Weiteren können mittels einer Schmelzkurven-Analyse bestimmte Mutationen nachgewiesen werden, die für eine Variante charakteristisch sind. Diese Analyse lässt sich deutlich schneller durchführen und dauert in etwa solange wie der ursprüngliche PCR-Test.

Die Sequenziermethode wird also eher für die Langzeit-Überwachung genutzt, die zweite dient demnach für den täglichen Gebrauch der Gesundheitsämter?

Routinemäßig prüfen die Labore per PCR-Test, ob in einer Probe Sars-CoV-2 nachweisbar ist oder nicht. Will man dann zeitnah eine Aussage zu der Virusvariante bekommen, wird nach spezifischen Mutationen geschaut, die typisch für aktuell zirkulierende Varianten sind. Zur Zeit sind das Delta und Omikron.

Wie lange dauert es,  bis die Informationen zu einer Variante vorliegen?

Nachdem der Nachweis eines positiven Sars-CoV-2 Tests vorliegt, führen wir die Analyse zur Virusvariante meist am Folgetag durch. In Abhängigkeit der Belastung der Labore kann dieses jedoch auch später erfolgen.

Bislang waren die strengen Regeln ja dafür gedacht, die Ausbreitung der ansteckenden Variante Omikron zu verlangsamen. Es ist also  wichtig, dass die Ergebnisse  schnell vorliegen, ob es Omikron ist oder nicht. Darauf weist auch das Bundesgesundheitsministerium  gegenüber der Rundschau hin, neue Virusvarianten „mit vermutlich gesteigerter Übertragbarkeit verdeutlichen die Notwendigkeit einer zeitnahen Analyse der zirkulierenden Virusstämme“. Dann könnten „zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden“.

Aber: In Köln dauert es in Einzelfällen teils bis zu zwölf Tage nach dem positivem PCR-Test, bis Infizierte  wissen, dass sie sich mit Omikron angesteckt haben.  Ist das  wirklich noch „zeitnah“? Kann so eine Ausbreitung verhindert werden? Bleiben gesunde und geimpfte  Kontaktpersonen tatsächlich freiwillig zwölf Tage in Quarantäne oder meiden Kontakte? Und: Warum dauert das so lange?

Die Stadt teilt dazu mit: „Mittlerweile ist der Auswertungszeitraum kürzer.“ Auch die Feiertage hätten dabei eine Rolle gespielt. Derzeit  dauert demnach der Variantennachweis in der Regel zwei bis drei Tage, dann informiere das Amt  die Betroffenen tagesaktuell. Diese generelle Dauer bestätigt Synlab, eine Firma mit  40 Laborstandorten, die auch für die Stadt Köln Proben analysiert.

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Das Testergebnis  ist unter anderem  für die  Kontaktpersonen entscheidend: Sind sie geimpft und ohne Symptome, müssen sie nicht in 14-tägige Quarantäne, solange es nicht Omikron ist, sondern beispielsweise Delta.   Heißt ganz konkret: Liegt der positive Omikron-Test erst nach zehn Tagen vor, muss die Kontaktperson die restlichen vier der 14 Tage in Quarantäne – und durfte  sich vorher zehn Tage frei bewegen und möglicherweise sogar viele andere Menschen anstecken. Und die Kontaktperson wusste zehn Tage nicht, ob sie nun eigentlich in Quarantäne muss oder nicht, sie ist quasi auf Abruf, in der Schwebe.

Das städtische Gesundheitsamt sagt dazu: „Je nach Fallkonstellation kann es dazu kommen, dass die Quarantäne für Kontaktpersonen tatsächlich erst kurz vor Quarantäneende angeordnet wird.“ Aber wie sinnvoll ist das dann noch? Zumal laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Ansteckungszeit viel kürzer ist bei Omikron. Deshalb sollen die Regeln diese Woche verändert werden.

