Debatte um ÖPNVWas ein 365-Tage-Ticket für Köln bedeuten würde

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Symbolbild

  • Der VRS hat prüfen lassen, ob ein 365-Tage-Ticket für Köln realisierbar ist.
  • Das Fahrgastaufkommen würde dabei wohl deutlich steigen.
  • Für den Verkehrsverbund könnte die Einführung ein Horrorszenario bedeuten.

Köln – Wien hat es getan. Die Vorzeigestadt des Öffentlichen Personennahverkehrs hat das 365-Tage-Ticket für einen Euro pro Tag eingeführt. In Deutschland wird derweil noch diskutiert über einen nahezu kostenlosen ÖPNV. Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) hat nun eine Untersuchung in Auftrag gegeben, was es für ihn bedeuten würde, wenn ein 365-Euro-Ticket eingeführt würde. Ergebnis: Das Fahrgastaufkommen würde um 30 Prozent steigen, das Netz ohne schnellen Ausbau kollabieren und es bräuchte jährlich eine Milliarde Euro, um den Betrieb zu finanzieren.

Auf welcher Grundlage steht die Untersuchung?

Die WVI GmbH wurde vom VRS mit der Verkehrs- und Infrastrukturuntersuchung beauftragt. Ausgangslage ist das 365-Tage-Ticket. Der vorgegebene Zeithorizont reicht bis zum Jahr 2024. Die 30-prozentige Zunahme des Fahrgastaufkommens ist eine „gegriffene“ Zahl. Jedoch: „Wir haben am ticketfreien Tag im VRS-Gebiet gesehen, dass die Nachfrage überdurchschnittlich war. Die Annahme, dass wir bei einem 365-Euro-Ticket 30 Prozent mehr Fahrgäste haben werden, ist realistisch“, sagt VRS-Geschäftsführer Michael Vogel. Zurzeit gibt es im VRS rund 550 Millionen Fahrten pro Jahr. 120 Verbindungen, 21 Regionalzüge, 16 Stadtbahnlinien in Köln und Bonn und zahlreiche Buslinien wurden unter die Lupe genommen. Grundlage war auch die Pendleranalyse des VRS.

Was bedeutet das für das ÖPNV-Netz?

Schon jetzt sind viele Bus- und Bahnlinien überlastet. Wenn im Verkehrsverbund 715 statt 550 Millionen Fahrten im Jahr anfallen würden, würde das bestehende Netz zusammenbrechen (siehe Grafik). Die bereits beschlossenen Ausbaumaßnahmen verbessern die Lage kaum. Es bleibt also nur der weitere Ausbau. Den Gutachtern stand für ihr Szenario aber lediglich ein Planungshorizont von fünf Jahren zur Verfügung. Damit war für sie die Erweiterung keine Option, da Planung und Bau neuer Trassen unter zehn Jahren nicht zu haben sind.

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Die Experten setzen darum auf Expressbusse, um zusätzliche Verbindungen für Pendler zu schaffen. Um schnell zu sein, dürfen die Busse nicht im Stau und nicht vor Ampeln stehen . Es braucht also Busspuren und Signalvorrangschaltungen. Insgesamt kommt die Untersuchung auf 71 Maßnahmen zur Entlastung bestehender Linien und 32 zusätzliche Verbindungen. Begleitet wurden die Untersuchungen vom Kasseler Professor Carsten Sommer aus dem Institut für Verkehrswesen. Er erteilt E-Bussen für die Planung eine klare Absage: „Zu geringe Reichweiten sowie zu hohe Kosten in der Anschaffung und für die Ladeinfrastruktur – E-Busse sind nicht wertschöpfend.“ Mögliche Strecken für die Expressbuslinien wurden noch nicht geprüft.

Was kostet ein 365-Tage-Ticket?

Den Kunden kostet das Ticket grob gerechnet einen Euro pro Tag. Den VRS würde es weit mehr kosten. Die Experten planen alleine für die Personal und Betriebskosten inklusive der Abschreibung für die Fahrzeuge 120 Millionen Euro ein. In dieser Rechnung fehlen aber Kosten für neue Betriebshöfe, neue Ampelanlagen und Gehaltssteigerungen wegen Personalmangels. Eingepreist werden muss noch das neue Ticket. „Wir haben rund 680 Millionen Euro an Fahrgasterlösen pro Jahr“, sagt Vogel.

Die fallen nahezu gänzlich weg, wenn jeder Kunde nur noch 365 Euro im Jahr für alle Fahrten im gesamten Verbandsgebiet bezahlt. Dazu kommt, dass die Fahrgasterlöse zurzeit nur annähernd 80 Prozent der Gesamtkosten abdecken. „Da dürfen wir uns nichts vormachen, wir bewegen uns ganz klar auf Kosten von einer Milliarde im Jahr hin“, sagt Christian Pohlmann, Fraktionsvorsitzender der FDP in der Verbandsversammlung. Professor Sommer verweist bei den Kosten auf Wien. Dort seien die Parkkosten in der Stadt verdoppelt worden zur Finanzierung des 365-Tage-Tickets.

Kritiker

Die Fraktionsvorsitzenden in der Verbandsversammlung lehnen ein VRS-Ticket nicht ab. „Das bedeutet nicht weniger als eine Revolution“, sagt Christian Pohlmann (FDP). „Wir müssen nun mehr Geld fordern und zwar von allen Ebenen“, so Dierk Timm (SPD). Bernd Kolvenbach, Vorsitzender der Verbandsversammlung, wird noch deutlicher: „Bund und Land sollen nicht glauben, uns damit alleine lassen zu können. Das können die Städte nicht mehr leisten.“

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