Demo am DomWie Kölns Prostituierte unter der Corona-Krise leiden

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Rund 400 000 Prostituierte gibt es nach seriösen Schätzungen in Deutschland. Verboten ist Prostitution nicht.

Rund 400 000 Prostituierte gibt es nach seriösen Schätzungen in Deutschland. Verboten ist Prostitution nicht.

  • Aufgrund der Coronaschutzverordnung dürfen Prostituierte in Köln nicht arbeiten.
  • Am Mittwoch wird vor dem Dom gegen das Arbeitsverbot demonstriert.
  • Eine Sexarbeiterin schilderte im Gespräch mit der Rundschau ihre Nöte.

Köln – Vor dem Dom kommt es an diesem Mittwochnachmittag zu einer besonderen Demonstration: Prostituierte gehen auf die Straße und kämpfen dafür, dass sie ihren Job wieder ausüben können. Infolge der Coronaschutzverordnung ist Prostitution seit dem 22. März verboten. Wie lange das Verbot besteht, entscheidet das Land NRW.

„Ich sehe nicht ein, dass jede Kosmetikerin, die auch nah am Kunden ist, arbeiten darf, aber ich nicht“, sagt die Kölner Sexarbeiterin Nadine Kopp. „Ich zahle Steuern, habe ein Gewerbe angemeldet und werde jetzt nicht gleichwertig behandelt. Ich fühle mich diskriminiert. Ich gehe auf die Straße, weil ich respektiert werden will“, sagt die Frau im Gespräch mit der Rundschau. Derzeit muss sie von Arbeitslosengeld II leben.

Weiter in die Illegalität getrieben

Verbände und Experten befürchten, dass die Prostituierten noch mehr in die Illegalität getrieben werden als ohnehin schon. In Köln wurden bereits mehrfach illegale Bordelle geschlossen, beispielsweise im April in Deutz an der Siegesstraße.

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Nach Hamburg und Berlin jetzt Protest in Köln

1203 Personen, die der Prostitution nachgehen, sind in Köln gemeldet. Eine Unterscheidung nach Geschlecht erfolgt bei den Gemeldeten nicht. 51 Bordelle sind in Köln genehmigt. Dazu kommen mehrere Wohnungsbordelle, in denen Freier in die private Räume kommen.

Das größte Bordell in Köln ist das „Pascha“ an der Hornstraße. In dem Laufhaus herrscht seit Beginn der Corona-Krise Ruhe. „Aufgrund der aktuellen Pandemie bleibt das Pascha bis auf weiteres geschlossen“, ist auf der Internetseite des Großbordells zu lesen.

Eigentlich hatten die Polizisten bei Fahndungsmaßnahmen nach einem versuchten Tötungsdelikt in Porz vom 16. April das Mehrfamilienhaus aufgesucht. Statt des Gesuchten trafen sie dort sechs Prostituierte und einen Kunden an. Über das Internet hatte der Hauseigentümer seine Mieterinnen angeworben, sie boten ihre Dienste im Netz an. Der illegale Betreiber muss sich strafrechtlich verantworten.

In einigen Fällen hatten Nachbarn in den vergangenen Monaten das Ordnungsamt und die Polizei gerufen, weil sie unbekannte Frauen im Hausflur gesehen hatten und eindeutige Laute hörten. Als die Beamten anrückten, sprangen Prostituierte aus den Fenstern und konnten fliehen. Die Stadt spricht aktuell von 43 Verstößen. „Die Dunkelziffer ist vermutlich wesentlich höher“, sagt ein Polizist, der häufig am Eigelstein Streife geht.

Demo vor dem Kölner Dom

Um dies zu verhindern, wird für eine umfassende Lockerung gekämpft. „Während Nachbarländer wie Schweiz, Belgien, Österreich oder die Niederlande Sexarbeit wieder erlaubt haben, bietet die hiesige Politik keine Perspektiven auf die Wiedereröffnung“, kritisiert der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. Nach lautstarken Protesten in Hamburg und Berlin demonstriert der Verband deswegen zusammen mit Fachberatungsstellen am heutigen Mittwoch ab 16.50 Uhr vor dem Dom. Die Prostituierten wollen auf ihre desolate Situation aufmerksam machen. Die Veranstaltung ist bis 19 Uhr vorgesehen.

„Wir fordern, dass Prostitution ab dem 1. September wieder erlaubt ist“, sagt Johanna Weber, Sprecherin des Verbandes. Ein Hygienekonzept hat dieser längst erarbeitet. Es sieht eine Maskenpflicht vor, eingeschränkte Dienstleistungen, Aufnahme der Kundendaten und eine vorherige Terminabsprache. „Auch die Kunden haben ein Interesse daran, dass es möglichst sicher ist“, sagt Johanna Weber. In anderen Ländern wie Österreich funktioniere das Hygienekonzept gut.

SkF: Frauen suchen Hilfe

Den Frauen und Männern, die auf dem Straßenstrich arbeiten, geht es infolge des Verbots besonders schlecht. Das bestätigt auch René Pieper. Er ist in Köln für die Prostituiertenhilfe beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) zuständig. „Die Nachfrage nach Beratungen ist seit Beginn der Corona-Pandemie enorm gestiegen“, sagt Pieper. Schon Ende Juni hatte die Zahl der Ratsuchenden die Gesamtzahl des Vorjahres erreicht. Während anfangs viele Spenden, die über Verband gesammelt wurden, unter den Prostituierten verteilt werden konnten, ist der Spendenfluss nun versiegt.

Auf dem Straßenstrich an der Geestemünder Straße arbeiten auch Frauen, die durch die Prostitution ihre Drogensucht finanzieren. Der SkF hat dort eine Beratungsstelle. „Die Mehrheit dieser Frauen lebt von einem Tag auf den nächsten. Sie haben keine Rücklagen. Diesen Frauen geht es sehr schlecht“, sagt Pieper. Ausstieg aus der Prostitution in einer Zeit, in der die Gastronomie und viele Branchen am Boden liegen, sei quasi unmöglich, so der Experte. Einige wählten den Schritt in die Illegalität.

Auch Pieper steht hinter der Forderung nach einer Wiedereröffnung der Prostitutionsbetriebe. „Corona wird uns noch eine Weile beschäftigen. Also muss ein Konzept her“, sagt er. Seine Kritik: „Bisher wurde das Thema totgeschwiegen – auch in Köln.“

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