Die Quarantäne-Anordnung: Viele Ausnahmen, nicht leicht zu verstehen

8853 Kölnerinnen und Kölner sind aktuell in Quarantäne. 5570  davon sind tatsächlich infiziert, 409 warten auf das Ergebnis ihres PCR-Tests und 2874 sind Kontaktpersonen der Infizierten. Wie viele der 8853 in Verbindung mit der Omikron-Virusvariante stehen, erhebt die Stadt nicht.

Angesichts der ansteckenderen Virusvariante könnten es in den nächsten Wochen deutlich mehr Menschen werden, die das Gesundheitsamt der Stadt  in Quarantäne schickt. Doch wie verständlich sind diese Schreiben?

Grundsätzlich versucht die Stadt die Betroffenen digital zu informieren, doch dabei ist sie  laut eigener Aussage darauf angewiesen, „möglichst kurzfristig möglichst vollständige Kontaktdaten der Infizierten und der Kontaktpersonen zu erhalten“. Geschieht das nicht, verzögert sich die Information. Und: „Wenn keine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse vorliegt, kann eine Kontaktaufnahme nur auf dem Postweg erfolgen.“ Was  teils dazu führt, dass die Quarantäne-Anordnung mehrere Tage nach dem eigentlichen  Beginn eintrudelt und nachdem Betroffene sich schon frei testen konnten.

In dem Schreiben, beispielsweise an Kontaktpersonen, folgen auf der ersten Seite  die Anweisungen, notiert in einzelnen Punkten,  und der Zeitraum der Quarantäne. Auf Seite zwei stehen dann viele Ausnahmen, unter anderem für  Geimpfte oder Genesene.  Ganz einfach zu verstehen ist das nicht, das bestätigt auch die Stadt der Rundschau: „Die Ordnungsverfügung muss rechtssicher sein. Wir bemühen uns, trotz dieser Vorgabe die Formulierung möglichst verständlich zu wählen. Allerdings gibt es sehr viele Ausnahmeregelungen, die jeweils in der Ordnungsverfügung enthalten sein müssen.“

Wichtig ist aber vor allem, ob der Infizierte  Omikron hat. Dann müssen enge Kontaktpersonen immer 14 Tage in Quarantäne. Auf die Bedeutung weist das Gesundheitsamt auch mehrfach hin. Nur: Wie Kontaktpersonen davon erfahren, steht nirgends.

Ebenso fehlt übrigens ein einfaches „Gute Besserung“ in dem Schreiben der Stadt an Betroffene. Dazu teilt das Amt mit: „Das Gesundheitsamt bedankt sich für die Anregung und wird prüfen, ob dies in der Ordnungsverfügung möglich ist. Es gibt jedoch auch viele asymptomatische Personen. “ Fragen zur Quarantäne? Die Stadt Köln ist erreichbar unter der Nummer (0221) 221-33500.  Montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr sowie samstags von 8 bis 20 Uhr und sonntags von 10 bis 16 Uhr. Fragesteller werden zur Quarantäne-Hotline weitergeleitet.

Michael Müller ist Vorstandsvorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin, der Interessensverband vertritt derzeit mehr als 200 medizinische Labore in Deutschland. Müller hält die Diskussion über das Zählen der  Tage bis zum Vorliegen des Testergebnis für falsch, er appelliert an die Eigenverantwortung, also sich  bis zum Testergebnis so zu verhalten, als sei es Omikron. „Wir müssen alle mitmachen“, sagt Müller.

Nur: Wie realistisch ist es nach knapp zwei Jahren Pandemie noch, dass Menschen freiwillig zu Hause bleiben, möglicherweise bis zu zwölf Tage?  Und spielt es für die mögliche Akzeptanz in der Bevölkerung für solche Maßnahmen nicht doch eine Rolle, dass  gesunde und geimpfte Betroffene  relativ zeitnah eine testbasierte Gewissheit haben anstatt auf die  Freiwilligkeit für zwölf Tage Quarantäne zu hoffen? Die Stadt teilt dazu mit: „Es geht bei der Erfassung der Kontaktpersonen auch nicht allein um die Quarantäne. Im Falle von Symptomen erhalten Betroffene über das Gesundheitsamt ein aufsuchendes Abstrichangebot und werden betreut.“

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